Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherung. Versicherungspflicht. Synchronsprecher. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung. unständige Beschäftigung. Berufsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Maßstab für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Beschäftigung von Synchronsprechern ist § 7 SGB IV, nicht hingegen die Rahmenempfehlung der Spitzenverbände vom 30.9.2005 über die versicherungsrechtliche Beurteilung von Synchronsprechern. Für eine Tätigkeit nach Weisungen sprechen genaue Vorgaben über den zu sprechenden Text und die Art und Weise der Ausführung. Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers kann sich aus zeitlich und örtlich festgelegten Einsätzen und der Stellung eines Produktionsstudios einschließlich aller technischen Geräte ergeben. Für eine Beschäftigung spricht auch die höchstpersönliche Ausführung der Tätigkeit. Eine unständige Beschäftigung liegt vor, wenn der zeitliche und wirtschaftliche Schwerpunkt der Erwerbstätigkeit aus solchen Synchronaufträgen besteht, die Aufträge jeweils nur von kurzer Dauer sind und unter ständigem Wechsel der Auftraggeber ausgeübt werden.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 31.03.2017; Aktenzeichen B 12 KR 5/16 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufungen des Klägers werden die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts München vom 20. Juli 2011 und die zugrundeliegenden Bescheide der Beklagten vom 19.11.2008 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17. Juli 2009 aufgehoben und festgestellt,

dass der Kläger für die Beigeladenen zu 2) bis 8) als Synchronsprecher betreffend die Rentenversicherung in der Zeit vom 20. Februar 2006 bis 29. Februar 2008 versicherungspflichtig unständig beschäftigt war.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Der Kläger ist Schauspieler und Synchronsprecher, der u.a. im Auftrag von Synchronisierungsfirmen fremdsprachige Filme synchronisiert. Am 04.08.2008 wandte er sich an die beklagte Krankenkasse und beantragte die Feststellung der Versicherungspflicht für (zusätzliche) Beschäftigungen im Auftrag der Beigeladenen zu 2) bis 8) im Zeitraum 20.02.2006 bis 29.02.2008. Es habe sich jeweils um abhängige Beschäftigungen gehandelt, da er weisungsgebunden und für die Dauer der jeweiligen Beschäftigung auch in den Betrieb eingebunden gewesen sei. Er übe diese Beschäftigungen berufsmäßig aus. Da sie jeweils kürzer als eine Woche gedauert hätten und auch zu dauern pflegten, habe es sich um unständige Beschäftigungen gehandelt. Die Beklagte wandte sich hierauf an die Beigeladenen zu 2) bis 8) und bat um Meldung des Klägers und Nachentrichtung der Beiträge. Die Synchronisierungsfirmen gaben hierauf an, dass die Einsatztermine des Klägers auf der Grundlage der Vereinbarung der Spitzenverbände vom 30.09.2005 bewertet und abgerechnet worden seien. Danach sei der Kläger unter 50 Tage in den letzten zwölf Monaten bei den Firmen beschäftigt gewesen und habe mit Ausnahme der Tätigkeit für die Beigeladene zu 2) keine Rahmenvereinbarung mit dem Unternehmen geschlossen. Auch hätten die Synchroneinsätze nicht mehr als drei zusammenhängende Tage gedauert. Aus diesem Grunde sei der Kläger sozialversicherungsfrei.

Am 19.11.2008 erließ die Beklagte Feststellungsbescheide gegenüber dem Kläger, mit denen eine Versicherungspflicht zur Rentenversicherung als berufsmäßig unständig Beschäftigter für die Tätigkeiten bei den einzelnen Synchronisierungsfirmen abgelehnt wurde. Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung hätten sich mit Rundschreiben vom 30.09.2005 (Rahmenempfehlung der Spitzenverbände über die versicherungsrechtliche Beurteilung von Synchronsprechern) auf folgende Vorgehensweise geeinigt: Bei Synchronsprechern, die nur kurzzeitig für einen Synchroneinsatz verpflichtet werden, sei zukünftig regelmäßig dann nicht von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen, wenn sie nicht überwiegend für ein Unternehmen tätig würden und die kurzzeitigen Einsätze nicht durch eine Rahmenvereinbarung verbunden seien. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) würden in diesen Fällen die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Kriterien in der Gesamtbewertung der Art und Weise der Ausgestaltung der Tätigkeit an Gewicht verlieren (z.B. BFH-Urteil vom 01.03.1973 IV R 231/69). Es sei folglich nur dann von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen, wenn im Wege einer vorausschauenden Betrachtungsweise ein Synchronsprecher innerhalb eines Zeitjahres von einem Synchronunternehmen zu mehr als 50 Synchroneinsätzen verpflichtet werde. Zudem sei nur dann von einer abhängigen unständigen Beschäftigung auszugehen, wenn der Synchronsprecher zu mehr als drei zusammenhängenden Synchroneinsatztagen verpflichtet werde. Da dies beim Kläger in keinem der Fälle gegeben gewesen sei, habe auch keine Versicherungspflicht ...

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