Rn. 793

Stand: EL 33 – ET: 09/2021

§ 285 Nr. 30 ist mit dem BilRUG in das HGB eingeführt worden und setzt Art. 17 Abs. 1 lit. f) der Bilanz-R in nationales Recht um; daraus resultiert das Gebot einer R-konformen Auslegung und Rechtsfortbildung von § 285 Nr. 30. Nach § 285 Nr. 30 sind im Anhang die "latenten Steuersalden am Ende des Geschäftsjahrs und die im Laufe des Geschäftsjahrs erfolgten Änderungen dieser Salden" anzugeben, "wenn latente Steuerschulden in der Bilanz angesetzt werden". Eine entsprechende Angabepflicht besteht für den Konzernanhang nach § 314 Abs. 1 Nr. 22.

 

Rn. 794

Stand: EL 33 – ET: 09/2021

Die Angabepflicht besteht für KapG und PersG i. S. v. § 264a, dem PublG unterliegende UN mit Ausnahme von PersG und Einzel-UN (vgl. §§ 3 Abs. 1 Nr. 3–5, 5 Abs. 2 PublG), Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute (vgl. § 340a Abs. 1) sowie Versicherungs-UN (vgl. § 341a Abs. 1). Mittelgroße KapG ebenso wie PersG i. S. v. § 264a müssen – ungeachtet ihrer Befreiung von der Pflicht zur Angabe nach Nr. 29 (vgl. § 288 Abs. 2 Satz 1) – die Vorschrift der Nr. 30 anwenden, während kleine KapG und PersG i. S. v. § 264a (ebenso wie Kleinst-Gesellschaften; vgl. § 267a Abs. 2) von beiden Angabepflichten befreit sind (vgl. § 288 Abs. 1 Nr. 1); dies gilt auch dann, wenn sie § 274 freiwillig anwenden (vgl. BR-Drs. 23/15, S. 80).

 

Rn. 795

Stand: EL 33 – ET: 09/2021

Ziel der Anhangangabe ist eine Ergänzung der nach Nr. 29 erforderlichen qualitativen Angaben (vgl. dazu HdR-E, HGB §§ 284–288, Rn. 783ff.) zu latenten Steuern um quantitative Angaben über den Bestand latenter Steuern und deren Veränderung im GJ. Danach ist insbesondere anzugeben, "wie sich die entsprechenden latenten Steuern im Geschäftsjahr abgebaut oder aufgebaut haben" (BR-Drs. 23/15, S. 80). Eine Ausstrahlungswirkung von Nr. 30 des Inhalts, dass nunmehr auch nach Nr. 29 quantitative Angaben erforderlich seien, ist indes abzulehnen (vgl. Rimmelspacher/Meyer, DB 2015, Beilage Nr. 5 zu Heft 36, S. 23 (27); Beck Bil-Komm. (2020), § 285 HGB, Rn. 841).

 

Rn. 796

Stand: EL 33 – ET: 09/2021

Der Anwendungsbereich der Angabepflicht ist nur eröffnet, wenn in der Bilanz latente Steuerschulden (i. S. v. passiven latenten Steuern) "angesetzt" werden. Unklar ist, in welchen Fällen diese Voraussetzung erfüllt ist. Dabei ist zu beachten, dass es im HGB – ohne Vorbild in der Bilanz-R – für einen Aktivsaldo ein Ansatzwahlrecht (vgl. § 274 Abs. 1 Satz 2) sowie für einen Aktiv- oder Passivsaldo ein Ausweiswahlrecht in der Bilanz (Brutto- oder Nettoausweis; vgl. § 274 Abs. 1 Satz 3) gibt. Nach hier vertretener Ansicht lassen sich insgesamt folgende Fallgruppen unterscheiden:

(1) Keine Angabepflicht besteht, wenn latente Steuern nicht am BilSt, sondern nur im VJ angesetzt wurden.
(2) Keine Angabepflicht besteht, wenn es am BilSt nur Bilanzdifferenzen oder steuerliche Verlustvorträge gibt, die zu aktiven latenten Steuern führen.
(3) Keine Angabepflicht besteht, wenn sich am BilSt ein Aktivsaldo ergibt, der in Ausübung des Ansatzwahlrechts nicht aktiviert wird; insoweit besteht auch keine Angabepflicht nach Nr. 29 (vgl. so IDW, IDW-Life 2016, S. 54; Rimmelspacher/Meyer, DB 2015, Beilage Nr. 5 zu Heft 36, S. 23 (27); Zwirner, DB 2015, Beilage Nr. 6 zu Heft 48, S. 1 (17).
(4)

Keine Angabepflicht besteht, wenn sich am BilSt ein Aktivsaldo ergibt, der aktiviert, aber netto ausgewiesen wird (vgl. ebenso Beck Bil-Komm. (2020), § 285 HGB, Rn. 846; Lüdenbach/Freiberg, StuB 2015, S. 563 (572); a. A. Rimmelspacher/Meyer, DB 2015, Beilage Nr. 5 zu Heft 36, S. 23 (27); BilRUG-Komm. (2015), § 285 HGB, Rn. 54; Zwirner, DB 2015, Beilage Nr. 6 zu Heft 48, S. 1 (17)). Dem steht nicht entgegen, dass sich ein Aktivsaldo als Resultante aktiver und passiver latenter Steuern ergibt. Denn Bilanzierungsobjekt des § 274 Abs. 1 ist stets der Saldo latenter Steuern ("insgesamt"); deshalb mangelt es insoweit tatbestandlich am Ansatz von passiven latenten Steuern, da diese insgesamt mit aktiven latenten Steuern verrechnet werden (vgl. mit a. A. BilRUG-Komm. (2015), § 285 HGB, Rn. 53; Zwirner, DB 2015, Beilage Nr. 6 zu Heft 48, S. 1 (17)). Auch vermag nicht zu überzeugen, dass die Angabepflicht nach § 285 Nr. 29 auch dann besteht, wenn – bei einem Aktivsaldo – in der Bilanz keine latenten Steuern angesetzt werden (vgl. so aber Rimmelspacher/Meyer, DB 2015, Beilage Nr. 5 zu Heft 36, S. 23 (27)). Denn tatbestandlich sind die Angabepflichten nach den Nr. 29 und 30 unterschiedlich konzipiert: So setzt die Angabepflicht nach Nr. 30 – anders als die nach Nr. 29 – tatbestandlich voraus, dass "latente Steuerschulden in der Bilanz angesetzt werden" (Herv.d. d.Verf.).

Zu konzedieren ist indes, dass nachgerade bei Existenz eines Aktivsaldos, der aktiviert und netto ausgewiesen wird, für die Abschlussadressaten die Information über Bestand und Veränderung latenter Steuern verlustig geht. Dieses Defizit gründet indes nicht in Nr. 30, sondern in der Eröffnung eines Aktivierungswahlrechts für latente Steuern.

(5) Eine Angabepflicht best...

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