Leitsatz

Die unentgeltliche Unterbringung von Arbeitnehmern in Gemeinschaftsunterkünften aus betrieblichen Gründen kann nicht steuerbar sein, auch wenn sie bis zu zwei Jahren dauert.

 

Problematik

Der Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer Bau-GmbH errichtete ein Mehrfamilienhaus mit 10 Zwei- bis Dreizimmerwohnungen. Ab 1999 vermietete er diese Wohnungen steuerpflichtig der Bau-GmbH (Hauptsitz in Sarajewo, Zweigniederlassung im Inland) und machte den Vorsteuerabzug aus den Bauaufwendungen geltend.

Der Bau-GmbH dienten die Wohnungen zur Unterbringung ihrer Arbeitnehmer bei Aufträgen im Umfeld. Jedes Zimmer belegte sie mit 2 bis 3 Personen (im Streitjahr waren es insgesamt 57 Bewohner). Die Arbeitnehmer kamen - mit Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis je Bauvorhaben - aus Bosnien/Herzegowina und wurden einige Monate, längstens zwei Jahre hier untergebracht. Die Unterbringung erfolgte (laut den Feststellungen des Finanzgerichts) unentgeltlich.

Das Finanzamt versagte dem Geschäftsführer den Vorsteuerabzug mit der Begründung, die Unterbringung sei nach § 1 Abs. 1b UStG (vor dem UStG 1999) steuerbar und nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfrei. Wegen dieser Verwendung durch die GmbH könne der Geschäftsführer gem. § 9 Abs. 2 UStG nicht auf die Steuerfreiheit seiner Vermietungsleistung an die GmbH verzichten. Die Leistung der GmbH diene dem privaten Wohnbedarf der Arbeitnehmer; diese begründeten angesichts der Aufenthaltsdauer hier einen doppelten Haushalt.

Das Finanzgericht gab der Klage des Geschäftsführers statt. Es stellte zutreffend auf § 3 Abs. 9a UStG 1999 ab und nahm eine unentgeltliche Raumüberlassung aus betrieblichen Gründen durch die GmbH an die Arbeitnehmer an. Sie befriedige nicht den generellen, sondern den zusätzlichen Wohnbedarf der Arbeitnehmer aufgrund der Unternehmenserfordernisse. Damit handle es sich um keine i. S. v. § 3 Abs. 9a UStG steuerbare Leistung. Sie schließe also nicht - als schädliche Verwendung i. S. v. § 9 Abs. 2 UStG durch den Leistungsempfänger - den Verzicht auf die Steuerbefreiung beim Geschäftsführer aus. Als Verwendung der Mietleistung des Geschäftsführers bei der GmbH seien also nur deren (steuerpflichtige) Bauleistungen anzusehen.

Im Übrigen würde auch § 15 Abs. 2 Nr. 3 UStG die Annahme einer den Vorsteuerabzug ausschließenden Verwendung (gemeint ist wohl i. S. v. § 9 Abs. 2 UStG) nicht begründen. Diese Vorschrift sei mit Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie unvereinbar.

 

Konsequenzen für die Praxis

Die Fragestellungen der Entscheidung sind nicht nur für die "Vorschalt-Probleme" im Rahmen des Verzichts des Vermieters (hier des Geschäftsführers der GmbH) auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 UStG bei seiner entgeltlichen Vermietung maßgebend. Sie betreffen auch ähnlich und unmittelbar die Umsatzsteuer des Arbeitgebers, der seine Arbeitnehmer wie im Streitfall "unentgeltlich" unterbringt.

Ob in solchen Fällen eine unentgeltliche Unterbringung oder doch eine Unterbringung gegen Entgelt (in Form eines Sachlohnanteils gegen Arbeitsleistung) anzunehmen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (die Würdigung des Finanzgerichts im Streitfall war jedenfalls nicht bedenklich).

Dass eine unentgeltliche sonstige Leistung des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer (sei es durch Weiterüberlassung gemieteter Räume wie im Streitfall nach § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG oder durch Überlassung eigener Unternehmensräume, also einer Verwendung i. S. v. § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG) nur dann als steuerbarer "gleichgestellter" Umsatz gilt, wenn sie "für Zwecke außerhalb des Unternehmens" erfolgt, ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift. Die betrieblichen Gründe können den privaten Wohnbedarf der Arbeitnehmer überlagern. Damit entfällt die Steuerbarkeit nach § 3 Abs. 9a UStG. Dies ist jedenfalls seit dem EuGH-Urteil "Fillibeck" mit dem BFH-Folgeurteil v. 9.7.1998[1] gemeinschaftsrechtlich geklärt.

Als nicht steuerbare Leistung ist eine solche Überlassung weder als Eigenverbrauch zu besteuern noch ein Verwendungsumsatz i. S. v. § 15 Abs. 2 UStG. Die Aufwendungen sind wie Gemeinkosten den allgemeinen Ausgangsumsätzen des Arbeitgebers zuzuordnen. Soweit § 15 Abs. 2 Nr. 3 UStG unentgeltliche (sonstige) Leistungen aus unternehmerischen Gründen erfassen wollte, wäre dies richtlinienwidrig. Ein Steuerpflichtiger könnte sich zugunsten seines Vorsteuerabzugsrechts auf Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie berufen. Das hat der BFH bereits festgehalten[2].

Im Übrigen kommt man auch bei Annahme einer nach § 3 Abs. 9a UStG steuerbaren Unterbringungsleistung zum Vorsteuerabzugsrecht des Überlassenden aus seinen Aufwendungen für die Beschaffung der Räume. Dies ist über die "ausgleichende" Steuerpflicht der Unterbringungsleistung möglich. Denn nach dem Seeling-Urteil des EuGH[3] gilt die Steuerbefreiung für Vermietungsumsätze (hier § 4 Nr. 12 UStG) nicht für die unentgeltliche Raumüberlassung.

 

Link zur Entscheidung

FG Düsseldorf, Urteil v. 29.4.2005, 1 K 5587/01 U, - rechtskr. -, EFG 2005 S. 1810.

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