Rn. 12

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Das beherrschende UN muss die abhängige AG, KGaA oder SE aufgrund seines faktischen Einflusses zu einer nachteiligen Maßnahme oder einem nachteiligen Rechtsgeschäft veranlasst haben. Da in der abhängigen Gesellschaft aufgrund der Machtstellung des MU keine autonome Willensbildung erfolgt, genügt jede – auch nur mittelbare – Form der Einflussnahme. Weder ist erforderlich, dass der Mehrheitsgesellschafter eine konkrete Weisung erteilt, noch, dass die Einwirkung auf die Willensbildung der abhängigen Gesellschaft eine bestimmte Nachdrücklichkeit erreicht hat (heute ganz h. M.; vgl. LG Köln, Urteil vom 23.11.2007, 82 O 214/06, AG 2008, S. 327 (331); ADS (1997), § 311 AktG, Rn. 28; KK-AktG (2004), § 311, Rn. 3; Hüffer-AktG (2022), § 311, Rn. 13; KonzernR (2022), § 311 AktG, Rn. 23). Allein der Wunsch, ein Rat, eine Empfehlung oder Anregung genügen angesichts der unselbständigen Position der Entscheidungsträger der abhängigen Gesellschaft. Konkrete Einzeldirektiven werden ebenso erfasst wie allg. Verhaltensregeln, Richtlinien oder konzerneinheitliche Standards (vgl. KK-AktG (2004), § 311, Rn. 16; AktG-GroßKomm. (1975), § 311, Rn. 4; HB-GesR (2020/IV), § 70, Rn. 77). Der Begriff der Veranlassung deckt sich inhaltlich mit demjenigen der Weisung in § 308 AktG, unterscheidet sich von den dort erfassten Konstellationen jedoch dadurch, dass der herrschenden Gesellschaft im Bereich des § 311 AktG kein (vertragliches) Weisungsrecht zusteht (vgl. so zutreffend KonzernR (2022), § 311 AktG, Rn. 23; BeckOGK-AktG (2022), § 311, Rn. 74). Die unterschiedliche Terminologie ist hierauf zurückzuführen. Da § 311 AktG nur die spezifischen Gefahren der faktischen UN-Verbindung erfassen will, muss zwischen dem faktischen Einfluss und dem Verhalten der abhängigen Gesellschaft aufgrund der Veranlassung ein Ursachenzusammenhang bestehen.

 

Rn. 13

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Handelt es sich bei dem herrschenden UN um eine KöR oder AöR, ist eine Veranlassung nur anzunehmen, wenn sie von der beteiligungsverwaltenden Stelle oder einer ihr nachgeordneten Behörde ausgeht (vgl. so OLG Köln, Urteil vom 27.04.2006, 18 U 90/05, NZG 2006, S. 547 (549); KK-AktG (2004), § 311, Rn. 18). Bei rein hoheitlicher Tätigkeit des herrschenden öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers findet § 311 AktG keine Anwendung (vgl. OLG Köln, Urteil vom 27.04.2006, 18 U 90/05, NZG 2006, S. 547 (549); LG Bonn, Urteil vom 27.04.2005, 16 O 13/04, NZG 2005, S. 856 (857f.); KonzernR (2022), § 311 AktG, Rn. 22; Habersack, ZIP 2006, S. 1327 (1329); MünchKomm. AktG (2020), § 311, Rn. 136ff., m. w. N.; BeckOGK-AktG (2022), § 311, Rn. 76).

 

Rn. 14

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Die Veranlassung ist ein rein objektives Tatbestandsmerkmal. Subjektive Elemente – etwa in Form eines Veranlassungsbewusstseins der Organe des beherrschenden UN – sind nicht erforderlich (vgl. ebenso Hüffer-AktG (2022), § 311, Rn. 13; KK-AktG (2004), § 311, Rn. 5; KonzernR (2022), § 311 AktG, Rn. 24; missverständlich ADS (1997), § 311 AktG, Rn. 22, 28). Ausschlaggebend ist nach dem Schutzanliegen des § 311 AktG der objektivierte Empfängerhorizont der Entscheidungsträger in der abhängigen Gesellschaft. Subjektive Erfordernisse auf Seiten des herrschenden Unternehmers würden zu einer sachfremden Privilegierung unsensibler Unternehmer führen und dem Schutzbedürfnis der abhängigen Gesellschaft, ihrer Minderheitsgesellschafter und Gläubiger bei allen objektiv als Veranlassung zu verstehenden Maßnahmen keine Rechnung tragen. Konnte dagegen ein objektiver Betrachter erkennen, dass ein von der abhängigen Gesellschaft als Veranlassung interpretiertes Verhalten des MU ersichtlich mit keiner entsprechenden Erwartungshaltung verbunden war, so greift § 311 AktG nicht (vgl. KonzernR (2022), § 311 AktG, Rn. 24; Hüffer-AktG (2022), § 311, Rn. 13). Hier liegt ein Fehlverhalten der Organe der abhängigen Gesellschaft vor, das über interne Ausgleichspflichten sanktioniert ist. Bei der Veranlassung handelt es sich nicht um eine Willenserklärung im bürgerlich-rechtlichen Sinne (vgl. KK-AktG (2004), § 311, Rn. 8). Auch bei ohne Rechtsbindungswillen artikulierten Wünschen des herrschenden Unternehmers ist eine autonome Willensbildung in der abhängigen Gesellschaft nicht mehr sichergestellt. Anders als im Recht des Vertragskonzerns geht es im Bereich der §§ 311ff. AktG nicht um die nachteiligen Folgen einer Rechtsbindung der abhängigen Gesellschaft, sondern um den Ausgleich rein faktischer Einflussnahmen. Bei Willensmängeln des herrschenden UN bedarf es ebenfalls eines Nachteilsausgleichs, wenn die abhängige Gesellschaft bereits nachteilige Rechtsgeschäfte getätigt hat.

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