Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufskrankheit. BK 2110. Arbeitstechnische Voraussetzungen

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand muss davon ausgegangen werden, dass die gesundheitliche Gefährdung im Sinn der BK 2110 von der gesamten beruflichen Schwingungsbelastung abhängt. Diese setzt sich aus der Gesamtzahl der Expositionstage mit Beurteilungsschwingstärken Kr ≫ 16,2 nach VDI 2057 (Tagesdosis) zusammen. Sofern Belastungen durch stoßhaltige Schwingungen oder solche mit ungünstiger Körperhaltung vorliegen, die zu erhöhter Gefährdung führen, sind Expositionstage mit Kr ≫ 12,5 zu berücksichtigen.

 

Normenkette

Anl. 1 zur BKV Nr. 2110; SGB VII § 9 Abs. 1

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 13. Januar 2003 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Ziff. 2110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).

Der 1941 geborene Kläger war von 1959 bis 1999 als Lkw-Fahrer und Möbelträger in der Möbelspedition seines Vaters tätig; 1977 übernahm er den Betrieb, der vor allem den Transport von Möbeln, Klavieren und Flügeln durchführte. Am 20. Februar 1996 zeigte er das Vorliegen einer Berufskrankheit wegen Rücken- und Kniebeschwerden an. Er habe seit ca. fünf Jahren große Beschwerden in diesen Bereichen. Eine Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule (LWS) vom 15. Dezember 1995 ergab eine Fehlstellung und Pseudospondylolisthesis in Höhe L5/S1, eine Protrusion von L3 bis S 1 mit Einengung sowie eine starke Arthrose der kleinen Wirbelgelenke in Höhe L4/5.

Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) kam am 24. Januar 1997 zu dem Ergebnis, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer Berufskrankheit nach Ziff. 2110 der Anlage zur BKV nicht gegeben seien.

Die Beklagte holte ein chirurgisches Gutachten des Dr. G. vom 29. August 1997 sowie eine Stellungnahme des Gewerbearztes ein und lehnte mit Bescheid vom 13. Januar 1998 Entschädigungsleistungen aufgrund einer Berufskrankheit nach den Ziff. 2108 bis 2110 der Anlage zur BKV ab. Für das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Ziff. 2110 der Anlage zur BKV fehlten bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 1998 zurück.

Dagegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht München erhoben. Das Sozialgericht hat Befundberichte eingeholt, Röntgenaufnahmen beigezogen und ein Gutachten des Chirurgen Dr. L. vom 24. August 1999 eingeholt, der u.a. das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Ziff. 2108 der Anlage zur BKV verneinte.

Der gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehörte Orthopäde Prof. Dr. R. ist hingegen in seinem Gutachten vom 1. August 2000 und in einer ergänzenden Stellungnahme vom 15. Mai 2002 unter Einbezug eines radiologischen Zusatzgutachtens zu dem Ergebnis gelangt, dass u.a. die Berufskrankheiten nach Ziff. 2108 und 2110 der Anlage zur BKV vorlägen. Er diagnostizierte eine Osteochondrose, Spondylarthrose mit Randzackenausbildung HWK 3 bis 6, Bandscheibenprotrusionen L4/5 und L5/S1, eine Spondylolyse LWK 5 und Spondylolisthesis L5/S1, eine Osteochondrose und Spondylarthrose L4 bis S1 und eine rechtskonvexe Lumbalskoliose. Betroffen seien die Bandscheiben in Höhe L4/5 und L5/S1. Der Kläger habe glaubhaft versichert, über 40 Jahre lange schwere Lkw gefahren zu haben. Die dabei täglich entstandene Schwingungsbelastung der Wirbelsäule stehe nach Bewertung der Röntgenbefunde sowie der klinisch orthopädischen Untersuchung in unmittelbarem Zusammenhang.

Das Sozialgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 13. Januar 2003 durch Beschluss die Streitigkeit um die Anerkennung der Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV - neben Wirbelsäulenbeschwerden hatte der Kläger berufsbedingte Kniebeschwerden geltend gemacht - abgetrennt und im übrigen die Klage mit Urteil vom 13. Januar 2003 abgewiesen. Die Voraussetzungen einer Berufskrankheit nach den Ziff. 2108 bis 2110 lägen nicht vor. Hinsichtlich der Ziff. 2110 der Anlage zur BKV seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht gegeben. Der Kläger habe in seiner 41-jährigen beruflichen Tätigkeit straßenübliche Lastkraftwagen gelenkt. Das Sozialgericht hat auf die Stellungnahme des TAD verwiesen. Daneben fehle es an der Kausalität der Berufsaufgabe.

Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und sich zur Begründung auf das Gutachten des Prof. Dr. R. gestützt. Er sei auch wegen der Erkrankung der LWS zur Aufgabe der belastenden Tätigkeiten gezwungen gewesen.

Der vom Senat beauftragte Orthopäde Dr. G. hat in seinem Gutachten vom 13. Juli 2006 die Ansicht vertreten, dass eine Berufskrankheit nach Ziff. 2108, aufgrund der Stellungnahme des TAD nicht jedoch nach den Ziff. 2109 und 2110, der Anlage zur BKV vorliege. Es bestehe eindeutig eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS, vor allem in Form eines chronischen LWS-Syndroms bei degenerati...

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