Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und zeitgleicher Bezug von Kranken- bzw Arbeitslosengeld. nachträgliche Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Erstattungsansprüche der Leistungsträger. Rückforderung der überzahlten teilweisen Erwerbsminderungsrente vom Versicherten. keine Erfüllungsfiktion im Hinblick auf die bis dahin gezahlte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Aufhebung der Bewilligung wegen der Erzielung von Einkommen

 

Leitsatz (amtlich)

Wird Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung geleistet und zu einem späteren Zeitpunkt rückwirkend Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt, gilt der Anspruch auf Zahlung der vollen Erwerbsminderungsrente in Höhe der bereits geleisteten Rente nicht als erfüllt. Vielmehr fällt der Zahlungsanspruch auf die niedrigere Rente nachträglich zur Gänze weg (§ 89 Abs 1 S 1 SGB 6), so dass eine Erstattung der insoweit geleisteten Zahlungen nach § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 iVm § 50 Abs 1 SGB 10 zu prüfen ist. Entsprechend steht der Nachzahlungsbetrag aus der Rente wegen voller Erwerbsminderung zur Erfüllung etwaiger Erstattungsansprüche anderer Leistungsträger (Krankengeld und Arbeitslosengeld) in vollem Umfang - und nicht nur in Höhe des Betrages, der nach Abzug der geleisteten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung verbleibt - zur Verfügung.

 

Orientierungssatz

Die Regelung des § 89 SGB 6 enthält keine Fiktion, wonach der Anspruch auf Zahlung der Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe der bereits geleisteten niedrigeren Rente (wegen teilweiser Erwerbsminderung) als erfüllt gilt (vgl BSG vom 7.9.2010 - B 5 KN 4/08 R = SozR 4-2600 § 89 Nr 2).

 

Normenkette

SGB VI § 89 Abs. 1, § 43; SGB V § 50; SGB III § 125 Abs. 1; SGB X § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, § 50 Abs. 1 S. 1, § 107

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 07.04.2016; Aktenzeichen B 5 R 26/15 R)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 28. November 2013 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin überzahlte Rente zu erstatten hat.

Die 1962 geborene Klägerin war ab dem 07.04.2010 arbeitsunfähig und bezog ab dem 19.05.2010 Krankengeld von der beigeladenen Krankenkasse SBK (Beigeladene zu 1)). Auf ihren Antrag vom 10.08.2010 wurde für sie eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der Zeit vom 09.09.2010 bis zum 05.10.2010 durchgeführt.

Mit Bescheid vom 08.04.2011 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab dem 01.08.2010 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer aufgrund eines am 07.04.2010 eingetretenen Leistungsfalls. Als maßgebliches Rentenantragsdatum wurde das Datum ihres Antrags auf Bewilligung einer Reha-Maßnahme zugrunde gelegt. Die laufende Zahlung der Rente wurde zum 01.06.2011 aufgenommen (mtl. Zahlbetrag: 259,63 Euro). Der Nachzahlungsbetrag für die Zeit vom 01.08.2010 bis zum 31.05.2011 in Höhe von 2.367,60 Euro wurde zwecks Klärung der Ansprüche anderer Stellen vorläufig nicht ausgezahlt. Es wurde darauf hingewiesen, dass noch geprüft werde, ob ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung wegen eines verschlossenen Teilzeitarbeitsmarktes bestehe.

Ausweislich der Abrechnung der Rentennachzahlung vom 26.04.2011 überwies die Beklagte an die Beigeladene zu 1) einen Betrag von 1.952,19 Euro zur Erfüllung des für die Zeit vom 01.08.2010 bis 12.04.2011 nach § 103 SGB X i.V.m. § 50 Abs. 2 SGB V geltend gemachten Erstattungsanspruchs. Der verbleibende Betrag von 415,41 Euro wurde an die Klägerin überwiesen.

Die Klägerin bezog neben der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung weiterhin fortlaufend (über den 12.04.2011 hinaus) bis zum 09.09.2011 Krankengeld. Ab dem 10.09.2011 erhielt sie Arbeitslosengeld.

Nach Abschluss der Ermittlungen zur Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 04.11.2011 anstelle der bisherigen Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, beginnend ab dem 01.11.2010 und endend zum 31.10.2013. Die laufende Zahlung der Rente wurde zum 01.01.2012 aufgenommen (mtl. Zahlbetrag: 524,40 Euro). Der Nachzahlungsbetrag für die Zeit vom 01.11.2010 bis zum 31.12.2011 in Höhe von 7.303,86 Euro wurde zwecks Klärung der Ansprüche anderer Stellen vorläufig nicht ausgezahlt. Es wurde darauf hingewiesen, dass bei Berechnung des Nachzahlungsbetrages unberücksichtigt geblieben sei, dass die Klägerin bereits eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung erhalten hatte, die wegen des zeitgleichen Anspruchs auf die Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht zu leisten gewesen sei.

Die Beigeladene zu 1) machte einen Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X für die Zeit vom 01.11.2010 bis zum 09.09.2011 in Höhe von 5.363,54 Euro geltend. Die Beklagte rechnete den Erstattungsanspruch der Beigeladenen zu 1) mit Schreiben vom 22.11.2011 ab. Da bereits am 26.04.2011 ein Betrag von 1.403,74 Euro für die Zeit vom 01.11.2010 bi...

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