Rn. 25

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Bei der vor- bzw. nachverlegten (drei Monate vor oder zwei Monate nach dem BilSt) Stichtagsinventur wird das Mengengerüst nicht mehr in das Inventar des BilSt, sondern in ein besonderes Inventar aufgenommen. Die dort nach Art, Menge und Wert verzeichneten VG werden wertmäßig auf den BilSt fortgeschrieben bzw. zurückgerechnet. Im Gegensatz zu der unter § 240 Abs. 2 fallenden ausgeweiteten Stichtagsinventur, bei der es sich trotz des bis um zehn Tage abweichenden Aufnahmestichtags um eine Bestandsermittlung auf den BilSt handelt (vgl. Scherrer, DSWR 1995, S. 324), erfolgen Aufnahme und Bewertung (zunächst) zum Aufnahmestichtag. Die Bestandsaufnahme selbst erfolgt dabei wie bei der Stichtagsinventur durch Zählen, Messen oder Wiegen.

 

Rn. 26

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Zur Ermittlung des Wertansatzes, der in die auf den Schluss des GJ aufzustellende Bilanz einzustellen ist, ist jedoch nach § 241 Abs. 3 Nr. 2 die Anwendung eines den GoB entsprechenden Fortschreibungs- oder Rückrechnungsverfahrens erforderlich. Aus diesem Grund wird die vor- bzw. nachverlegte Stichtagsinventur auch als Inventur mit Wertfortschreibung bzw. Wertrückrechnung bezeichnet (vgl. MünchKomm. HGB (2020), § 241, Rn. 18; NWB HGB-Komm. (2022), § 241, Rn. 21ff.). Ziel dieses Verfahrens ist die ordnungsgemäße Bewertung des am BilSt vorhandenen Bestands. Bei diesen Fortschreibungs- bzw. Rückrechnungsverfahren handelt es sich um reine Wertrechnungen. "Es genügt – wie dies etwa bei Handelsbetrieben aufgrund der Umsätze und der daraus ableitbaren Einstandswerte möglich ist – eine allein wertmäßige Fortschreibung" (Beck Bil-Komm. (2022), § 241 HGB, Rn. 58). Unter Zugrundelegung von Verrechnungspreisen können derartige Wertrechnungen jedoch an eine Mengenrechnung angenähert werden (vgl. Frantz/Karsten, WPg 1962, S. 253 (261)). Durch diese Vorgehensweise ist es möglich, für diese Rechenschritte die Zahlen der Finanz- oder Betriebsbuchhaltung zu verwenden, wodurch die Bewertungsprobleme zum Abschlussstichtag und somit ein Nachteil des Verfahrens nachhaltig reduziert werden. Eine gesonderte Lagerbuchführung ist zur Anwendung des Verfahrens nicht erforderlich.

 

Rn. 27

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Die Wahl unterschiedlicher Inventurstichtage für verschiedene Beständegruppen wird als zulässig erachtet, sofern die übergeordneten Grundsätze beachtet werden (vgl. Frantz/Karsten, WPg 1962, S. 253 (261f.)).

 

Rn. 28

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Die Wertfortschreibung bzw. Wertrückrechnung ergibt sich demnach aus nachfolgendem Schema. Dabei sind Bestandsveränderungen belegmäßig nachzuhalten und gehören zu den aufbewahrungspflichtigen Inventurunterlagen.

Übersicht: Wertermittlung bei zeitverschobener Inventur

 

Rn. 29

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Grundlegend kann die Durchführung dieses Verfahrens in fünf Phasen unterteilt werden (vgl. Frantz/Karsten, WPg 1962, S. 253 (259); Gans/Quick, DStR 1995, S. 306f.; Quick (2000), S. 38ff.):

(1) Ermittlung der mengenmäßigen Inventurbestände auf den zeitlich verlagerten Inventurstichtag,
(2) Bewertung der Inventurbestände auf den Inventurstichtag,
(3) Abstimmung der Inventurbestände mit den Sollbeständen der Finanzbuchhaltung zum Inventurstichtag,
(4) wertmäßige Fortschreibung der Inventurwerte vom Inventurstichtag auf den BilSt sowie
(5) Überprüfung und Berichtigung der Bestandswerte zum BilSt.
 

Rn. 30

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Das besondere Inventar kann nicht nur durch eine körperliche Bestandsaufnahme nach § 240 Abs. 1f. ermittelt werden. Der Verweis auf Abs. 2 erlaubt als Grundlage auch eine permanente Inventur oder ein anderes, den GoB entsprechendes Fortschreibungsverfahren (vgl. Frantz/Karsten, WPg 1962, S. 253).

 

Rn. 31

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Zur Vereinfachung dieser Fortschreibung bzw. Rückrechnung bietet sich eine Zusammenfassung mehrerer VG zu einer einheitlich zu behandelnden Gruppe an. Diese gruppenweise Zusammenfassung sollte jedoch unter Beachtung der Kriterien, die für die Zulässigkeit der Gruppenbewertung erfüllt werden müssen, erfolgen. Auf diese Weise würde sichergestellt, dass durch die Erleichterung der Inventur keine Aufweichung der Anforderungen an die Gruppenbewertung erfolgt.

 

Rn. 32

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Die Wertfortschreibung bzw. -rückrechnung ist nicht zulässig für Bestände, bei denen durch Schwund, Verdunstung, Verderb, leichte Zerbrechlichkeit oder ähnliche Vorgänge unkontrollierbare Abgänge auftreten können, oder bei Beständen, die besonders wertvoll sind (vgl. R 5.3 Abs. 3 EStR (2012)). Dies gilt ebenfalls für solche aufgenommenen Bestände, die nicht eindeutig abgrenzbar sind (vgl. Lück, WISU 1985, S. 19 (21)). Ausgenommen von diesem Verbot sind solche Abgänge, die auf Grundlage von Erfahrungssätzen "schätzungsweise annähernd zutreffend berücksichtigt werden können" (R 5.3 Abs. 3 EStR (2012)).

Bestände, die fortwährend starken Preisschwankungen unterliegen, sollten nicht mittels dieses Verfahrens aufgenommen werden, da der vermeintlichen Inventurvereinfachung erhöhte Anstrengung...

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