Entscheidungsstichwort (Thema)

Schenkung im Sinne von § 516 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) als Voraussetzung für einen Anspruch aus § 2287 BGB

 

Normenkette

BGB §§ 2287, 516

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 14. Juni 1984 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Der am 12. Oktober 1982 verstorbene Erblasser wurde aufgrund gemeinschaftlichen Testaments vom 29. März 1978 und insoweit gleichlautenden Erbvertrages vom selben Tage von seiner Ehefrau, der Klägerin, allein beerbt.

Der Erblasser hatte sich von der Klägerin getrennt und lebte seit September 1979 mit der Beklagten zusammen. Mit notariellem Vertrag vom 12. Februar 1980 bestellte er der Beklagten eine Grundschuld über 220.000,00 DM nebst 5 % Zinsen an seiner Eigentumswohnung. In diesem Vertrag heißt es:

"Wir vereinbaren miteinander, daß ... (die Beklagte) mir ... (des Erblasser) lebenslang Hege und Pflege in standesgemäßer Art und standesgemäßem Umfang persönlich angedeinen läßt.

... (Die Beklagte) war 13 Jahre lang in meinen ... (des Erblassers) Geschäft in H. zu meiner vollsten Zufriedenheit tätig. Sie hat wesentlich am Aufbau dieses Geschäfts mitgearbeitet.

Für die Verpflichtung zur Übernahme lebenslanger sorgfältiger Hege und Pflege und für ihre Verdienste um den Aufbau meines Geschäftes bestelle ich für ... (die Beklagte) nachfolgende Grundschuld.

Sollte ... (die Beklagte) ihren Verpflichtungen aus dieser Vereinbarung nicht nachkommen, so bin ich zum Widerruf berechtigt. Nach begründetem Widerruf hat ... (die Beklagte) die Löschungsbewilligung bedingungsfrei zu erteilen. Sie verzichtet auf jedwedes Zurückbehaltungsrecht, sie verzichtet für den Fall des begründeten Widerrufs auch auf Zinsen. Der Widerruf darf nur von mir persönlich erklärt werden ..."

Mit der Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten Herausgabe bestimmter Gegenstände und die Bewilligung der Löschung der Grundschuld.

Soweit die Klage auf die Löschungsbewilligung gerichtet ist, hat das Landgericht sie durch Teilurteil abgewiesen; das Berufungsgericht hat gegenteilig entschieden.

Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte

die Wiederherstellung des landgerichtlichen Teilurteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.

I.

Das Oberlandesgericht sieht die Bestellung der Grundschuld als eine beeinträchtigende Schenkung des Erblassers im Sinne von § 2287 BGB an die Beklagte an. Denn sie sei ihrem Gehalt nach auf eine Korrektur der Verfügungen von Todes wegen vom 29. März 1978 angelegt, weil durch sie der Beklagten zum Nachteil der Klägerin ein wesentlicher Vermögenswert zugewendet worden sei. Das gelte auch dann, wenn es sich bei der Grundschuld nur um einen geringen Bruchteil des Erblasservermögens handele. Die Zuwendung sei nicht durch ein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers veranlaßt. Ein solches Interesse sei nicht daraus zu entnehmen, daß die Grundschuld für die Verdienste der Beklagten um den Aufbau des Geschäfts des Erblassers bestellt worden sei. Denn die Beklagte habe bis kurz vor der Grundschuldbestellung gegen volles Gehalt, zuletzt wenigstens 2.000,00 DM netto im Monat mitgearbeitet; damit sei ihre Tätigkeit für den Erblasser hinreichend abgegolten.

Auch die Verpflichtung der Beklagten, den Erblasser lebenslang zu pflegen, ergebe kein lebzeitiges Eigeninteresse; es stehe nämlich nicht fest, welchen Wert diese Verpflichtung gehabt habe. Es sei nicht genügend dargetan, um diesen Wert zu bestimmen. Die Beklagte habe es versäumt, ihren durch die Pflege bedingten zusätzlichen Zeit- und Kostenaufwand darzulegen. Unter den gegebenen Umständen könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Übernahme der Pflegeverpflichtung durch die Beklagte einem anerkennenswerten lebzeitigen Eigeninteresse des Erblassers entsprochen habe. Auch das Motiv "Sicherung der Pflege des Erblassers" scheide deshalb aus. Der Erblasser habe der Beklagten einen wesentlichen Vermögenswert ohne Gegenleistung zugewendet, nur weil diese ihm genehmer gewesen sei.

II.

Den hiergegen gerichteten Angriffen der Revision vermag das angefochtene Urteil im Ergebnis nicht standzuhalten.

1.

Keinen Erfolg hat die Revision allerdings insofern, als sie sich im Anschluß an Staudinger/Kanzleiter (BGB 12. Aufl. § 2287 Rdn. 13) und Speckmann (NJW 1974, 343 f.) gegen die durch BGHZ 59, 343 eingeleitete neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu § 2287 BGB wendet und insbesondere zu den hohen Anforderungen an die Benachteiligungsabsicht zurückkehren will. Der erkennende Senat hat die neue Linie vielmehr - auch unter Berücksichtigung der gegen sie noch geäußerten Vorbehalte - in ständiger Rechtsprechung fortgeführt und weiter entwickelt. Daran wird auch im vorliegenden Verfahren festgehalten.

2.

Bei dem angefochtenen Urteil kann es aber schon deshalb nicht bleiben, weil das Berufungsgericht die Frage nach der Schenkung des Erblassers an die Beklagte in unzulässiger Weise mit der Frage nach dem sogenannten lebzeitigen Eigeninteresse des Erblassers an einer derartigen Schenkung verquickt hat.

Die für einen Anspruch aus § 2287 BGB vorausgesetzte Schenkung ist eine solche im Sinne von § 516 BGB (BGHZ 82, 274, 281). Zu der Bereicherung des einen Teils durch den anderen muß daher noch eine Einigung der Beteiligten über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung oder - bei der gemischten Schenkung wie möglicherweise hier - über die Unentgeltlichkeit des nicht durch die Gegenleistung abgegoltenen Teils der Zuwendung hinzukommen. Das Berufungsgericht hat die (objektive) Bereicherung, nämlich das überwiegen der Leistung des Erblassers über den Wert der versprochenen Gegenleistungen der Beklagten nicht rechtsfehlerfrei und die (subjektive) Einigung über deren Unentgeltlichkeit überhaupt nicht festgestellt.

a)

Das Berufungsgericht zieht nicht in Zweifel, daß die von der Beklagten übernommene Pflicht zur Hege und Pflege des Erblassers ernst gemeint ist. Bei ihr handelt es sich danach um eine echte Gegenleistung der Beklagten für die ihr bestellte Grundschuld. Nach der Behauptung der Beklagten haben die Beteiligten diese Pflicht gleich hoch bewertet wie die Grundschuld. Davon ist, da das Gegenteil nicht festgestellt und die Klägerin insoweit beweispflichtig ist, zunächst auszugehen. Auf dieser Grundlage ist für die Annahme einer Schenkung schon deshalb kein Raum, weil es widersprüchlich wäre anzunehmen, die Beteiligten seien sich trotz gleich hoher (freilich nicht willkürlicher) Bewertung von Leistung und Gegenleistung über die (Teil-)Unentgeltlichkeit der Leistung einig gewesen. Inwiefern das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang zu der Annahme kommt, es fehle überhaupt an einer Gegenleistung der Beklagten (BU 9), ist nicht verständlich. Auf die Frage nach einem lebzeitigen Eigeninteresse des Erblassers kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

Wenn das Berufungsgericht eine Einigung des Erblassers mit der Beklagten nicht positiv feststellen konnte, dann waren Grundschuld und Pflegepflicht für den Zeitpunkt des Vertrages vom 12. Februar 1980 zu bewerten. Dabei kam es für die Bewertung der Pflegepflicht nicht in erster Linie darauf an, welche Pflegeleistungen die Beklagte tatsächlich erbracht hat, sondern darauf, welchen Umfang der Pflege die Beteiligten für möglicherweise erforderlich gehalten haben. Ergab sich bei der Bewertung ein auffallendes, grobes Mißverhältnis (BGHZ 82, 274, 281 f.), dann kam der Klägerin eine Beweiserleichterung in Form einer tatsächlichen Vermutung für eine Einigung der Beteiligten über die Unentgeltlichkeit eines Teiles der Zuwendung des Erblassers an die Beklagte zugute (Senatsurteil vom 27. Mai 1981 - IVa ZR 132/80 - NJW 1981, 2458; BGHZ 59, 132, 136). Wenn dem Berufungsgericht für die erforderlichen Bewertungen Sachvortrag fehlte, dann hätte es insoweit auf ergänzendes Vorbringen gemäß § 139 ZPO hinwirken sollen. Die Beweislast für die Werte von Leistung und Gegenleistung hat die Klägerin zu tragen; das ist hier nicht anders als bei einer gemischten Schenkung zum Nachteil eines Pflichtteilsberechtigten (vgl. BGH NJW 1981, 2458).

b)

Nach dem Inhalt des Vertrages vom 12. Februar 1980 hat der Erblasser die Grundschuld auch "für" die Verdienste der Beklagten um den Aufbau seines Geschäfts bestellt. Auch diese Vereinbarung zieht das Berufungsgericht nicht in Zweifel. Es meint aber, aus diesem Umstand sei ein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers nicht zu entnehmen, weil die Mitarbeit der Beklagten durch deren Gehalt "hinreichend abgegolten" sei.

Auch insoweit hat das Berufungsgericht die Prüfung der Schenkung in unzulässiger Weise mit der Frage nach dem lebzeitigen Eigeninteresse des Erblassers an einer solchen vermengt. Außerdem kommt es weniger darauf an, ob die Tätigkeit der Beklagten im Geschäft des Erblassers aus der Sicht des Tatrichters - objektiv - mit ihrer Vergütung ausreichend bezahlt war, als vielmehr darauf, ob die Arbeitsvergütung der Beklagten nach dem Willen und den Vorstellungen der Beteiligten im Nachhinein aufgebessert werden sollte. Wird eine derartige "Aufbesserung" nicht ausgeräumt, dann kann auch insoweit keine Schenkung angenommen werden. Einer willkürlichen Bewertung der Arbeitsleistung der Beklagten sind freilich dieselben Grenzen gesetzt wie der Bewertung ihrer Pflegepflichten. Für die Beweislast gilt hier nichts Besonderes.

3.

Für die neue Verhandlung und Entscheidung gibt der Senat folgende Hinweise:

Wird eine (gemischte) Schenkung des Erblassers an die Beklagte nachgewiesen, dann kommt es weiter darauf an, ob die sonstigen Voraussetzungen des § 2287 BGB gegeben sind. Benachteiligungsabsicht im Sinne der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist mit der Absicht, den Beschenkten zu begünstigen, meist untrennbar verbunden und daher in einer solchen Lage praktisch immer gegeben (BGHZ 82, 274, 282 und ständig).

Erforderlich ist ferner, daß der Erblasser das ihm verbliebene Recht zu lebzeitigen Verfügungen (§ 2286 BGB) mißbraucht hat (BGHZ 82, 274, 282; Senatsurteil vom 26.02.1986 - IVa ZR 87/84 - zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen - und ständig). Ein solcher Mißbrauch liegt nicht vor, wenn der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der von ihm vorgenommenen Schenkung hatte, kann aber auch sonst ausgeschlossen sein (Senatsurteil vom 23.04.1986 - IVa ZR 97/85 -). Hierzu bedarf es einer umfassenden Abwägung der Bindung des Erblassers an den Erbvertrag einerseits und der Gründe für die Benachteiligung des Vertragserben andererseits (BGHZ 83, 44, 45; 88, 269, 271).

 

Unterschriften

Dr. Hoegen

Rottmüller

Dr. Schmidt-Kessel

Dr. Zopfs

Dr. Ritter

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1456427

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