Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Erstattungspflicht des Arbeitgebers. Befreiungstatbestand. unzumutbare Belastung. Gefährdung des Unternehmens bzw verbleibender Arbeitsplätze. Unternehmensbegriff

 

Orientierungssatz

Bei der Prüfung des Befreiungstatbestandes der unzumutbaren Belastung iS des § 128 Abs 2 Nr 2 AFG ist auf das Unternehmen als rechtlich selbstständige organisatorische Einheit und nicht auf den Konzern abzustellen, so dass bei einer Kapitalgesellschaft Erträge nicht zu berücksichtigen sind, die aus Beteiligungsgesellschaften zugeflossen sind und das negative operative Ergebnis ausgeglichen haben.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 10.05.2007; Aktenzeichen B 7a AL 14/06 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts München vom 7. November 2003 und die Bescheide der Beklagten vom 2. Dezember 1998, 26. April 2000 und 16. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2000 sowie die Bescheide vom 3. und 18. Dezember 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2000 aufgehoben.

II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung des Arbeitslosengeldes (Alg) und der hierauf entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, die die Beklagte an bzw. für zwei ehemalige Arbeitnehmer der Klägerin in der Zeit vom 01.01. bis 30.09.1994 bzw. 01.01. bis 30.04.1995 gezahlt hat, streitig.

Die Klägerin ist ein mittelgroßes Unternehmen, das 1993 an sieben Standorten in Deutschland ca. 1.600 Arbeitnehmer beschäftigte. An dem größten Standort M. waren in der Tonchemie 450, in dem Katalysatorenwerk 120 und im Bergbau 110 Arbeiter beschäftigt, von denen in der Zeit vom 31.12.1992 bis 31.12.1994 194 und vom 31.12.1994 bis 31.12.1996 139 Arbeitnehmer ausschieden. Die Zahl der Mitarbeiter in dem Betrieb der Düngemittelproduktion in K. wurde Ende 1993 von 170 auf 120 verringert.

Die Klägerin war 1993 an zwei Gesellschaften - GmbHs - mit Sitz in Deutschland zu 100 % bzw. 50 % und an sieben ausländischen - davon an vier zu 100 %, an einer zu 99,9 %, an einer zu 50 % und an einer zu 49 % - beteiligt. 1994 bestand noch eine Beteiligung an einer GmbH mit Sitz in Deutschland zu 50 %, an neun ausländischen, davon an fünf zu 100 %, an einer zu 99,9 %, an zwei zu 50 % und an einer zu 49 %. 1995 bestanden Beteiligungen an drei deutschen Unternehmen - an einem zu 100 % und an zwei zu 50 % - und neun ausländischen Gesellschaften - an fünf zu 100 %, an einem zu 99,9 %, an einem zu 51 % und an zwei zu 50 % -. In den Betrieben der Klägerin und in den Unternehmen, an denen sie beteiligt war, waren 1993 insgesamt ca. 4.000 Arbeitnehmer beschäftigt.

Die Klägerin beschäftigte in ihrem Bergbaubetrieb in M. in der Zeit vom 23.11.1954 bis 31.12.1994 den 1935 geborenen A. In der an den Arbeitnehmer gerichteten schriftlichen Erklärung vom 28.06.1993 heißt es, das Arbeitsverhältnis werde ordentlich und fristgemäß zum 31. Dezember 1993 betriebsbedingt gekündigt, da die wirtschaftliche Lage eine Weiterbeschäftigung nicht zulasse. Als Anlage erhalte er eine Vereinbarung, die die Abwicklungsmodalitäten regle. In der unter gleichem Datum mit dem Arbeitnehmer geschlossenen Vereinbarung heißt es unter anderem, er erhalte eine Abfindung und eine Treueprämie in Höhe von insgesamt 9.800,00 DM sowie einen steuerfreien Zuschuss zum Alg in Höhe von 80 % der Differenz zwischen Alg und 100 % des letzten monatlichen Nettoentgelts. Abschließend heißt es, aufgrund der Bezahlung der genannten Abfindungssumme verzichte der Arbeitnehmer auf eine Erhebung einer Kündigungsschutzklage, andernfalls gelte die Abfindungssumme als Vorschusszahlung und könne gegebenenfalls auf einen gerichtlich festgesetzten Abfindungsbetrag angerechnet werden.

Die Beklagte bewilligte A. ab 01.01.1994 bis zum Beginn der Altersrente am 01.05.1995 Alg in Höhe von 20.603,30 DM und entrichtete Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 7.881,09 DM und zur Rentenversicherung in Höhe von 5.847,89 DM. Mit Bescheiden vom 03. und 18.12.1998 forderte sie die Erstattung von insgesamt 34.232,28 DM. Mit dem Widerspruch wurde geltend gemacht, der Arbeitnehmer habe ein ärztliches Attest vom 22.11.1993 und ein Gutachten vorgelegt, wonach er die bisherige Tätigkeit nicht mehr habe ausüben können; ein geeigneter Arbeitsplatz habe ihm nicht angeboten werden können. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.05.2000 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zu Unrecht gehe die Klägerin von einer arbeitgeberseitigen Kündigung aus. Es liege eine einvernehmliche Beendigung vor, wenngleich die Initiative zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses von der Klägerin ausgegangen sei. Die Befreiungstatbestände des § 128 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 4 und 5 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) seien nicht gegeben.

Hiergegen hat die Klägerin zum Sozialgericht München (SG) die Klage S 37 AL 910/00 erhoben.

Der 1933 g...

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