Leitsatz (amtlich)

Der Privatgläubiger eines Gesellschafters kann die Gesellschaft kündigen, wenn der Beschluß zur Pfändung und Überweisung des Auseinandersetzungsguthabens im Kündigungszeitpunkt auf einem rechtskräftigen Schuldtitel beruht und nicht früher als sechs Monate, bevor das der Fall ist, erfolglos die Zwangsvollstreckung ins bewegliche Vermögen des Gesellschafters versucht worden ist; auf die Reihenfolge – Vollstreckungsversuch – Rechtskraft des Schuldtitels – Pfändungsbeschluß und Überweisungsbeschluß – kommt es nicht an.

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 15. Oktober 1981 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist die Komplementär-GmbH der K.-D. Werft GmbH & Co. KG, der neben dem Geschäftsführer der Klägerin auch der Beklagte als Kommanditist beigetreten war. Gemäß § 14 des Gesellschaftsvertrages, nach dem ein Gesellschafter, dessen Privatgläubiger das Gesellschaftsverhältnis kündigt, aus der Gesellschaft ausscheidet, verlangt die Klägerin vom Beklagten, an seiner Löschung im Handelsregister mitzuwirken.

Der Beklagte war am 5. Februar 1979 durch ein vorläufig vollstreckbares Versäumnisurteil verurteilt worden, an die L. Bank 50.000 DM nebst Zinsen zu zahlen. Am 4. Mai 1979 hatte die Bank den Kommanditanteil des Beklagten, seine Forderung auf den Gewinnanteil und sein Auseinandersetzungsguthaben pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen. Dieser Beschluß war der Gesellschaft am 9. Mai 1979 zugestellt worden. Spätestens am 25. Mai 1979 ist das Urteil vom 5. Februar 1979 rechtskräftig geworden. Am 8. Juni 1979 hatte die Bank vergeblich versucht, in das bewegliche Vermögen des Beklagten zu vollstrecken. Am 18. Juni 1979 hat sie sodann mit einem den Gesellschaftern am nächsten Tage zugegangenen Schreiben das Gesellschaftsverhältnis zum 31. Dezember 1979 gekündigt.

Der Beklagte hält die Kündigungserklärung der Bank unter Hinweis auf den Wortlaut des § 135 HGB für unwirksam, weil das gegen ihn ergangene Urteil zur Zeit der Pfändung noch nicht rechtskräftig gewesen und der Versuch, bei ihm in bewegliches Vermögen zu vollstrecken, nicht der Pfändung vorausgegangen sei.

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt, seine Zustimmung dahingehend zu erteilen, daß seine Kommanditbeteiligung im Handelsregister gelöscht werde. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (vgl. sein Urteil in ZIP 1981, 1210). Mit der – zugelassenen – Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt der Beklagte seinen Klagabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Nach § 135 HGB kann ein Privatgläubiger eines Gesellschafters die Gesellschaft sechs Monate vor dem Ende des Geschäftsjahres – das war hier der 31. Dezember 1979 – für diesen Zeitpunkt kündigen, wenn er, „nachdem innerhalb der letzten sechs Monate eine Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Gesellschafters ohne Erfolg versucht ist, aufgrund eines nicht bloß vorläufig vollstreckbaren Schuldtitels die Pfändung und Überweisung des Anspruchs auf dasjenige erwirkt (hat), was dem Gesellschafter bei der Auseinandersetzung zukommt”. Dem könnte bei einer am buchstäblichen Sinne des Wortlauts haftenden Auslegung entnommen werden, schon zur Zeit der Pfändung und Überweisung müsse der Schuldtitel rechtskräftig gewesen und die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Gesellschafters ohne Erfolg versucht worden sein. Die Gläubigerin des Beklagten hat aber aufgrund eines Versäumnisurteils gepfändet, das in diesem Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig war, und die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Beklagten erst nachher versucht.

Auf diese Reihenfolge kommt es jedoch nicht an. Die Pfändung und Überweisung des Anspruchs auf das künftige Auseinandersetzungsguthaben ist als solche bereits nach §§ 857 Abs. 1, 851 Abs. 1, 829 ZPO in Verbindung mit § 717 Satz 2 BGB und § 105 Abs. 2 HGB zulässig. Zu ihr reicht – wie regelmäßig bei der Pfändung und Überweisung eines Anspruchs – ein vorläufig vollstreckbarer Titel aus (§ 704 Abs. 1 ZPO). § 135 HGB ergänzt diese Regelung nur dadurch, daß er dem Gläubiger ein besonderes, von dem Recht des Schuldners unabhängiges Kündigungsrecht gibt. Er trägt damit dem Umstand Rechnung, daß der Gläubiger sonst mit der Vollstreckung in das Auseinandersetzungsguthaben warten müßte, bis die Gesellschaft früher oder später aus einem anderen Grunde aufgelöst werden oder der Gesellschafter aus ihr ausscheiden würde. Indem das Gesetz dem Gläubiger ein Kündigungsrecht gewährt, ist es andererseits sinnvoll und im Interesse der Gesellschaft, der Mitgesellschafter und des Schuldner-Gesellschafters geradezu geboten, daß jener auf das Gesellschaftsverhältnis nicht einwirken kann, solange nicht endgültig feststeht, daß ihm der Schuldner zahlen muß, und offenkundig ist, daß er kein bewegliches Vermögen hat, um seine Schulden zu begleichen. Dagegen gibt es nach der Interessenlage aller Beteiligten keinen durchgreifenden Grund dafür, daß sich die gegen den Schuldner gerichteten Maßnahmen in einer bestimmten Reihenfolge vollziehen müßten. Daß eine fruchtlose Zwangsvollstreckung nicht notwendig schon vor dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß gelegen haben muß, folgt aus dem gegenteiligen Interesse der Gesellschaft an einer möglichst späten Feststellung der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, damit ihr nicht gekündigt werden kann, wenn der Schuldner zwischenzeitlich zu Geld gekommen sein sollte. Die Ansicht der Revision, es werde in der Vorstellung des Gesetzgebers gelegen haben, durch ein Nacheinander von erfolgloser anderweiter Zwangsvollstreckung, Rechtskraft des Vollstreckungstitels und nachfolgendem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern eine zusätzliche „Schonfrist” vor der Kündigung zu geben, liegt fern. Wäre das beabsichtigt gewesen, hätte nichts näher gelegen, als eine solche „Vorfrist” zeitlich genau zu bestimmen, anstatt ihre Dauer den Zufälligkeiten des jeweiligen Einzelfalles zu überlassen. Außerdem würde, wenn es auf jene Reihenfolge ankäme, der Gläubiger vielfach genötigt sein, nacheinander zweimal den Auseinandersetzungsanspruch zu pfänden: einmal so früh wie möglich, um sich gegenüber anderen Gläubigern den Vorrang zu erhalten, und nach Rechtskraft des Titels ein zweites Mal, um das Kündigungsrecht zu begründen; auch das kann schwerlich gewollt gewesen sein. Schließlich kann nicht angenommen werden, der Schuldner habe nach Rechtskraft des gegen ihn ergangenen Urteils noch eine gewisse Zeit haben sollen, um die Kündigung gegebenenfalls durch Befriedigung des Gläubigers abzuwenden. Abgesehen davon, daß ein Schuldner grundsätzlich nicht den Schutz verdient, erst nach rechtskräftiger Verurteilung seine Schulden bezahlen zu müssen, kann unter Umständen selbst eine Befriedigung des Gläubigers nach der Kündigung, wenn es die gesellschaftliche Treuepflicht gebietet, die Mitgesellschafter noch verpflichten, die Kündigungsfolgen zu beseitigen (BGHZ 30, 195, 201 f m.w.N.; Urt. v. 29. 11. 56 – II ZR 134/55 = LM HGB § 142 Nr. 7).

Die Entstehungsgeschichte des § 135 HGB läßt ebenfalls nicht erkennen, daß es dem Gesetzgeber auf die Einhaltung einer bestimmten Reihenfolge angekommen wäre. Die Vorschrift geht zurück auf Art. 126 des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches. Dort heißt es zwar teilweise ähnlich: „Hat ein Privatgläubiger eines Gesellschafters nach fruchtlos vollstreckter Exekution in das Privatvermögen die Exekution in das dem Gesellschafter bei dereinstiger Auflösung der Gesellschaft zukommende Guthaben erwirkt, so ist er berechtigt, … nach vorher von ihm geschehener Aufkündigung die Auflösung der Gesellschaft zu verlangen. …”. Die Materialien dazu ergeben aber nicht, daß damit hätte zum Ausdruck gebracht werden sollen, schon die „Exekution” in das Auseinandersetzungsguthaben sei nur zulässig, wenn der Gläubiger vorher vergeblich in das „Privatvermögen” vollstreckt habe. Auch in den Erläuterungswerken zu Art. 126 ADHGB wird diese Ansicht nicht vertreten (vgl. etwa Anschütz 1870; Puchelt 1874; v. Hahn, 3. Aufl., 1879; Staub, 5. Aufl., 1897). In der amtlichen Begründung zu § 135 HGB wird die fruchtlose Zwangsvollstreckung in das (bewegliche) Privatvermögen des Gesellschafters nur als „Voraussetzung des Kündigungsrechts”, nicht als Voraussetzung für die Pfändung und Überweisung bezeichnet (vgl. den Entwurf eines HGB nebst Denkschrift in der Fassung der dem Reichstag gemachten Vorlage, Berlin 1897, Denkschrift S. 105).

Danach spricht nichts dafür, wohl aber Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung dagegen, daß der Gesetzgeber mit der Wortfassung des § 135 HGB bezweckt haben könnte, den Privatgläubiger auf eine bestimmte Reihenfolge des Vorgehens gegen den Schuldner-Gesellschafter festzulegen; es kommt nur darauf an, daß der Gläubiger die Gesellschaft kündigen kann, wenn der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß im Kündigungszeitpunkt auf einem rechtskräftigen Schuldtitel beruht und nicht früher als sechs Monate, bevor das der Fall ist, erfolglos die Zwangsvollstreckung ins bewegliche Vermögen des Gesellschafters versucht worden ist; auf die Frage, ob dieser Zeitraum für die Mobiliarvollstreckung noch genügt, wenn der Gläubiger von seinem Kündigungsrecht nicht für das Ende des nächstmöglichen Geschäftsjahres, sondern erst später Gebrauch macht, ist hier nicht einzugehen. Die Kommanditgesellschaft der Parteien ist daher durch das den Gesellschaftern am 19. Juni 1979 zugegangene Schreiben wirksam zum 31. Dezember 1979 gekündigt worden. Gemäß § 14 des Gesellschaftsvertrages hat die Kündigung die Gesellschaft nicht aufgelöst, sondern zum Ausscheiden des Beklagten geführt. An der Anmeldung dieses Vorgangs zum Handelsregister hat er gemäß § 143 Abs. 2 HGB mitzuwirken. Die Formel des landgerichtlichen Urteils entspricht zwar nicht dem Wortlaut dieser Vorschrift, ergibt aber unmißverständlich, daß es die Handelsregisteranmeldung durch den Beklagten ersetzen will.

Die Revision kommt schließlich noch darauf zurück, daß der Beklagte nicht ausgeschieden wäre, wenn die Gläubigerin noch vor dem 31. Dezember 1979 gegenüber den Gesellschaftern auf die Rechte aus der Kündigung verzichtet hätte und die Gesellschafter daraufhin beschlossen hätten, die Gesellschaft unter Einschluß des Beklagten fortzusetzen. Dessen Behauptung, der Geschäftsführer der Klägerin habe mehrfach erklärt, die Pfändung ändere nichts an seiner – des Beklagten – Gesellschafterstellung, und er, der Beklagte, habe mit seiner Gläubigerin vereinbart, daß deren Forderung vorerst ruhe und nicht bezahlt zu werden brauche (Schriftsatz v. 11. 8. 1981, S. 1 und 5), rechtfertigt eine solche Feststellung jedoch nicht. Auch insoweit ist dem Berufungsgericht bei der Würdigung der angeblichen Erklärungen der Gläubigerin kein Rechtsfehler unterlaufen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 649019

NJW 1982, 2773

ZIP 1982, 1072

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