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Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Die Regelung der faktischen UN-Verbindung in den §§ 311ff. AktG stieß zunächst in der Gesellschaftsrechtswissenschaft auf breite Ablehnung (vgl. Mestmäcker, in: FS Kronstein (1967), S. 129 (145ff.); AktG-GroßKomm. (1975), Vorbemerkungen zu §§ 311–318, Rn. 2; Kronstein, in: FS Geßler (1971), S. 219 (229ff.); Martens, DB 1970, S. 865; Zöllner, in: GS Knobbe-Keuk (1997), S. 369 (371); KK-AktG (2004), § 312, Rn. 4f.; Grossfeld (1968), S. 218ff.; Schmidt (2002), S. 958; Schmidt, ZGR 1981, S. 455ff.; positive Stellungnahmen finden sich bei Küting, ZfB 1975, S. 473; Walther, ZGR 1974, S. 208ff.). Die Kritik wurde z. T. durch die Interpretationsschwierigkeiten, die der Gesetzgeber aufgrund des Kompromiss­charakters der Regelung in Kauf genommen hatte, geradezu provoziert. So kann es nicht überzeugen, dass bereits die Grundsatzfrage, ob die faktische UN-Verbindung überhaupt zulässig ist und welche Form und Intensität der Leitungsmacht in ihr ausgeübt werden darf, durch die Regelung nicht eindeutig geklärt ist. Hinzu kommt die fehlende Effizienz des Schutzes der abhängigen Gesellschaft durch Abhängigkeitsbericht und Sonderprüfung, die schließlich zur Reform des § 315 AktG i. R.d. KonTraG geführt hat. Trotz dieser Nachbesserung weist der Schutz bis heute Lücken auf. Nach wie vor sind die Möglichkeiten zur Durchsetzung einer Sonderprüfung unzureichend, wenn nicht AP, AR oder Vorstand selbst Mängel des Abhängigkeitsberichts signalisiert haben (vgl. Zöllner, in: GS Knobbe-Keuk (1997), S. 369 (371)).

 

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Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Heute lässt sich demgegenüber feststellen, dass mit dem Grundgedanken des "Minderheiten- und Kap.-Anlegerschutzes durch Information" (Publizitätsfunktion) für diesen Grenzbereich zwischen Gesellschafts- und Kap.-Marktrecht ein überzeugender Weg gewählt wurde. Er ist vom Gesetzgeber in anderen Bereichen des Kap.-Marktrechts, etwa bei der Regelung des alten BörsG, immer wieder aufgegriffen worden (vgl. dazu Henssler, ZHR 1989, S. 611) und bildet einen zentralen Baustein des europäischen Kap.-Marktrechts. Die heute ganz herrschende Billigung des gesetzlichen Regelungsansatzes (vgl. Altmeppen, in: FS Priester (2007), S. 1f.; BeckOGK-AktG (2022), § 311, Rn. 18f.; Altmeppen (2007), S. 1051ff.; Decher, ZHR 2007, S. 126 (128ff.); Habersack, in: FS Peltzer (2001), S. 139 (141f.); Habersack, AG 2016, S. 691 (694); Hommelhoff (1992), S. 19ff.; kritisch demgegenüber aus jüngerer Zeit Kalss, ZHR 2007, S. 146 (172ff.), sowie im Lichte des Umgangs mit "related party"-Transaktionen: Tröger/Roth/Strenger, BB 2018, S. 2946 (2950, 2952)) überzeugt auch deshalb, weil es der Rspr. gelungen ist, die spezifischen Schutzlücken zu schließen, die in engen faktischen UN-Verbindungen trotz der Regelung in den §§ 311ff. AktG verblieben waren. Allerdings ist in jüngerer Zeit eine allg. Aufweichung des den §§ 311ff. AktG zugrunde liegenden Trennungsprinzips zu beobachten. UN-Verbindungen werden, unabhängig von den Grenzen des herkömmlichen Konzernbegriffs, als Einheit betrachtet, bei der MU für ihre TU in Verantwortung genommen werden. Die Auswirkungen dieser Entwicklung auf das aktiengesetzliche Konzernrecht sind bislang noch offen (vgl. allg. dazu Poelzig (2018), S. 83ff.; zur Verantwortlichkeit in Lieferketten Habersack/Ehrl, AcP 219, S. 155ff.).

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