Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Höhe der Geschäftsgebühr für Widerspruchsverfahren gegen Mahngebühr

 

Leitsatz (amtlich)

Für ein Widerspruchsverfahren gegen eine Mahngebühr von 7,85 Euro ist bei einem Gebührenrahmen von 40 Euro bis 520 Euro eine Geschäftsgebühr von 80 Euro (doppelte Mindestgebühr) als Vergütung des Rechtsanwalts angemessen.

Bei der Bemessung der Geschäftsgebühr nach § 14 RVG ist für die Bedeutung der Angelegenheit auf die Mahngebühr nicht auf die dahinter stehende Hauptforderung abzustellen, wenn nur die Mahngebühr Gegenstand des Widerspruchs sein kann.

 

Orientierungssatz

Eine Mahnung ist eine Erinnerung an eine bereits bestehende Zahlungspflicht. Sie hat keine Verwaltungsaktqualität (vgl BSG vom 2.11.2012 - B 4 AS 97/11 R = EuG 2013, 485).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 09.03.2016; Aktenzeichen B 14 AS 5/15 R)

BSG (Urteil vom 08.03.2016; Aktenzeichen B 14 AS 5/15 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 17. März 2014 abgeändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 13.11.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.12.2012 verurteilt, der Klägerin weitere 61,88 Euro zu erstatten. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat von den notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Klageverfahren ein Viertel und für das Berufungs- sowie das Zulassungsverfahren vier Siebtel zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der von der Beklagten zu erstattenden Aufwendungen für die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten in einem isolierten Widerspruchsverfahren.

Das zuständige Jobcenter hatte gegenüber der Klägerin einen Bescheid vom 06.11.2009 über eine Darlehensgewährung sowie vier Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 26.11.2009, 01.03.2010, 19.04.2010 und 01.09.2010 erlassen. Daraus ergaben sich insgesamt 1.512,78 €, die die Klägerin zurückzuzahlen hatte. Widersprüche gegen diese Bescheide sind nicht ersichtlich. Laut einem Telefonvermerk beantragte die Klägerin bereits am 13.09.2010 telefonisch Ratenzahlungen auf diese Forderungen von monatlich 100,- €. Sie verfüge lediglich über nichtselbständiges Einkommen von monatlich 1.100,- €.

Mit Schreiben vom 23.10.2011 mahnte die Beklagte die Forderung in Höhe von 1.512,78 € an und setzte eine Mahngebühr in Höhe von 7,85 € fest. Auf Seite 2 der Mahnung befand sich eine Aufstellung der vorgenannten Bescheide. Die Klägerin wurde aufgefordert, den Betrag in Höhe von insgesamt 1.520,63 € innerhalb einer Woche zu überweisen. Laut Rechtsbehelfsbelehrung sei die Festsetzung der Mahngebühr durch Widerspruch anfechtbar.

Hiergegen legte der Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 27.10.2011 Widerspruch ein. Es wurde vorgetragen, dass die auf Seite 2 des Mahnschreibens aufgeführten Bescheide nicht bekannt seien. Es werde daher davon ausgegangen, dass die Erhebung von Mahngebühren mangels Fälligkeit nicht statthaft sei und es werde insoweit gegen die Mahnung Widerspruch eingelegt.

Dem Widerspruch wurde durch Aufhebung der Mahngebühren abgeholfen, sowie im Hinblick auf die anwaltliche Vertretung entschieden, dass die im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen erstattet würden (Abhilfebescheid vom 27.07.2012).

Mit Kostennote vom 09.08.2012 wurden vom Prozessbevollmächtigten Kosten für das Widerspruchsverfahren in Höhe von 309,40 € geltend gemacht, aufgegliedert in eine Geschäftsgebühr nach § 3 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) i.V.m. Nr. 2400 Vergütungsverzeichnis (VV RVG) in Höhe von 240,- € sowie die Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,- € zuzüglich 19 % Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG in Höhe von 49,40 €.

Mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 13.11.2012 setzte die Beklagte die zu erstattenden Aufwendungen auf 57,12 € fest. Der Ansatz der Geschäftsgebühr von 240,- € sei unbillig und daher für die Beklagte nicht verbindlich. Angemessen sei lediglich die Mindestgebühr in Höhe von 40,- €. Streitig sei lediglich eine Mahngebühr von 7,85 € gewesen, so dass die rechtliche Schwierigkeit und der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit weit unterdurchschnittlich gewesen seien im Vergleich zu üblichen sozialrechtlichen Verfahren. Auch die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger sei weit unterdurchschnittlich gewesen, da die Festsetzung einer Mahngebühr in o.a. Höhe nicht vergleichbar sei mit der Ablehnung von Leistungen nach dem SGB II oder dem Streit um die Höhe solcher laufender Leistungen. Bei einem Ansatz einer Geschäftsgebühr in Höhe des Mindestbetrages von 40,- € zuzüglich der Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG (8,- €) und der Umsatzsteuer (9,12 € aus 48,- €) ergebe sich ein zu erstattender Gesamtbetrag in Höhe von 57,12 €.

Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.12.2012 zurück. Die Mahngebühren seien storniert worden, da im Widerspruchsverfahren vorgetragen wurde, dass die der Mahnung zugr...

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