Rn. 16

Stand: EL 23 – ET: 07/2016

Die besonderen Bewertungsvereinfachungsverfahren des § 256 sind einerseits praktikable Methoden, um AK bzw. HK zu ermitteln, die den (nicht feststellbaren, vgl. HdR-E, HGB § 256, Rn. 11) tatsächlichen Kosten möglichst nahekommen. In Abweichung von der Durchschnittsmethode, der eine sehr starke Pauschalierung zugrunde liegt, geben die Verbrauchsfolgeverfahren außerdem die Möglichkeit, die Bewertung mehr an die besonderen Verhältnisse des UN anzupassen.

 

Rn. 17

Stand: EL 23 – ET: 07/2016

Die Bedeutung der Verbrauchsfolgeverfahren geht aber weit über die Bewertungsvereinfachung hinaus. Dies gilt insbes. für die Lifo-Methode, bei der es sich um die klassische Methode zur Vermeidung von Scheingewinnen und ebenso von Scheinverlusten handelt. Sie dient gleichermaßen der Substanzerhaltung als auch – im StR – der Verhinderung der Scheingewinnbesteuerung. Bei Vorräten, deren Preise nach oben wie nach unten stark schwanken, führt die Lifo-Methode zur Bilanzberuhigung und Kontinuität und damit zur wirklichkeitsnahen Darstellung der Ertragslage ohne Auswirkung von unrealisierten Sondereffekten; anderenfalls müssten abwechselnd Scheingewinne oder Scheinverluste ausgewiesen werden. Bei steigenden Preisen führt die Lifo-Methode zur Bildung von stillen Reserven, die die Wiederbeschaffung sicherstellen und systembedingt sind. Diese sind aber bei Realisierung oder spätestens bei der Liquidation des Unternehmens aufzulösen.

 

Rn. 18

Stand: EL 23 – ET: 07/2016

Siegel (T. 1991, S. 1941), Bareis (H-P. u. a. 1993, S. 1249) und Schneider D./Siegel, T. (1995, S. 261) lehnen die Substanzerhaltung als Zielsetzung der Lifo-Methode ab, zumal gem. Schneider/Siegel die Lifo-Methode ohnehin nur unter bestimmten (aber praxisrelevanten) Prämissen die Scheingewinnvermeidung und damit die Substanzerhaltung ermöglicht. Der BFH (Urt. v. 20.06.2000, BStBl. II 2001, S. 636 ff.) sieht bei § 256 HGB und damit insbes. bei der stl. Regelung der Lifo-Methode in § 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG ebenfalls keine Anhaltspunkte für eine Scheingewinnvermeidung als Regelungszweck, obwohl in der Gesetzesbegründung zu § 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG an mehreren Stellen ausdrücklich darauf hingewiesen wird (vgl. Moxter, A. 2001, S. 157; Mayer-Wegelin, E. 2001, S. 554; Kessler, M./Suchan, S. 2003, S. 345; so jetzt auch Herzig, N. 2014, S. 1756 sowie BMF 2015, S. 462 f.). Hier liegt offenbar ein Missverständnis vor. Richtig ist zwar, dass der Gesetzgeber durch die Zulassung der Lifo-Methode im StR ab 1990 nicht die handelsrechtl. Zielsetzung des § 256 ändern konnte. Insofern gehen Überlegungen, die stl. Neuregelung zum Anlass für eine Anpassung der GoB an eine geänderte Zielsetzung bzw. für eine Weiterentwicklung der GoB zu nehmen (vgl. Herzig, N./Gasper, R. 1991, S. 557; überdies Herzig, N. 2014, S. 1756), fehl (hiergegen auch Schneider, D./Siegel, T. 1995, S. 264; Drüen, K.-D./Mundfortz, J. 2014, S. 2245). Die Scheingewinnvermeidung war aber schon nach § 155 Abs. 1 Satz 3 AktG 1965 wenn auch nicht die eigentliche Zielsetzung, so doch ein durchaus erkannter und für die Praxis akzeptierter (Neben-)Effekt der Lifo-Methode (vgl. Kropff, B. 1966, S. 369; ADS 1968, § 155 AktG, Rn. 89 f.; ADS 1995, § 256, Rn. 8). Dieser Aspekt ist vom Steuergesetzgeber aufgegriffen und für das StR als erwünscht übernommen worden (nachdem der entspr. Effekt vorher über die Preissteigerungsrücklage erzielt werden konnte). Die Lifo-Methode bewirkt Substanzerhaltung nicht durch dauerhafte Vermeidung von Scheingewinnen, sondern mildert die Auswirkungen eines Substanzverzehrs durch Verschiebung des Gewinnausweises in die Zukunft (vgl. Mayer-Wegelin, E. 1982, S. 2052). Sie ist daher ebenso mit dem Nominalwertprinzip vereinbar wie die frühere Preissteigerungsrücklage (vgl. BVerfG-Urt. v. 19.12.1978, BStBl. II 1979, S. 318) und hat auch nicht Subventionscharakter (vgl. ebenso Claassen, F./Sprey, R. 1993, S. 498; Herzig, N. 1993, S. 1252; a. A. Siegel, T. 1991, S. 1942; differenzierter Schneider, D. 1996, S. 145). Im Übrigen ist § 256 mit der Pflicht zur Offenlegung der Unterschiedsbeträge im Anh. nach § 284 Abs. 2 Nr. 3 zusammen zu sehen, was auch zeigt, dass der Gesetzgeber die Bildung stiller Reserven (und damit den Substanzerhaltungseffekt) durchaus berücksichtigt hat.

 

Rn. 19

Stand: EL 23 – ET: 07/2016

In der früheren Praxis war die Lifo-Methode nur dort allg. üblich, wo Vorräte mit stark schwankenden Preisen einen erheblichen Umfang hatten, z. B. bei Edelmetall oder Nicht-Edelmetall verarbeitenden UN. Der Grund lag darin, dass die allg. Preisentwicklung in der Vergangenheit meist schleichend, aber nicht sprungartig verlief und dass die steuerrechtl. Anerkennung regelmäßig versagt blieb. Mit ihrer allg. gesetzl. Zulassung in § 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG seit 1990 hat die Lifo-Methode erhebliche praktische Bedeutung erlangt. Insofern traten bei der stl. Anwendung offene Fragen auf, die auch die handelsrechtl. Ausgestaltung betreffen. Diese können aber nur auf Basis der handelsrechtl. Möglichkei...

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