Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Verfassungsmäßigkeit der Sanktionsregelungen. Sicherung des Existenzminimums

 

Leitsatz (amtlich)

Die Regelungen des § 31 Abs. 2, 3 i.d.F. des Gesetzes zur Festentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006, BGBl 1706 verstoßen nicht gegen Art. 1 i.V.m. Art. 20 GG.

Dem Gesetzgeber steht es frei, in welcher Art und Weise er das Existenzminimum sichert, dies kann durch eine Kombination von Geld und Sachleistungen geschehen. Die Höhe der Sachleistung hängt von Umfang und Dauer der Sanktion ab und kann im Einzelfall nicht auf Gewährung von Lebensmittelgutscheine beschränkt sein. Gegebenenfalls sind weitere Sachleistungen zu gewähren.

 

Tenor

I. Die Berufungen gegen die Urteile des Sozialgerichts Landshut vom 18.04.2011 und vom 17.08.2011 werden zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit von Leistungsabsenkungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) um 80 v.H. der Regelleistung für die Monate Juni bis August 2010, um 90 v.H. der Regelleistung für die Monate Juli bis September 2010 und um 100 v.H. der Regelleistung für die Monate August bis Oktober 2010 streitig.

Der 1960 geborene Kläger erhält seit dem 16.06.2005 laufend Leistungen nach dem SGB II vom Beklagten.

Im streitigen Zeitraum wurden dem Kläger mit Bescheid vom 19.05.2010 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.06.2010 bis zum 30.11.2010 bewilligt. Aufgrund von Sanktionen erhielt der Kläger für die Monate Juni bis August 2010 Leistungen in Höhe von 206,80 € (Kürzung um 80 v.H. mit Bescheid vom 07.05.2010) und für die Monate September bis November 2010 in Höhe von 494 € (ungekürzte Leistungen: Regelleistung 359 €, Kosten für Unterkunft und Heizung 135 €). Der Kläger zahlt monatlich 135 € Miete.

Am 18.01.2010 nahm der Kläger einen Meldetermin nicht wahr. Der Beklagte minderte mit bestandskräftigem Bescheid vom 05.02.2010 das Arbeitslosengeld II des Klägers für die Monate März bis Mai 2010 um 70 v.H. der Regelleistung. Der Bescheid wurde am 08.02.2010 zur Post gegeben.

Mit Schreiben vom 16.02.2010 wurde der Kläger aufgefordert, am 23.02.2010 um :30 Uhr in der Außenstelle A-Stadt des Beklagten vorzusprechen. Es solle ein Gespräch über das Bewerberangebot beziehungsweise über die berufliche Situation des Klägers geführt werden. Das Schreiben enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung, mit der der Kläger darauf hingewiesen wurde, dass das Arbeitslosengeld II nochmals um 80 v.H. der Regelleistung für die Dauer von drei Monaten abgesenkt werde, wenn er ohne wichtigen Grund dieser Einladung nicht Folge leiste. Seine Leistungen seien bereits mit Bescheid vom 05.02.2010 um 70 v.H. gekürzt worden.

Am 23.02.2010 erschien der Kläger um 9:50 Uhr am Empfang des Beklagten und teilte mit, dass er zu dem Termin nur unter Zeugen erscheinen werde und übergab ein Widerspruchsschreiben. Sein persönlicher Ansprechpartner sei am 23.02.2010 um 9:30 Uhr nicht bereit gewesen mit ihm unter Zeugen zu sprechen. Mit Schreiben vom 23.02.2010 wurde der Kläger zu einer beabsichtigten Sanktion nach § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) angehört, da er zu dem Termin nicht beim Ansprechpartner erschienen sei und auch keine Eigenbemühungen nachgewiesen habe.

Mit Bescheid vom 07.05.2010, der am gleichen Tag zur Post gegeben wurde, minderte der Beklagte das Arbeitslosengeld II des Klägers vom 01.06.2010 bis zum 31.08.2010 um 80 v.H. der Regelleistung nach § 31 Abs. 2, Abs.3 S. 3 und Abs. 4 SGB II in der für Sanktionstatbestände bis zum 31.03.2011 geltenden Fassung (a.F.). Die bisherige Bewilligungsentscheidung würde insoweit aufgehoben. Der Kläger sei am 23.02.2010 nicht beim zuständigen Arbeitsvermittler der Agentur für Arbeit erschienen. Ein wichtiger Grund für das Meldeversäumnis liege nicht vor, auf das Anhörungsschreiben vom 23.02.2010 habe der Kläger nicht geantwortet.

Der gegen diesen Bescheid eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23.07.2010 zurückgewiesen. Die Entscheidung beruhe auf § 31 Abs. 2, Abs. 3 S. 3 SGB II. Diese Vorschrift bestimme, dass bei wiederholter Pflichtverletzung nach Abs. 2 (Meldeversäumnis) das Arbeitslosengeld II gemindert werde. Der Widerspruchsführer sei auch seiner Meldepflicht nicht nachgekommen. Er habe zwar am 23.02.2010 in der Eingangszone am Empfang vorgesprochen, sei jedoch nicht bei seinem Arbeitsvermittler erschienen. Das Einladungsschreiben habe unmissverständlich angegeben, in welchem Zimmer und um welche Uhrzeit er vorsprechen solle. Der Meldezweck sei auch rechtmäßig. Der Vortrag des Klägers, er sei nur unter Zeugen bereit, bei seinem Arbeitsvermittler vorzusprechen, sei unbeachtlich, da es andernfalls in seinem Belieben stünde, sich mit der Behauptung er habe keinen Zeugen finden können, Vorspracheterminen zu entziehen.

Am 12.08.2010 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut, das die Klage mit Urteil vom 17.08.201...

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