Leitsatz

Es verstößt weder gegen grundlegende Erbschaftsteuerprinzipien noch gegen Verfassungsrecht, die auf die zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht fälligen Zinsansprüche aus zum Nachlass gehörenden Wertpapieren entfallende, latente Einkommensteuerbelastung nicht als bzw. wie eine Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 ErbStG anzuerkennen.

 

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die erbschaftsteuerliche Berücksichtigung einer latenten Einkommensteuerbelastung auf vererbte Zinsansprüche als bzw. wie eine Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 ErbStG. Dies hatte das Finanzamt unterlassen; hiergegen wendet sich der Kläger erfolglos.

 

Entscheidung

Nach dem Bereicherungsprinzip als allgemeinem Besteuerungsgrundsatz des ErbStG zielt der erbschaftsteuerliche Zugriff auf die gesteigerte Leistungsfähigkeit des Erwerbers infolge eines unentgeltlichen Vermögenszuwachses ab. Gemäß des Stichtagprinzips des § 11 ErbStG ist Maßstab des steuerlichen Zugriffs die Erhöhung des Vermögensbestandes zu einem bestimmten Zeitpunkt. Zwar wird das Bereicherungsprinzip durch das Stichtagsprinzip dadurch eingeschränkt, dass eine Änderung der Bereicherung des Erwerbers nach dem Stichtag unberücksichtigt bleibt, doch stellt dies eine sachgerechte Notwendigkeit des Besteuerungskonzepts des ErbStG dar, das einen steuerlichen Zugriff auf die Erhöhung eines Vermögensbestandes zu einem bestimmten Zeitpunkt ohne Rücksicht darauf nimmt, ob diese Vermögensmehrung auch für einen längeren Zeitpunkt Bestand hat.

Erblasserschulden i.S.d. § 10 Abs. 5 ErbStG sind u.a. auch noch zu Lebzeiten des Erblassers entstandene Einkommensteuerschulden, die auf den Erben nach § 45 AO übergehen; diese sind abzugsfähig. Entstehen diese Schulden jedoch erst nach dem Erbfall, liegt gerade keine Erblasserschuld vor. Gleiches galt nach ständiger Rechtsprechung des BFH auch für sog. latente Einkommensteuerbelastungen. Ein tragendes Argument gegen den bereicherungsmildernden Abzug bildete hierbei § 35 EStG a.F. Fraglich und in der Literatur umstritten ist daher, ob an dieser Ansicht nach der Aufhebung dieses Paragrafen noch festzuhalten ist. Der erkennende Senat bejaht dies u.a. aufgrund des Wortlautes des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG.

Nach der Rechtsprechung des BFH ist für die Erbschaftbesteuerung die Bereicherung am Stichtag maßgebend; auch ist eine Rechtfertigung dafür, eine nach dem Stichtag eingetretene Änderung zum Vor- oder Nachteil des Erben zu berücksichtigen, nicht ersichtlich.

Eine prizipientreue und widerspruchsfreie Besteuerung aus Besteuerungsgrundsätzen des ErbStG kann nicht durch den Wegfall einer Kompensationsvorschrift nach einem anderen Steuergesetz - hier dem EStG - beeinflusst werden, da Erbschaftsteuer und Einkommensteuer auf verschiedenen Ebenen liegen und die steuerliche Belastung durch beide Steuern nicht saldierungsfähig ist. Ebenso liegt kein Versoß gegen das Willkürverbot bzw. den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG vor, da letzlich keine unterschiedliche Besteuerung vergleichbarer Kapitalanlageformen gegeben ist, vgl. §§ 11, 20 Abs. 1 EStG. Auch ist die Differenzierung nach dem Stichtag sachlich gerechtfertigt. Darüber hinaus liegt auch keine, nach Art. 14 Abs. 1 GG unzulässige Überbesteuerung mit erdrosselnder Wirkung vor, da der vom BVerfG für die Vermögensteuer entwickelte Halbteilungsgrundsatz nicht für die Erschaftsteuer gilt, und auch im vorliegenden Fall das Erbrecht des Klägers auch bei Saldierung beider Steuern nicht ökonomisch sinnlos erscheint.

 

Link zur Entscheidung

FG München, Urteil vom 18.02.2009, 4 K 1131/07

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