Leitsatz (amtlich)

1. Gegenstand einer Leistungsklage ist bei zeitlich unbefristetem Klageantrag der gesamte bis zum für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt verstrichene Zeitraum.

2. Für die Zulässigkeit einer Leistungsklage ist auf die Formulierung und den Regelungsinhalt des Leistungsbescheides im Einzelfall abzustellen.

3. Soweit ein neuer Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII gestellt wird, hat sich der angefochtene Bescheid für die von einem auf diesen Antrag ergangenen neuen Bescheid erfasste Zeit erledigt (§ 39 Abs. 2 SGB X).

4. Für eine Klage auf Kostenerstattung der Selbstbeschaffung von Pflegeleistungen ist ein konkreter, höhenmäßig bestimmter Klageantrag erforderlich, weil es sich bei diesem Klagebegehren nicht um eine Geldleistung iS des § 130 SGG handelt, das einem Grundurteil zugänglich ist.

5. Nach einem neuen Antrag auf Kostenerstattung, hat sich ein angefochtener Ablehnungsbescheid für die Zeit nach dem Antrag erledigt (§ 39 Abs. 2 SGB X).

6. Auf einen neuen Antrag hin ist der Sozialhilfeträger, unabhängig davon, dass für die Leistungen der Sozialhilfe an sich der Grundsatz der Kenntnisnahme ohne die Voraussetzung eines Antrags gilt, verpflichtet, ein Verwaltungsverfahren zu betreiben und Vorbereitungen zum Erlass eines Verwaltungsakte zu treffen (sog. fakultatives Antragsprinzip nach § 18 S. 2 Nr. 1 2. Alt SGB X).

7. Zur Zulässigkeit einer Klageänderung für weitere Ansprüche auf Kostenerstattung nach Klageerhebung.

8. Eine Einbeziehung neuer Ansprüche, die unmittelbar bei Gericht bei Übergehungen eines Verwaltungsverfahrens geltend gemacht werden, ist nicht im Sinne von § 99 Absatz 1 SGG sachdienlich.

9. Zum fiktiven Vermögensverbrauch.

 

Tenor

I. Die Beklagte wird gemäß des Anerkenntnisses vom 22. Mai 2012 und vom 9. August 2012 verurteilt, an die Klägerin 1.674,47 Euro zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Leistungen der Hilfe zur Pflege für den Zeitraum ab dem 30.05.2008.

Die 1933 geborene Klägerin ist Altersrentnerin und pflegebedürftig (Stufe I nach dem SGB XI). Sie führt zurzeit einen Rechtsstreit beim Sozialgericht Augsburg (SG) zur Erlangung einer höheren Pflegestufe (Az. S 10 P 20/11, Bescheid der Pflegekasse vom 29.11.2010).

Die Klägerin erhielt vom 01.09.1998 bis 30.06.2007 von der Beklagten zusätzlich Pflegesachleistungen (Kostenerstattung), deren Bezug mit Bescheid vom 26.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.10.2007 endete, weil das Vermögen der Klägerin mit 8.407,33 € den Schonbetrag überschritt.

Am 30.05.2008 beantragte die Klägerin telefonisch und am 14.07.2008 schriftlich (Formblatt) Hilfe zur Pflege. Als Hilfebedarf verlangte die Klägerin eine Zusage über eine Haushaltshilfe im Umfang von sieben Stunden pro Woche, was der früher bewilligten Leistung entsprach und übersandte einen Kostenvoranschlag der Caritas Sozialstation über 1.334,33 € ohne hauswirtschaftliche Versorgung. Sie verfügte am 01.06.2008 € über ein Vermögen von 4.222,20 € und am 01.07.2008 noch über ein solches von 3.117,08 €. An laufenden Einkünften erhielt die Klägerin von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Altersrente von 647,45 € netto (Juli 2008) sowie einen Zuschuss nach dem Wohngeldgesetz von 91 € im Monat. Die Ermittlungen zum Eigenanteil für Hilfen nach den Kapiteln fünf bis neun des SGB XII ergaben bei einer Einkommensgrenze von 1.060,77 € eine Unterdeckung.

Für August 2008 ging eine Abrechnung der Caritas über 268 € ein für September 2008 über 288 €. Die Klägerin nahm noch bis Sommer 2009 übersteigende Pflegeleistungen in Anspruch. In der Folgezeit legte sie auch Abrechnungen privat beschaffter Haushaltshilfen vor für April/Mai 2008 von 283 € und Juni, Juli 2008 in Höhe von 408 €.

Mit Bescheid vom 28.08.2008 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab. Sie stellte im Einzelnen das in den Monaten Juni 2008 und Juli 2008 noch vorhandene Vermögen den vorgelegten Rechnungen gegenüber und kam dabei zum Ergebnis, dass am 01.07.2008 auch unter Berücksichtigung der Rechnungen für Juni 2008 noch Vermögen in Höhe von 3.117,08 € zur Verfügung gestanden habe. In einem Begleitschreiben wurde die Klägerin aufgefordert, zur Überprüfung der Vermögenssituation ab August 2008 Kontoauszüge und ihr Sparbuch vorzulegen. Außerdem wurde die Vorlage des Wiederholungsgutachten der Pflegekasse verlangt.

Mit diversen Schreiben schilderte die Klägerin weiterhin ihre Notlage und behauptete, schlechter als jeder Hartz-IV-Empfänger behandelt zu werden. Gelegentlich legte die Klägerin immer wieder Rechnungen der Caritas Sozialstation vor (Monate August und September 2008). Für die weitere Monate übersandte sie Mahnungen der Sozialstation vom 17.12.2009 und vom 13.08.2010, aus denen sich für den Monat Oktober 2008 eine am 21.11.2008 fällige Rechnung in Höhe von 190,10 € ergibt, für den Dezember 2008 eine solche in Höhe von 116,80 €...

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