Entscheidungsstichwort (Thema)

Zubilligung des Leistungsverweigerungsrechts eines Nachlassschuldners

 

Leitsatz (amtlich)

  1. Hat der Vorerbe ein Nachlaßgrundstück aufgrund einer gemischten Schenkung an einen Dritten übereignet und wird die Verfügung mit Eintritt des Nacherbfalles unwirksam, so braucht der Dritte die Berichtigung des Grundbuchs nur Zug um Zug gegen Auskehr seiner Gegenleistung zu bewilligen. Dabei ist es jedenfalls bei der befreiten Vorerbschaft gleichgültig, ob die Gegenleistung in den Nachlaß gelangt oder lediglich dem Vorerben persönlich zugutegekommen ist.
  2. Zum Ausgleich von Verwendungen des Dritten auf das Grundstück in diesem Falle.
 

Normenkette

BGB § 2113 Abs. 2, §§ 894, 2040, 994, 2124 Abs. 1

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 7. April 1982 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, wie es deren Hilfsantrag aus der Berufungsinstanz (Verurteilung nur Zug um Zug gegen Zahlung der Kläger) nicht stattgegeben hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Aufgrund privatschriftlichen Testaments vom 18. Januar 1953 wurde der am 10. Juli 1953 verstorbene Erblasser zunächst von seiner Ehefrau als befreiter Vorerbin beerbt. Nach deren Tod am 1. Oktober 1979 wurden seine Erben: die Kläger zu 1) - 8) und zu 10), der Beklagte zu 1) sowie die frühere Klägerin zu 9). An die Stelle der letzteren sind im Wege weiterer Erbfolge die jetzigen Kläger zu 9 a) und 9 b) getreten. Erben der Vorerbin sind die Kläger zu 5) und 6). Zum Nachlaß des Erblassers gehörte bebauter Grundbesitz in Vieringhausen.

Aufgrund notariellen Vertrages vom 9. März 1976 übertrug die damals 79 Jahre alte Vorerbin den Grundbesitz zu je 1/2 auf die Beklagten, behielt sich aber ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht an ihrer Wohnung vor. Die Beklagten verpflichteten sich, eine lebenslange Rente an die Vorerbin zu zahlen, ihr kostenlos Heizungswärme, Strom und Gas zu liefern, sie in kranken Tagen zu pflegen und zu verpflegen, die Kosten für ärztliche Behandlung, Medikamente und etwaige Krankenhausaufenthalte zu tragen, für ein standesgemäßes Begräbnis zu sorgen und ihr auf Abruf 30.000,- DM zu zahlen.

Die Kläger halten die Übertragung des Grundbesitzes für unwirksam, weil es sich um eine teilweise unentgeltliche Verfügung der Vorerbin handele. Die Beklagten treten dem entgegen; sie berufen sich auf ihre Gegenleistungen an die Vorerbin und auf ihre Verwendungen auf den Grundbesitz.

Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt, darin einzuwilligen, daß das Grundbuch dahin berichtigt werde, daß die (früheren) Kläger und der Beklagte zu 1) Eigentümer in ungeteilter Erbengemeinschaft seien. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Auch dem Hilfsantrag der Beklagten, sie nur Zug um Zug gegen Zahlung von 162.870,56 DM nebst Zinsen zu verurteilen, hat das Berufungsgericht nicht entsprochen. Mit ihrer Revision verfolgen die Beklagten diesen Hilfsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung, soweit dem Hilfsantrag der Beklagten nicht stattgegeben worden ist.

1.

Das Berufungsgericht hält die Voraussetzungen des § 2113 Abs. 2 BGB für erfüllt; die Veräußerung des Grundbesitzes durch die Vorerbin stelle eine teilweise unentgeltliche Verfügung über einen Nachlaßgegenstand dar, die den Nachlaß schmälere und damit das Recht der Nacherben beeinträchtige und daher unwirksam sei. Die Beklagten seien deshalb gemäß § 894 BGB verpflichtet, einer entsprechenden Berichtigung des Grundbuches zuzustimmen. Hiergegen wendet sich die Revision nicht.

Das Berufungsgericht ist weiter der Auffassung, die Beklagten könnten die Gegenleistungen, die sie aufgrund des Vertrages vom 9. März 1976 an die Vorerbin erbracht haben, nur von den Klägerinnen zu 5) und 6) als deren Erbinnen zurückfordern. Ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Klageanspruch könnten sie hierauf nicht stützen. Das ergebe sich aus § 2040 BGB. Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

Es ist allerdings richtig, daß der Rechtsgedanke des § 2040 Abs. 2 BGB auch für das Zurückbehaltungsrecht herangezogen wird. Einem Nachlaßschuldner wird deshalb ein Leistungsverweigerungsrecht nicht schon dann zugebilligt, wenn er seinerseits eine Forderung gegen einen oder einige von mehreren Miterben hat (BGH, Urteil vom 7.1.1960 - VII ZR 220/60 - RdL 1960, 100, 102; RGZ 132, 81, 84). Mit dieser Überlegung ist die Problematik aber noch nicht erschöpft. Vielmehr nötigt der vorliegende Fall zu einer Erörterung der Frage, wie weit der Schutz reicht, den § 2113 Abs. 2 BGB dem Nacherben gegen unentgeltliche Verfügungen des Vorerben bietet.

Die unentgeltliche Verfügung eines Vorerben über einen Nachlaßgegenstand wird unter den Voraussetzungen des § 2113 Abs. 2 Satz 1 BGB bei Eintritt der Nacherbfolge - und mit Wirkung von da an - unwirksam (BGHZ 52, 269, 270). Unwirksamkeit tritt aber nicht stets, sondern nur dann ein, wenn die Verfügung das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde. Auch wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, soll die Unwirksamkeit nur so weit reichen, daß die von der Verfügung drohende Vereitelung oder Beeinträchtigung vermieden wird und das Recht des Nacherben ungeschmälert bestehen bleibt (BGHZ 7, 274, 279). Nur um die Abwehr dieser Gefahr für den Nacherben geht es § 2113 Abs. 2 BGB. Weitergehende Eingriffe in die Verfügung des Vorerben, die darüber hinaus gingen und die Stellung des Nacherben sogar noch verbesserten, liefen auf nicht gerechtfertigte Vorteile zu seinen Gunsten hinaus und wären von dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht gedeckt.

Der solchermaßen begrenzte Regelungsgehalt des § 2113 Abs. 2 BGB, der auf die ungeschmälerte Erhaltung des "Rechts des Nacherben" gerichtet ist, muß bei einer nur teilweise unentgeltlichen Verfügung des Vorerben über einen Nachlaßgegenstand zu einem anderen Ergebnis führen, als das Berufungsgericht annimmt.

Daß § 2113 Abs. 2 BGB auch auf die nur teilweise unentgeltliche Verfügung Anwendung findet, ist seit langem anerkannt. Fälle dieser Art haben das Reichsgericht in LZ 1932, 94 Nr. 19 zu der Frage veranlaßt, ob der Nacherbe Herausgabe des vom Vorerben nur teilweise unentgeltlich (aber überwiegend entgeltlich) weggegebenen Gegenstandes (gegen Rückerstattung der Gegenleistungen an den Vorerben) verlangen, oder ob er stattdessen nur Ausgleichung zwischen Leistung und Gegenleistung durch eine weitere Zahlung beanspruchen könne (vgl. auch RG WarnR 1938, 91 Nr. 37). Es hat die Frage in DR 1945, 57 dahin entschieden, daß auch bei nur teilweise unentgeltlicher Verfügung Unwirksamkeit in vollem Umfang eintritt. Dem hat sich der Bundesgerichtshof angeschlossen (BGHZ 5, 173, 182; Urteil vom 13.3.1952 - IV ZR 101/51 - LM BGB § 2113 Nr. 1; Urteil vom 15.5.1963 - V ZR 141/61 - LM BGB § 2205 Nr. 10). Auch das Berufungsgericht ist dem gefolgt. Der Senat hat keine Veranlassung, von dieser gefestigten Rechtsprechung abzuweichen.

Auf dieser Grundlage kann dem Begünstigten ein Zurückbehaltungsrecht wegen seiner Gegenleistungen nicht vorenthalten werden. In Fällen dieser Art kann die Beeinträchtigung (oder Vereitelung) der Rechtsstellung des Nacherben, die für § 2113 Abs. 2 BGB vorausgesetzt ist und mit seiner Hilfe abgewendet wird, nämlich nicht mit dem Verlust des weggegebenen Gegenstandes gleichgesetzt werden. Eine derartige Gleichsetzung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn es sich um eine völlig unentgeltliche Verfügung handelte. Ist dagegen eine - wenn auch unzureichende - Gegenleistung erbracht, dann liegt die Beeinträchtigung lediglich in der Differenz, um die diese Gegenleistung wertmäßig hinter dem weggegebenen Nachlaßgegenstand zurückbleibt. Dabei ist es jedenfalls bei der befreiten Vorerbschaft gleichgültig, ob die Gegenleistung in den Nachlaß gelangt (§ 2111 BGB) oder ob sie lediglich dem Vorerben persönlich zugute gekommen ist. Der befreite Vorerbe darf den Nachlaß gemäß §§ 2134, 2136 BGB anerkanntermaßen für sich verwenden (BGHZ 69, 47, 51; Urteil vom 6.7.1955 - IV ZR 110/54 - LM BGB § 2136 Nr. 2; Urteil vom 16.3.1977 - IV ZR 182/75 - LM BGB § 2113 Nr. 15); der Nacherbe muß das hinnehmen und hat demgemäß insoweit kein beeinträchtigungsfähiges Recht i.S. von § 2113 Abs. 2 BGB.

Müßten die Beklagten den Grundbesitz dagegen aufgeben, ohne ihre Gegenleistungen zurückzuerhalten, dann wären die Nacherben um diese zu gut gestellt. Das ginge über die durch § 2113 Abs. 2 BGB (lediglich) bezweckte Abwehr einer Vereitelung oder Beeinträchtigung hinaus und wäre daher nicht rechtens. Demgemäß müssen die Gegenleistungen der Beklagten in die von § 2113 Abs. 2 BGB angeordnete Abwicklung zwischen dem durch die teilweise unentgeltliche Verfügung begünstigten Dritten und dem Nacherben einbezogen werden. Soweit es hier an einer Beeinträchtigung fehlt und die Erben die Weggabe daher gegen sich gelten lassen müssen, bleibt die Veräußerung insofern "wirksam", als die Nacherben Herausgabe nur gegen Rückerstattung der Gegenleistungen verlangen können. Dieses Ergebnis ist in der Rechtsprechung des Reichsgerichts (WarnR 1938, 91 Nr. 37) und des Bundesgerichtshofes (LM BGB § 2113 Nr. 15) bereits vorgezeichnet.

Aus diesen Gründen muß das angefochtene Urteil aufgehoben werden.

2.

Die Beklagten haben das von ihnen geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht weiter darauf gestützt, sie hätten in der Zeit von 1976 bis 1982 auf das Grundstück für Grund-Steuer, Versicherungen, Hypothekenzinsen und Investitionen insgesamt 169.247,21 DM verwendet. Hieraus ergebe sich nach Abzug von 6.376,65 DM für Nutzungen durch die Beklagten ein Differenzbetrag von 162.870,56 DM.

Das Berufungsgericht hält ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten auch wegen dieses Betrages nicht für gegeben.

Als Grundlage für Gegenansprüche der Beklagten kämen, so führt es aus, nur die §§ 987 ff. BGB in Betracht. Als notwendige Verwendungen, die die Beklagten gemäß § 994 BGB ersetzt verlangen könnten, ließen sich allenfalls die gezahlten Versicherungsprämien und Grundabgaben in Höhe von insgesamt 15.526,53 DM feststellen. Dieser Betrag sei aber durch die Nutzungen, die die Beklagten seit 1976 gezogen und an die Nacherben herauszugeben hätten, aufgewogen. Ein Anspruch wegen ihrer Investitionen gemäß § 996 BGB könne nicht festgestellt werden; es fehle ausreichender Vortrag dazu, um welchen Betrag der Wert des Grundbesitzes durch ihre Aufwendungen noch erhöht sei.

Gegen diese Beurteilung bestehen insofern rechtliche Bedenken, als das Berufungsgericht seine Prüfung auf das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis beschränkt. Das Berufungsgericht hat nicht berücksichtigt, daß die Beklagten infolge der Übereignung durch die Vorerbin Volleigentümer geworden waren. Erst mit Eintritt des Nacherbfalles am 1. Oktober 1979 konnte die Eigentumsübertragung auf sie gemäß § 2113 Abs. 2 BGB unwirksam werden (BGHZ 52, 269, 270), erst von da an konnten die Nacherben Eigentümer werden. Zwar finden die Vorschriften der §§ 987 ff. BGB in den Fällen des § 894 BGB entsprechende Anwendung. Soweit es sich um die Zeit nach Eintritt des Nacherbfalles handelt, kommen daher Ansprüche aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis durchaus in Betracht. Das gilt aber nicht auch für die vorangegangene Zeit, in der die Beklagten selbst Eigentümer waren. Wegen Verwendungen, die die Beklagten in dieser Zeit vorgenommen haben, werden diese nicht durch die genannten Vorschriften geschützt. Auch die Vorschrift des § 999 Abs. 2 BGB läßt eine so weitgehende Ausdehnung des Anwendungsbereichs der §§ 987 ff. BGB im Hinblick auf ihre beschränkte Funktion (vgl. dazu BGH, Urteil vom 13.10.1978 - V ZR 147/77 - NJW 1979, 716 = LM BGB § 996 Nr. 7) nicht zu.

Maßgebend für den Ausgleich zwischen den Parteien wegen der Aufwendungen, die die Beklagten vor dem Eintritt der Nacherbfolge während der Dauer ihres Eigentums vorgenommen haben, sind vielmehr die Vorschriften über die Vor- und Nacherbschaft (§§ 2124 bis 2126 BGB). Die Rechtsstellung der Beklagten als Eigentümer des Grundbesitzes war von der Vorerbin abgeleitet und stand und fiel infolge der Vorschrift des § 2113 Abs. 2 BGB mit der Vorerbschaft. In Bezug auf die Verwendungen und die Nutzungen haben sie deshalb keine andere (weder eine bessere noch eine schlechtere) Stellung, als sie der Vorerbin zukam. Demgemäß gebühren den Beklagten - ebenso wie vor ihnen der Vorerbin (vgl. BGHZ 78, 177, 188) - die Nutzungen des Grundbesitzes für die Dauer ihres Eigentums. Dementsprechend haben sie gemäß § 2124 Abs. 1 BGB für diese Zeit auch die gewöhnlichen Erhaltungskosten zu tragen. Darunter fallen übliche Versicherungsprämien und laufende Grundabgaben (RGRK-Johannsen, BGB 12. Aufl. § 2124 Rdn. 1) und nach dem Vortrag der Beklagten (Bl. 315 d.A.) anscheinend zumindest auch ein Teil der geltend gemachten Investitionen. Die Parteien werden Gelegenheit haben, hierzu vor dem Tatrichter ergänzend vorzutragen. Daran, daß es sich bei den geltendgemachten Maßnahmen, durch die der Zustand des Hauses verändert wurde, um Verwendungen handelte, ist nicht zu zweifeln; die in diesem Zusammenhang von den Klägern angeführten Entscheidungen BGHZ 10, 171; 41, 157 betrafen anders gelagerte Fälle.

 

Unterschriften

Dr. Hoegen

Dr. Lang

Dehner

Dr. Schmidt-Kessel

Dr. Ritter

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456201

NJW 1985, 382

DNotZ 1985, 482

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