Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Erstattung außergerichtlicher Kosten. unstreitige Erledigung des Rechtsstreits. Veranlassungsprinzip. gesetzliche Rentenversicherung. Verfahren auf Befreiung von der Versicherungspflicht. Syndikusrechtsanwalt. Änderung der Rechtslage während des Verfahrens. Bescheid über die rückwirkende Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht gem § 231 Abs 4b SGB 6. teilweise Kostenerstattung. Berücksichtigung der Erfolgsaussichten nach der Rechtsprechung des BSG zur bisherigen Rechtslage

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Erstattung außergerichtlicher Kosten bei unstreitiger Erledigung eines auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht gerichteten Verfahrens einer angestellten Rechtsanwältin aufgrund einer während des Verfahrens erteilten rückwirkenden Befreiung nach der neu geschaffenen Vorschrift des § 231 Abs 4b SGB VI.

Eine zumindest teilweise Erstattung außergerichtlicher Kosten in Verfahren auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht aufgrund einer Tätigkeit Syndikusanwalt/Syndikusanwältin kommt auch dann in Betracht, wenn die Berufung nach der bis 31.12.2015 geltenden Rechtslage aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 3.4.2014 (ua B 5 RE 3/14 R = ArbuR 2014, 476) als unbegründet hätte zurückgewiesen werden müssen.

 

Normenkette

SGG §§ 183, 193 Abs. 1 S. 1; SGB VI § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 231 Abs. 4b

 

Tenor

Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten war streitig, ob der Klägerin für die ab dem 01.04.2010 als Angestellte der F. GmbH ausgeübte Tätigkeit als Rechtsanwältin ein Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zugestanden hat.

Die Klägerin, Mitglied der Rechtsanwaltskammer und Pflichtmitglied der bayerischen Versorgungskammer, war mit Bescheid der Beklagten vom 26.08.2009 für eine Tätigkeit als Syndikusanwältin beim Klinikum der Universität A-Stadt nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit worden. Zum 01.04.2010 wechselte die Klägerin zur F. GmbH und beantragte auch für diese Tätigkeit eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht, welche von der Beklagten mit Bescheid vom 26.05.2010 und Widerspruchsbescheid vom 19.08.2010 abgelehnt wurde. Die Tätigkeit müsse vier Kriterien (Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung sowie Rechtsvermittlung) erfüllen um zu einer Befreiung führen zu können. Zwar ließen sich vorliegend die Tätigkeitsfelder der Klägerin formal diesen vier Kriterien zuordnen, im Wege einer Gesamtschau sei jedoch von einer nicht anwaltlichen Tätigkeit auszugehen. Entsprechend der Stellen- und Funktionsbeschreibung sei die Ausbildung zur Volljuristin keine unabdingbare Voraussetzung der Stellenbeschreibung gewesen.

Der hiergegen erhobenen Klage gab das Sozialgericht München (SG) mit Gerichtsbescheid vom 29.06.2012 statt und verurteilte die Beklagte unter Aufhebung der angegriffenen Bescheide, die Klägerin für ihre Tätigkeit bei der F. GmbH von der Rentenversicherungspflicht zu befreien. Die Klägerin sei als Rechtsanwältin zugelassen, Mitglied der Rechtsanwaltskammer und des berufsbezogenen Versorgungswerks. Die Ermittlungen, insbesondere die in der mündlichen Verhandlung durchgeführte Zeugeneinvernahme, hätten ergeben, dass die Tätigkeit der Klägerin die vier genannten Kriterien erfülle. Das formale Abstellen auf die - extern verfasste und zwischenzeitlich überholte - Stellenbeschreibung sei nicht nachvollziehbar.

Gegen diese Entscheidung legte die Beklagte am 24.07.2012 Berufung beim Bayer. Landessozialgericht ein. Im Hinblick auf mehrere zur streitgegenständlichen Frage anhängige Revisionen wurde das Verfahren ruhend gestellt. Nachdem der 5. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) mit Urteilen jeweils vom 03.04.2014 festgestellt hatte, dass es auf die Prüfung der genannten vier Kriterien nicht ankomme, da eine Befreiung in Fällen wie dem vorliegenden grundsätzlich ausscheide, wurde das Verfahren fortgesetzt und in der Folge im Hinblick auf das sich abzeichnende Tätigwerden des Gesetzgebers zur Änderung der entsprechenden Vorschriften (§§ 46a ff BRAO, § 231 Abs. 4a ff. SGB VI) erneut ruhend gestellt. Zum 01.01.2016 wurde die gesetzliche Möglichkeit der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt und einer darauf gestützten Befreiung von der Rentenversicherungspflicht geschaffen. Daraufhin stellte die Klägerin am 21.03.2016 - auch bezüglich der zwischenzeitlich beendeten Tätigkeit für die F. GmbH - einen erneuten Befreiungsantrag bei der Beklagten. Nachdem die Klägerin mit Bescheid der Rechtsanwaltskammer A-Stadt vom 11.10.2016 als Syndikusanwältin zugelassen worden war, befreite sie die Beklagten mit Bescheid vom 29.03.2016 für ihre Tätigkeit bei der F. GmbH rückwirkend von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht. Im dem - nach erneuter Fortsetzung des Verf...

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