Leitsatz

Ein Sondernutzungsberechtigter ist nicht wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücksteils, auf den sich das Sondernutzungsrecht bezieht. Das Sondernutzungsrecht als Gebrauchs- und Nutzungsrecht vermittelt ihm kein wirtschaftliches Eigentum. Seine wirtschaftliche Position ist deutlich schwächer als die eines Eigentümers.

 

Normenkette

§ 13 WEG; § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 EStG

 

Das Problem

  1. Ein Bauer teilt ein Grundstück in 2 Wohnungs- und Teileigentumsanteile auf. Das Wohnungseigentum Nr. 1 umfasst einen Miteigentumsanteil von 55/100 am Grundstück verbunden mit dem Sondereigentum an der südlichen Hälfte eines geplanten Doppelhauses sowie mit dem Sondereigentum an landwirtschaftlichen Gebäuden. Dem Wohnungseigentum Nr. 1 ist ein Sondernutzungsrecht an der gesamten, landwirtschaftlich genutzten Grundstücksfläche (mit Ausnahme des Gartens und der Zufahrt zum Wohnungseigentum Nr. 2) zugeordnet. Dem Eigentümer des Wohnungseigentums Nr. 1 obliegt die Unterhaltungspflicht der landwirtschaftlichen Gebäude und der landwirtschaftlich genutzten Grundstücksfläche. Das Wohnungseigentum Nr. 2 umfasst einen Miteigentumsanteil von 45/100 am Grundstück verbunden mit dem Sondereigentum an der nördlichen Hälfte des geplanten Doppelhauses.
  2. Im Jahr 2011 überträgt der Bauer das Wohnungseigentum Nr. 2 auf seine Tochter (das Wohnungseigentum Nr. 1 behält er). Die in der Folgezeit auf seine Kosten errichtete Doppelhaushälfte wird von seiner Familie bewohnt.
  3. In seiner Gewinnermittlung für das Wirtschaftsjahr 2010/11 nach § 13a des Einkommensteuergesetzes (EStG) gibt der Bauer neben dem Durchschnittssatzgewinn einen nach § 13a Abs. 6 EStG zu versteuernden Entnahmegewinn (vor Freibetrag) in Bezug auf das an seine Tochter übertragene Wohnungseigentum Nr. 1 in Höhe von 5.025 EUR an. Dabei geht er von einer Fläche von 202 m² (Doppelhaushälfte, Garten und Stellplätze des Wohnungseigentums 2) aus, die er mit einem Wert von 30 EUR/m² ansetzt. Von dem so ermittelten Entnahmewert (6.060 EUR) zieht er einen Buchwert von 1.035 EUR (202 m² * 5,12 EUR) ab.
  4. Das Finanzamt legt den Einkommensteuerbescheiden für 2010 und 2011 demgegenüber einen Entnahmegewinn (vor Freibetrag) des Wirtschaftsjahres 2010/11 in Höhe von insgesamt 54.103 EUR zugrunde. Dabei geht es davon aus, dass 45/100 der gesamten Grundstücksfläche (19.642 m² * 45 % = 8.838,90 m²) sowie die landwirtschaftlichen Gebäude insgesamt entnommen worden seien. Für das bisherige Wohnhaus setzt das Finanzamt keinen Entnahmegewinn an, weil der Bauer diese Fläche bereits zum 31.12.1998 steuerfrei aus seinem Betriebsvermögen entnommen hatte. Die hiergegen eingelegten Einsprüche des Bauern haben insoweit Erfolg, als das Finanzamt den Entnahmegewinn um den auf die Gebäude entfallenden Betrag (15.196 EUR) auf 38.907,55 EUR mindert. Im Übrigen weist das Finanzamt die Einsprüche als unbegründet zurück. Nunmehr klagt der Bauer. Er meint, dass der auf das Wohnungseigentum Nr. 2 entfallende Miteigentumsanteil am landwirtschaftlichen Grundstück (mit Ausnahme von 202 m²) nicht entnommen worden sei. Insoweit sei er "wirtschaftlicher Eigentümer" geblieben. Das Sondernutzungsrecht bestimme als eigentumsähnliches Gebrauchs- und Nutzungsrecht den Inhalt des Sondereigentums und sei damit dessen Bestandteil. Der Sondernutzungsberechtigte habe eine eigentümerähnliche Stellung. Er könne den anderen Wohnungseigentümer auf Dauer von der Nutzung ausschließen und nach Belieben mit dem Gegenstand des Sondernutzungsrechts verfahren (z.B. durch Vermietung). Dementsprechend stünden ihm auch Abwehransprüche gemäß § 1004 BGB zu. Das Recht könne auch nicht durch einseitige Aufgabeerklärung des Berechtigten (§ 875 BGB) aufgehoben werden. Es bestehe vielmehr für die Dauer des Teileigentums, da die Teilungserklärung keinen Anspruch auf Aufhebung oder Änderung des Sondernutzungsrechts enthalte. Zur Aufhebung sei die Vereinbarung aller Wohnungseigentümer gemäß § 10 Abs. 1 WEG erforderlich. Wirtschaftlich sei das Sondernutzungsrecht so viel wert wie die Eigentümerstellung an diesem Grundstücksanteil. Der Bauer habe nicht beabsichtigt, seiner Tochter einen derart großen Anteil am landwirtschaftlichen Grundstück zu übertragen. Der Anteil sei allein an dem Verhältnis der Flächen der beiden Wohnungen des zu errichtenden Doppelhauses bemessen worden.
 

Die Entscheidung

  1. Die Klage hat keinen Erfolg! Der Bauer habe seinem landwirtschaftlichen Betrieb eine Grundstücksfläche von 45/100 entnommen, indem er seiner Tochter das Wohnungseigentum Nr. 2 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen habe. Durch die Übertragung habe der Bauer einen Bruchteil von 45/100 seines landwirtschaftlich genutzten Grundstücks aus dem betrieblichen Zusammenhang gelöst, weil es ihm steuerlich nicht mehr zuzurechnen sei.
  2. Grundsätzlich seien Wirtschaftsgüter dem Eigentümer zuzurechnen (§ 39 Abs. 1 der Abgabenordnung, AO). Zivilrechtliche Eigentümerin der anteiligen Grundstücksfläche sei mit der Übertragung auch die Tochter des Bauers geworden. Gemäß § 1 Abs. 2 WEG ...

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