Leitsatz (amtlich)

Zur Auslegung einer schriftlichen Erklärung über die Abtretung einer Grundschuld darf auf Umstände, die außerhalb der Urkunde liegen und nicht jedem Leser ohne weiteres erkennbar sind, nicht zurückgegriffen werden. Da die Abtretungserklärung die Grundbucheintragung ersetzt, müssen die Erklärung der Abtretung sowie die Bezeichnung der Grundschuld, des Zedenten und des Zessionars darin selbst enthalten sein.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157, 1154

 

Verfahrensgang

OLG Stuttgart (Urteil vom 12.09.1990)

LG Stuttgart

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12. September 1990 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die klagende Sparkasse verlangt nach Ablösung einer für die beklagte Bank eingetragenen Teilgrundschuld durch deren Streithelfer die Herausgabe des Ablösungsbetrages.

Im Februar 1983 machte Frau L. ihrem damaligen Ehemann, dem Streithelfer der Beklagten, ein Angebot zum Kauf ihres in G., O. gelegenen Grundstücks und bewilligte gleichzeitig die Eintragung einer Briefgrundschuld über 200.000 DM zuzüglich Zinsen zugunsten der Beklagten. Der Grundschuldbrief wurde der Beklagten nicht ausgehändigt, sondern von dem amtierenden Notar verwahrt. Dies geschah nach Behauptung der Klägerin nicht für die Beklagte, sondern für die Grundstückseigentümerin.

Nach Annahme des Kaufangebotes durch ihren Ehemann trat Frau L. die Briefgrundschuld und einen etwaigen Rückübertragungsanspruch unter Übergabe des Briefes, den der verwahrende Notar ihr ausgehändigt hatte, zur Sicherung einer titulierten Forderung der Klägerin über 300.000 DM an diese ab.

Im Herbst 1985 einigten sich die Parteien darüber, daß der von der Beklagten als Sicherheit nicht benötigte nachrangige Teil der Briefgrundschuld, die nach Angaben der Beklagten für sie durch einen den Eheleuten L. gewährten Avalkredit nur in Höhe von 106.000 DM valutiert war, an die Klägerin abgetreten werde. Die Klägerin veranlaßte die Bildung entsprechender Teilgrundschuldbriefe und übersandte den über 106.000 DM am 23. Mai 1986 an die Beklagte.

Zur Ablösung dieser Teilgrundschuld erhielt die Beklagte nach lastenfreier Veräußerung des belasteten Grundstücks durch ihren Streithelfer aus dem Verkaufserlös einen größeren Betrag überwiesen, von dem sie 106.000 DM behielt. Die Teilgrundschuld wurde anschließend aufgrund Bewilligung der Beklagten gelöscht.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Herausgabe des Ablösungsbetrages über 106.000 DM zuzüglich Zinsen. Sie macht geltend, um diesen Betrag sei die Beklagte auf ihre Kosten ungerechtfertigt bereichert. Aufgrund der Abtretung durch Frau L. habe die abgelöste, zugunsten der Beklagten eingetragen gewesene Grundschuld in Wirklichkeit ihr, der Klägerin, zugestanden. Daran habe sich durch die im Herbst 1985 mit der Beklagten getroffene Vereinbarung nichts geändert. Diese habe sich nur auf den nachrangigen Teilbetrag über 94.000 DM bezogen.

Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

I.

Das Berufungsgericht führt aus: Der Klägerin stehe der geltend gemachte Bereicherungsanspruch schon deshalb nicht zu, weil die Beklagte den streitigen Betrag durch eine Leistung der Eheleute L. auf eine bestehende persönliche Schuld erhalten habe. Es gelte insoweit der Grundsatz, daß eine von dritter Seite erbrachte Leistung nicht mit der Eingriffskondiktion herausverlangt werden könne. Dies würde hier zu dem merkwürdigen Ergebnis führen, daß die Beklagte den erlangten Betrag herausgeben müßte, weil sie – in nach Meinung der Klägerin unwirksamer Weise – durch die Grundschuld gesichert gewesen sei, während sie den Betrag ohne diese Sicherheit hätte behalten dürfen. Im übrigen berücksichtige die Klägerin auch nicht, daß die Beklagte die Löschung der Grundschuld nach Tilgung aller damit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden persönlichen Schulden habe bewilligen müssen.

II.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Ein allgemeiner bereicherungsrechtlicher Grundsatz mit dem vom Berufungsgericht angenommenen Inhalt, daß eine von dritter Seite erbrachte Leistung nicht mit der Eingriffskondiktion herausverlangt werden kann, existiert nicht. § 816 Abs. 2 BGB, auf den sich die Klägerin stützt, setzt vielmehr im Gegenteil gerade voraus, daß der herausgabepflichtige Bereicherte seinen Vermögensvorteil durch wirksame Leistung eines Dritten erlangt hat. Auch im Falle des § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB beruht die herauszugebende Bereicherung des Nichtberechtigten, der über einen fremden Gegenstand wirksam verfügt hat, auf der Leistung eines Dritten. In beiden Fällen handelt es sich um Eingriffskondiktionen.

Auch die Erwägung, daß die Beklagte zur Herausgabe des erlangten Betrages nicht verpflichtet wäre, wenn ihr den Eheleuten L. gewährter Avalkredit nicht durch die Grundschuld gesichert gewesen wäre, trägt die angefochtene Entscheidung nicht. Das Berufungsgericht läßt außer acht, daß die Beklagte in diesem Falle aus dem Verkaufserlös des belasteten Grundstücks nichts erhalten hätte. Ausweislich des im Berufungsurteil in Bezug genommenen Auftrags ist die Überweisung des streitigen Betrages zur „Grundschuldablösung” erfolgt. Der für den Streithelfer der Beklagten treuhänderisch tätige Notar verfolgte mit der Überweisung den Zweck, die Voraussetzungen für die lastenfreie Übertragung des verkauften Grundstücks zu schaffen.

Da Ansprüche der Beklagten ohne die für sie eingetragene Grundschuld aus dem Verkaufserlös nicht befriedigt worden wären, greift auch das weitere Argument des Berufungsgerichts, nach Erfüllung der gesicherten Forderung habe die Beklagte die Löschung der Grundschuld bewilligen müssen, nicht durch. Überdies entsteht ein Bereicherungsanspruch des wahren Grundschuldberechtigten aus § 816 Abs. 2 BGB nicht erst, wie das Berufungsgericht anzunehmen scheint, mit der Erteilung der Löschungsbewilligung durch den lediglich buchberechtigten Besitzer des Grundschuldbriefes, sondern bereits mit der gutgläubigen Bewirkung der Leistung an ihn (§ 893 i.V.m. § 892 Abs. 1 BGB).

III.

Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO). Der Klägerin steht nach ihrem in der Revisionsinstanz als richtig zu unterstellenden Vorbringen gegen die Beklagte ein Anspruch aus § 816 Abs. 2 BGB auf Herausgabe des streitigen Betrages zu.

1. Für die Revision ist davon auszugehen, daß die Klägerin Berechtigte und die Beklagte Nichtberechtigte der für sie eingetragen gewesenen Teilgrundschuld über 106.000 DM war.

a) Die Klägerin hatte die Briefgrundschuld in Höhe von 200.000 DM durch notariell beglaubigte Abtretungserklärung und Übergabe des Grundschuldbriefes durch Frau L. im Februar 1985 erworben (§§ 1192 Abs. 1, 1154 Abs. 1 BGB). Zu der Abtretung war die Zedentin rechtlich in der Lage, da sie damals Eigentümerin des belasteten Grundstücks war und es sich bei der Grundschuld nach dem Vorbringen der Klägerin um eine Eigentümergrundschuld handelte. Mangels Übergabe des Grundschuldbriefes oder eines Übergabesurrogates hatte die Beklagte die für sie eingetragene Briefgrundschuld nicht erlangt (§§ 1192 Abs. 1, 1163 Abs. 2, 1117 Abs. 1 BGB). Nach unter Beweis gestellter Darstellung der Klägerin war der Grundschuldbrief vom amtierenden Notar für die Grundstückseigentümerin verwahrt und ihr Herausgabeanspruch nicht an die Beklagte abgetreten worden.

b) Die Beklagte hat die Grundschuld auch nicht durch die im Oktober 1985 zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung und die Übersendung des Teilgrundschuldbriefes durch die Klägerin in Höhe von 106.000 DM erworben. Dazu hätte es einer Abtretungserklärung in schriftlicher Form bedurft (§§ 1192 Abs. 1, 1154 Abs. 1 BGB). Daran fehlt es hier.

Das Schreiben der Klägerin vom 7. Oktober 1985 enthält keine Abtretungserklärung, sondern die Bestätigung des fernmündlich erzielten Einvernehmens, die Beklagte werde den von ihr als Sicherheit nicht benötigten nachrangigen Teil der Grundschuld in Höhe von 94.000 DM an die Klägerin abtreten. Auch dem Schreiben der Klägerin vom 23. Mai 1986 läßt sich eine Abtretungserklärung nicht entnehmen. Die Klägerin beschränkt sich darin auf die Übersendung des neu gebildeten Teilgrundschuldbriefes über 106.000 DM unter Bezugnahme auf den „Treuhandauftrag” der Beklagten vom 11. November 1985, ohne ihren Willen zur Abtretung dieses Teilbetrages zu erklären und die Parteien als Zedentin und Zessionarin zu bezeichnen. Ein Abtretungswille der Klägerin läßt sich dem Schreiben auch nicht durch Auslegung unter Berücksichtigung des in Bezug genommenen Treuhandauftrags entnehmen. Dies scheitert schon daran, daß zur Auslegung einer schriftlichen Abtretungserklärung im Sinne des § 1154 Abs. 1 BGB auf Umstände, die außerhalb der Urkunde liegen und nicht jedem Leser ohne weiteres erkennbar sind, nicht zurückgegriffen werden darf (BGH, Urteil vom 28. März 1969 – V ZR 49/68, WM 1969, 863, 865; BGH, Urteil vom 5. Juli 1974 – V ZR 30/73, WM 1974, 905). Da die schriftliche Abtretungserklärung die Grundbucheintragung ersetzt, müssen die Erklärung der Abtretung sowie die Bezeichnung der Grundschuld, des Zedenten und des Zessionars darin selbst enthalten sein (MünchKomm/Eickmann, BGB 2. Aufl. § 1154 Rdn. 7).

c) Auf das Fehlen einer schriftlichen Abtretungserklärung könnte die Klägerin sich im Rahmen des § 816 Abs. 2 BGB nach Treu und Glauben allerdings nicht berufen, wenn sie aufgrund einer Vereinbarung verpflichtet gewesen wäre, von ihrer Grundschuld einen erstrangigen Teilbetrag über 106.000 DM an die Beklagte formgültig abzutreten. Davon kann zu Lasten der Klägerin jedoch nicht ausgegangen werden.

Zwar läßt sich die Übersendung des Teilgrundschuldbriefs unter Bezugnahme auf den „Treuhandauftrag” vom 11. November 1985 aus der Sicht der Beklagten bei isolierter Betrachtungsweise dahin verstehen, die Klägerin verzichte unter Aufgabe ihres bisherigen Rechtsstandpunkts zugunsten der Beklagten auf etwaige Rechte an der in Rede stehenden Grundschuld in Höhe von 106.000 DM. Jedoch muß die Übersendung des Teilgrundschuldbriefs im Zusammenhang mit dem vorausgegangenen Schreiben der Klägerin vom 7. Oktober 1985 und der darin wiedergegebenen fernmündlichen Vereinbarung der Parteien gesehen werden. Diese sollte durch die Teilabtretungserklärung der Beklagten über 94.000 DM und die Übersendung des neu gebildeten Teilgrundschuldbriefes über 106.000 DM durch die Klägerin vollzogen werden.

Zu der fernmündlich getroffenen Vereinbarung hat die Klägerin behauptet, diese habe sich entgegen dem Vorbringen der Beklagten nicht auf die gesamte Grundschuld, sondern nur auf den nachrangigen Grundschuldteilbetrag über 94.000 DM bezogen. Ihr Mitarbeiter W. habe bei dem maßgebenden Telefongespräch zum Ausdruck gebracht, über den erstrangigen Grundschuldteil müsse weiter verhandelt oder notfalls gestritten werden. Träfe diese Darstellung zu oder müßte von ihr mangels Widerlegung durch die insoweit beweisbelastete Beklagte ausgegangen werden, so hätte die Beklagte in der Übersendung des Teilgrundschuldbriefes nur die Vollziehung des fernmündlich erzielten Teilvergleichs, nicht aber einen Verzicht der Klägerin auf den erstrangigen Grundschuldteilbetrag sehen können. Der Einwand unzulässiger Rechtsausübung könnte der Klägerin dann nicht entgegengesetzt werden.

2. War die Klägerin Berechtigte und die Beklagte dementsprechend Nichtberechtigte des erstrangigen Grundschuldteilbetrags über 106.000 DM, so steht der Klägerin der geltend gemachte Bereicherungsanspruch aus § 816 Abs. 2 BGB zu. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen, die das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang getroffen hat, ist die Überweisung des streitigen Betrages an die Beklagte zur Ablösung der für sie eingetragenen Teilgrundschuld erfolgt. Diese Leistung war der Klägerin gegenüber wirksam (§ 893 i.V.m. § 892 Abs. 1 BGB). Die Beklagte war im Besitz des Teilgrundschuldbriefes und dem Leistenden war die unterstellte Unrichtigkeit des Grundbuchs in bezug auf die Teilgrundschuld nicht bekannt. Als Außenstehender hatte er keinen Einblick in die Vereinbarung der Parteien über die Aufteilung der Grundschuld und keine Kenntnis von den Gründen, die die Klägerin zur Aushändigung des Teilgrundschuldbriefes an die Beklagte veranlaßt hatten.

Da der Bereicherungsanspruch aus § 816 Abs. 2 BGB, wie dargelegt, bereits mit der wirksamen Leistung an den Nichtberechtigten entsteht, greift auch der von der Revisionserwiderung in den Vordergrund gerückte Einwand, durch die Zahlung ihres Streithelfers habe die Beklagte nichts auf Kosten der Klägerin erlangt, nicht durch. Nicht zutreffend ist im übrigen auch das weitere in diesem Zusammenhang verwendete Argument der Revisionserwiderung, durch die vorgenannte Zahlung sei der Bestand der Teilgrundschuld nicht unmittelbar berührt worden, dies sei erst durch deren Löschung geschehen. Bereits mit der Zahlung auf die Grundschuld hat die Klägerin etwaige Rechte an der Teilgrundschuld verloren, da sich diese in eine Eigentümerteilgrundschuld umgewandelt hat (§§ 1192 Abs. 1, 1143 Abs. 1 BGB).

Dem Bereicherungsanspruch aus § 816 Abs. 2 BGB steht auch nicht der Einwand eines Wegfalls der Bereicherung der Beklagten entgegen (§ 818 Abs. 3 BGB). Das würde selbst dann gelten, wenn die Beklagte durch die genannte Zahlung einen Anspruch aufgrund des Avalkreditverhältnisses gegen die Eheleute L. in Höhe von 106.000 DM verloren hätte. Es ist nämlich nicht vorgetragen, daß die Beklagte einen solchen Anspruch ohne Rücksicht auf die für sie eingetragen gewesene Teilgrundschuld hätte realisieren können.

IV.

Das angefochtene Urteil war danach aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird nunmehr die erforderlichen Feststellungen darüber zu treffen haben, ob die Klägerin bei Zahlung des Ablösungsbetrages an die Beklagte Berechtigte hinsichtlich der Teilgrundschuld über 106.000 DM war.

Sollte sich ergeben, daß dies nicht der Fall, sondern die Beklagte Inhaberin der Teilgrundschuld war, wird das Berufungsgericht weiter zu klären haben, ob die Teilgrundschuld valutiert war. Sollte dies, wie die Klägerin behauptet, nicht der Fall gewesen sein, etwa weil die Teilgrundschuld entgegen dem Vorbringen der Beklagten nicht der Absicherung des gewährten Avalkredits diente, so kann der streitige Ablösungsbetrag der Klägerin zustehen. Ihr ist ein etwaiger Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld, an deren Stelle der Ablösungsbetrag getreten ist, durch die Eigentümerin des belasteten Grundstücks abgetreten worden.

 

Unterschriften

Schimansky, Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Nobbe, Dr. van Gelder

 

Fundstellen

Haufe-Index 1830935

BB 1991, 2398

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1991, 1483

ZBB 1991, 271

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