Rn. 286

Stand: EL 30 – ET: 5/2020

Bei einer absatzmarktorientierten Bewertung ist das Verfahren der verlustfreien Bewertung (auch als retrograde Bewertung bezeichnet) zugrunde zu legen. Nach diesem Verfahren hat eine Abschreibung auf einen VG des UV zu erfolgen, wenn die AHK den voraussichtlichen Veräußerungserlös abzgl. noch anfallender Aufwendungen übersteigen. Der jeweilige VG soll unter Berücksichtigung des Vorsichtsprinzips zum BilSt so weit abgewertet werden, dass nach dem BilSt eine verlustfreie Veräußerung möglich ist.

 

Rn. 287

Stand: EL 30 – ET: 5/2020

Bei der verlustfreien Bewertung von Fertigfabrikaten ist zur Bestimmung des beizulegenden Werts am BilSt nach dem folgenden Schema vorzugehen (vgl. auch Beck Bil-Komm. (2020), § 253 HGB, Rn. 521):

 

Vorsichtig geschätzter Verkaufserlös

./. Erlösschmälerungen

./. Verpackungs- und Frachtkosten

./. Sonstige Vertriebskosten

./. Allg. Verwaltungskosten

./. Kap.-Dienstkosten
 
= Beizulegender Wert  
   

Übersicht: Verlustfreie Bewertung

 

Rn. 288

Stand: EL 30 – ET: 5/2020

Zur Ermittlung des beizulegenden Werts am BilSt sind von dem vorsichtig geschätzten Verkaufserlös sämtliche bis zum Absatzzeitpunkt noch anfallenden Aufwendungen zu subtrahieren. Dabei sind die Verkaufserlöse als Nettogröße zu berücksichtigen, da die USt an das Finanzamt abzuführen ist und keinen Ertrag darstellt (vgl. ADS (1995), § 253, Rn. 526). Die Schätzung des Verkaufserlöses ist bei fest vereinbarten Entgelten (Auftragsfertigung) i. d. R. unproblematisch. Schwieriger stellt sich die Ermittlung dar, wenn eine Fertigung ohne konkreten Auftrag erfolgt. In diesem Fall sind die Verkaufserlöse zugrunde zu legen, die üblicherweise zu erzielen sind. Sofern bestimmten Produktgruppen aufgrund kundenspezifischer (z. B. Großhändler, Endkunde) oder geografischer Differenzierungen (z. B. Inland, Ausland) unterschiedliche Verkaufspreise zuzuordnen sind, ist ein Mischverkaufserlös zu kalkulieren.

 

Rn. 289

Stand: EL 30 – ET: 5/2020

Zu den Erlösschmälerungen zählen alle Arten von Preisnachlässen (z. B. Rabatte, Skonti, Sondernachlässe bei zweifelhafter Qualität), die sich dem zu bewertenden VG sachlich zuordnen lassen. Die noch anfallenden Verpackungs- und Frachtkosten sind vorsichtig zu schätzen. Zu den sonstigen Vertriebskosten gehören neben den Sonder-EK des Vertriebs (z. B. Vertreterprovisionen) auch anteilige Vertriebs-GK, soweit ein sachlicher Zusammenhang zur Veräußerung des jeweiligen VG besteht. Auch bei den noch anfallenden allg. Verwaltungskosten muss ein sachlicher Zusammenhang zum Veräußerungsobjekt vorhanden sein. Eine Verwaltungsgemeinkostenumlage wird bspw. i. d. R. nicht zulässig sein. Die Kap.-Dienstkosten umfassen schließlich die FK-Zinsen, die – soweit die Bestände erst einige Zeit nach dem BilSt veräußert werden – durch die Kap.-Bindung entstehen (vgl. ADS (1995), § 253, Rn. 526).

 

Rn. 290

Stand: EL 30 – ET: 5/2020

Die verlustfreie Bewertung verfolgt das Ziel, den VG am BilSt mit einem Wert auszuweisen, der künftige Verluste aus der Veräußerung des VG buchungstechnisch vorwegnimmt. In der Folgeperiode soll der Verkauf erfolgsneutral (d. h. verlustfrei) durchgeführt werden können. Allerdings darf das Prinzip kaufmännischer Vorsicht nicht dazu missbraucht werden, durch bewusste Unterbewertungen in einer Periode, Gewinne in eine andere Periode zu verschieben bzw. geplante Gewinne buchungstechnisch entstehen zu lassen. Daher darf z. B. der erwartete Veräußerungserlös bei der verlustfreien Bewertung nicht um einen "kalkulatorischen Gewinn" gemindert werden.

 

Rn. 291

Stand: EL 30 – ET: 5/2020

Die o. g. Anpassungen des vorsichtig geschätzten Verkaufserlöses bei Fertigerzeugnissen sind analog auf die absatzmarktorientierte Bewertung von Überbeständen an RHB und Wertpapieren anwendbar.

 

Rn. 292

Stand: EL 30 – ET: 5/2020

Sind hingegen unfertige Erzeugnisse (und Leistungen) verlustfrei zu bewerten, sind i. R.d. retrograden Bewertung neben den o. g. Anpassungen auch sämtliche Produktionskosten zu berücksichtigen, die erforderlich sind, um den betreffenden VG in einen verkaufsfähigen Zustand zu versetzen. Die dabei vorzunehmenden Schätzungen sind umso umfangreicher, je geringer der Grad der Fertigstellung ist. Wegen des erhöhten Schwierigkeitsgrads der Wertermittlung im Vergleich zur verlustfreien Bewertung von Fertigerzeugnissen kommt dem Grundsatz der Vorsicht v.a. bei der Schätzung der noch anfallenden Produktionskosten eine besondere Bedeutung zu (vgl. ADS (1995), § 253, Rn. 527f.). Auch hierbei dürfen – wie bei der Ermittlung der HK – keine kalkulatorischen Kosten berücksichtigt werden.

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