Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzgeldanspruch. Arbeitnehmereigenschaft. Versicherungsfreiheit. Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft. Gründungsphase

 

Leitsatz (amtlich)

Der Vorstand einer Aktiengesellschaft ist kein Arbeitnehmer iS des § 183 SGB 3 und hat damit keinen Anspruch auf Insolvenzgeld. Dabei ist unbeachtlich, dass er in der Gründungsphase der Aktiengesellschaft in seiner Geschäftsführungsbefugnis durch genaue Vorgaben der Anteilseigner beschränkt war.

 

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 28. Juli 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte zu Recht die Zahlung von Insolvenzgeld (Insg) an den Kläger abgelehnt hat, weil er Vorstand der in Insolvenz geratenen Aktiengesellschaft war.

Der 1949 geborene Kläger war als Vorstand bei der AG tätig, einer Capital-Venture Gesellschaft mit den Anteilseignern H. und der V. AG (Nachfolgerin der M. AG) mit jeweils fast 50 %igem Anteil. Unternehmenszweck waren die Entwicklung und Vermarktung eines Archivierungsprojekts für die H. AG. Über die M. AG eröffnete das Amtsgericht M. am 01.11.2002 das Insolvenzverfahren.

Am 14.11.2002 beantragte der Kläger die Gewährung von Insolvenzgeld für den Zeitraum vom 01.08.2002 bis 31.10.2002. Als Arbeitsentgelt gab er ein monatliches Bruttogehalt von 21.449,74 Euro (= 12.529,11 Euro) netto an. Abzüglich der für August 2002 erhaltenen Bezüge von netto 7.868, 23 Euro machte er für den Insolvenzgeldzeitraum insgesamt 29.719,10 Euro geltend.

Mit Bescheid vom 28.11.2002 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, als Vorstandsmitglied der insolventen M. AG sei der Kläger nicht als Arbeitnehmer im Sinne der gesetzlichen Regelung zum Insolvenzgeld anzusehen. Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft hätten eine unternehmerähnliche, unabhängige Stellung im Unternehmen.

Ab November 2002 bewilligte die Beklagte wegen der Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer der "S. GmbH" mit Bescheid vom 03.01.2003 Arbeitslosengeld (Alg).

Mit dem am 09.12.2002 gegen die Ablehnung der Insolvenzgeldzahlung eingelegten Widerspruch machte der Bevollmächtigte des Klägers geltend, es sei kein Grund ersichtlich, weshalb ein GmbH-Minderheitsgesellschafter mit einer Beteiligung von 25,01% Kapital Anspruch auf Insolvenzgeld habe, ein Vorstandsmitglied mit Mini-Aktien unter 1 % aber nicht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.01.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Tätigkeit als Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft (AG) begründe keine Versicherungspflicht.

Mit der dagegen beim Sozialgericht München (SG) am 10.02.2003 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er habe nach der Insolvenz vom Arbeitsamt M. mit Bescheid vom 03.01.2003 Arbeitslosengeld bewilligt bekommen. Insolvenzgeld für die zwei Monate vor Insolvenzeröffnung - Gehälter September 2002 und Oktober 2002 in Höhe von 27.530,- Euro - sei aber versagt worden, obwohl er Anspruch auf Arbeitslosengeld habe. Er sei kein regulärer Vorstand gewesen. Das Sagen im Aufsichtsrat hätten dort die beiden Vorstände, die von den beiden Großanteilseignern H. und V. entsandt wurden. Er sei als Vorstand lediglich ein ausführendes Organ gewesen. In der Gründungsphase einer Capital Venture Gesellschaft bis zum Börsengang habe der Vorstand nur eine ihm von den Anteilseignern vorgegebene Planerfüllungspflicht. Ein eigenverantwortlicher Gestaltungsspielraum scheide aus. Entsprechend einem unter 25,01 % beteiligten GmbH-Geschäftsführer ohne Sperrminorität habe er damit Anspruch auf Insolvenzgeld.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 28.07.2005 abgewiesen. Der Kläger habe durch seine Beschäftigung als Vorstand einer AG eine versicherungsfreie Beschäftigung gewählt, die auch entsprechend dotiert wurde. Da die eigenständige Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen des Insolvenzgeldes zu verneinen gewesen sei, habe es keiner weiteren Sachaufklärung zum vorgetragenen Bezug von Arbeitslosengeld nach der Insolvenz bedurft.

Mit seiner dagegen eingelegten Berufung vom 07.09.2005 trägt der Kläger vor, er sei kein Vorstandsmitglied mit auch nur noch so geringfügigem Entscheidungs-, geschweige denn Gestaltungsspielraum gewesen. Die Gesellschafter als jeweilige fast 50 %ige Anteilseigner hätten die Pläne für den Börsengang diktiert. Er habe nur den ihm vorgegebenen Plan erfüllt. Nur die Hauptaktionäre hätten planwidrig die letzte geplante Kapitalspritze nicht getätigt.

Die Beklagte meint, Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft (AG) seien kraft ihrer Vorstandstätigkeit nicht wie abhängig beschäftigte Arbeitnehmer innerhalb der AG tätig. Es komme dafür nicht darauf an, wie die Anteile der AG verteilt sind und wie die Vorgaben des Aufsichtsrates für den Vorstand lauten. Der Kläger übersehe, dass mit der Einflussnahme der Anteilseigner nicht die Festlegung der Arbeitsbedingungen einer abhängigen Beschäftigung als Arbeitnehmer gemeint seinen, sondern e...

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