Der in § 5 Abs. 1 EStG niedergelegte Grundsatz der Maßgeblichkeit bedeutet, dass grundsätzlich nach § 4 Abs. 1 EStG für steuerliche Zwecke das Betriebsvermögen anzusetzen ist, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist (vgl. BMF vom 12. 03. 2010 BStBl I 2010, 239; Details s. I B).

Die allgemeinen Grundsätze zur Aktivierung, Passivierung und Bewertung der einzelnen Bilanzposten wurden durch das BilMoG nicht geändert und sind für die steuerliche Gewinnermittlung maßgeblich. Allerdings ist stets zu prüfen, ob nicht spezielle steuerliche Vorschriften existieren, die dem allgemeinen Maßgeblichkeitsgrundsatz vorgehen (BMF vom 12. 03. 2010 a. a. O., Rz. 2).

Dabei gelten folgende Grundsätze: Handelsrechtliche Aktivierungsgebote und Aktivierungswahlrechte führen zu Aktivierungsgeboten in der Steuerbilanz, es sei denn, die Aktivierung in der Steuerbilanz ist aufgrund einer steuerlichen Regelung ausgeschlossen (BMF vom 12. 03. 2010 a. a. O., Rz. 3).

 

Beispiel 1

Ein Unternehmen erwirbt ein Gewerbegrundstück für 500 000 EUR zzgl. Nebenkosten i. H. v. 50 000 EUR und errichtet auf diesem Gelände eine Halle. Die Herstellungskosten betragen 800 000 EUR.

LÖSUNG Nach § 253 Abs. 1 HGB besteht ein handelsrechtliches Aktivierungsgebot. Das Grundstück darf höchstens mit den Anschaffungskosten angesetzt werden. Die Anschaffungskosten beinhalten nach Handelsrecht stets auch die Anschaffungsnebenkosten (§ 255 Abs. 1 Satz 2 HGB). Damit ist das Grundstück in der Handelsbilanz mit 550 000 EUR zu aktivieren. Aufgrund der Maßgeblichkeit (§ 5 Abs. 1 EStG) ist dieser Wert auch in der Steuerbilanz auszuweisen. Die Herstellungskosten der Halle sind nach § 255 Abs. 2 HGB zwingend zu aktivieren. Die Halle ist sonach in der Handelsbilanz mit 800 000 EUR einzubuchen. Aufgrund der Maßgeblichkeit gilt dieser Ansatz auch in der Steuerbilanz.

 

Beispiel 2

Ein Unternehmen meldet eine Erfindung zum Patent an. Die Entwicklungskosten belaufen sich auf 1,8 Mio. EUR.

LÖSUNG Nach § 248 Abs. 2 HGB können selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens als Aktivposten in die Handelsbilanz aufgenommen werden (Aktivierungswahlrecht). Nach dem Grundsatz der Maßgeblichkeit müsste das Patent auch in der Steuerbilanz mit 1,8 Mio. EUR aktiviert werden. Dem steht aber § 5 Abs. 2 EStG (= lex specialis zu § 5 Abs. 1 EStG) entgegen. Danach darf das Patent in der Steuerbilanz nicht aktiviert werden, da es nicht entgeltlich erworben wurde.

Handelsrechtliche Passivierungsgebote sind – vorbehaltlich steuerlicher Vorschriften – auch für die steuerliche Gewinnermittlung maßgeblich.

 

Beispiel 1

Ein Unternehmen hat das Grundwasser durch Chemikalien erheblich verunreinigt. Die zuständige Behörde hat das Unternehmen aufgefordert, entsprechende Maßnahmen zur Beseitigung der Umweltverschmutzung einzuleiten.

LÖSUNG Nach § 249 HGB muss das Unternehmen eine Rückstellung für die Beseitigung der Umweltlasten in seiner Handelsbilanz passivieren. Nach § 5 Abs. 1 EStG muss diese Rückstellung – sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach – auch in der Steuerbilanz ausgewiesen werden.

 

Beispiel 2

Ein Unternehmen hat dem Geschäftsführer eine Pension zugesagt.

LÖSUNG Nach §§ 249, 253 Abs. 2 HGB ergibt sich unter Berücksichtigung eines durchschnittlichen Marktzinssatzes eine Rückstellung i. H. v. 200 000 EUR, die zwingend zu passivieren ist (handelsrechtliches Passivierungsgebot). Nach § 5 Abs. 1 EStG ist damit auch in der Steuerbilanz zwingend eine Pensionsrückstellung auszuweisen. Bezüglich der Höhe der Rückstellung gilt aber die Spezialvorschrift des § 6a EStG (= lex specialis zu § 5 Abs. 1 EStG). Damit ergibt sich in der Regel in der Steuerbilanz ein anderer Rückstellungsbetrag.

Handelsrechtliche Passivierungsverbote und Passivierungswahlrechte führen zu Passivierungsverboten in der Steuerbilanz (BMF vom 12. 03. 2010 a. a. O., Rz. 4).

Bewertungswahlrechte, die in der Handelsbilanz ausgeübt werden können, ohne dass eine eigenständige steuerliche Regelung besteht, wirken aufgrund des Maßgeblichkeitsgrundsatzes auch auf den Wertansatz in der Steuerbilanz (BMF vom 12. 03. 2010 a. a. O., Rz. 5).

 
Praxis-Beispiel

Eine Bauunternehmung verfügt über einen Bestand an Baugerüsten, der laufend durch Zukauf einzelner Teile (Rahmen, Trittbretter, Leitern etc.) ergänzt wird. Aufgrund von Verschleiß müssen laufend Einzelteile aussortiert werden.

LÖSUNG Nach § 240 Abs. 3 HGB kann ein sog. Festwert gebildet werden, da die Gerüstteile regelmäßig ersetzt werden und ihr Gesamtwert für das Unternehmen von nachrangiger Bedeutung ist. Der Festwert ist in der Handelsbilanz zu aktivieren. Der Erwerb einzelner Teile kann sofort als Betriebsausgabe geltend gemacht werden. Da zur Festwert-Bildung keine steuerlichen Regelungen existieren, kann nach dem Maßgeblichkeitsgrundsatz auch in der Steuerbilanz ein Festwert gebildet werden.

Nach Abschaffung der umgekehrten Maßgeblichkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 2 EStG in der bis zum VZ 2008 geltenden Fassung) enthält der neue § 5 Abs. 1 Satz...

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