EU-Richtlinien dienen in erster Linie der Rechtsangleichung. Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und Mittel (Art. 288 Abs. 3 AEUV). Richtlinien müssen grundsätzlich durch die nationalen Gesetzgebungsorgane in innerstaatliches Recht transformiert werden. Für den einzelnen Bürger sollen durch die Richtlinie keine unmittelbaren Rechte und Pflichten begründet werden. Nur wenn die Mitgliedstaaten dieser Verpflichtung nicht in angemessener Zeit nachkommen, gelten Richtlinien ohne Umsetzungsakt unmittelbar. Der deutsche Gesetzgeber setzte die Richtlinien durch Gesetzesänderungen im nationalen Recht um, so dass der europäische Ursprung heute nicht mehr ohne weiteres erkennbar ist.

 
Praxis-Beispiel
a) Das dem Maßgeblichkeitsgrundsatz zugrunde liegende bisherige deutsche Handelsbilanzrecht, insbesondere das 3. Buch des Handelsgesetzbuches (§§ 238–342a HGB), basiert auf folgenden EG-Richtlinien:
  • Publizitätsrichtlinie 68/151/EWG vom 09. 03. 1968, geändert durch Richtlinie 2003/58/EG vom 15. 07. 2003, Durchführungsgesetz (EHUG) vom 10. 11. 2006 BGBl I 2006, 2553,
  • Kapitalrichtlinie 77/91/EWG vom 13. 12. 1976, geändert durch Richtlinie 2006/68/EG vom 06. 09. 2006,
  • Bilanzrichtlinie (Jahresabschlussrichtlinie) 78/660/EWG vom 25. 07. 1978, Umsetzung im deutschen Recht durch das Durchführungsgesetz zur vierten, siebten und achten Richtlinie vom 19. 12. 1985 (BiLiRiG), geändert durch Richtlinie 2006/46/EG vom 14. 06. 2006, Umsetzung im deutschen Recht durch das BilMoG,
  • Konzernbilanzrichtlinie 83/349/EWG vom 13. 06. 1983, geändert durch Richtlinie 2006/46/EG vom 14. 06. 2006,
  • Ein-Personen-Gesellschaftsrichtlinie 89/666/EWG vom 21. 12. 1989, Durchführungsgesetz vom 18. 12. 1991,
  • Mittelständische Bilanzrichtlinie 90/604/EWG vom 08. 11. 1990,
  • GmbH & Co. KG-Richtlinie 90/605/EWG vom 08. 11. 1990, Durchführungsgesetze vom 25. 04. 1994 (DMBilÄndG) und vom 24. 02. 2000 (KapCoRiLiG).
b) Zur Anpassung der Bilanzrichtlinien an die internationale Entwicklung erließ die EG die sog. Modernisierungsrichtlinie 2003/51/EG vom 18. 06. 2003, geändert durch Richtlinie 2006/46/EG vom 14. 06. 2006. Sie betrifft den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, von Banken und Versicherungsunternehmen und soll die Mitgliedstaaten in die Lage versetzen, ihr nationales Bilanzrecht an die IAS/IFRS anzupassen. Die EG-rechtlichen Vorgaben werden in Deutschland durch das Bilanzrechtsreformgesetz vom 04. 12. 2004 (BilReG) und durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) umgesetzt. Zum Zweck der Marktbewertung von Finanzinstrumenten wurde außerdem die Fair-Value-Richtlinie 2001/65/EG vom 27. 09. 2001 erlassen.
c) Weitere EU-rechtliche Richtlinienvorschriften:
  • Übereinkommen vom 23. 07. 1990 über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Fall von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen (Schiedsverfahrenskonvention, ABl. L 225/1990, 10) und Richtlinie 2017/1852 zum Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten bei der Auslegung und Anwendung von DBA.
  • Verschmelzungsrichtlinie 78/855/EWG vom 09. 10. 1978, geändert durch Richtlinie 2005/56/EG vom 26. 10. 2005, Durchführungsgesetze vom 21. 12. 2006 (MgVG) und vom 19. 04. 2007 (2. Gesetz zur Änderung des UmwG, BGBl I 2007, 542): Einfügung von §§ 122a ff. UmwG,
  • Spaltungsrichtlinie 82/891/EWG vom 17. 12. 1982, Durchführungsgesetz vom 18. 10. 1994 (UmwG),
  • Bankbilanzrichtlinie 86/635/EWG,
  • Zweigniederlassungsrichtlinie 89/666/EWG vom 21. 12. 1989, Durchführungsgesetz vom 22. 07. 1993,
  • Versicherungsbilanzrichtlinie 91/674/EWG,
  • Schwellenwertrichtlinie 2003/38/EG vom 13. 05. 2003,
  • Abschlussprüferrichtlinie 84/253/EWG vom 10. 04. 1984, ersetzt durch Richtlinie 2006/43/EG vom 17. 05. 2006, Durchführungsgesetze vom 27. 12. 2004 BGBl I 2004, 3836 (APAG), vom 04. 12. 2004 BGBl I 2004, 3166 (BilReG) und vom 03. 09. 2007 BGBl I 2007, 2178 (BARefG),
  • Übernahmerichtlinie 2004/25/EG vom 21. 04. 2004, Durchführungsgesetz vom 08. 07. 2006 BGBl I 2006, 1426,
  • Richtlinie 2007/36/EG vom 11. 07. 2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften,
  • Beitreibungs-Richtlinie 2010/24, ABl. L 84/2010, 28 zur Vollstreckung von Abgabenbescheiden der Behörden eines Mitgliedstaates in der gesamten Union
  • Amtshilfe-Richtlinie 2011/16, ABl. L 64/2011, 1 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern
  • Richtlinie 2012/6/EU vom 14. 03. 2012 zur Änderung der Richtlinie 78/660/EWG über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen hinsichtlich Kleinstbetrieben, in nationales Recht umgesetzt durch das Kleinstkapitalgesellschaften-Bilanzrechtänderungsgesetz (MicroBilG, BGBl I 2012, 2751),
  • Richtlinie 2013/50/EU vom 22. 10. 2013 zur Änderung der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Bilanzierung HGB/EStG Kommentare Online. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen