Rn. 48

Stand: EL 40 – ET: 09/2023

Die speziell mit Zweckgesellschaften verfolgte Ausgliederung von VG (off-balance-sheet assets) und Schulden (off-balance-sheet debts) von einem MU (Initiator) auf die Zweckgesellschaft (sog. off-balance-sheet financing) ermöglichte es Ersterem vor dem BilMoG, sich von risikobehafteten Positionen durch solche gezielte Maßnahmen zu befreien und mangels regelmäßiger Qualifikation der Zweckgesellschaft als TU deren Einbezug in den Konsolidierungskreis (vgl. § 294 Abs. 1) zu vermeiden (vgl. Pellens et al. (2021), S. 155). Der daraus erwachsende Informationsmangel für den Adressatenkreis des KA stand im Widerspruch zu § 297 Abs. 2 Satz 2, der unter Berücksichtigung der GoB ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der VFE-Lage des Konzerns postuliert.

 

Rn. 49

Stand: EL 40 – ET: 09/2023

Seit dem BilMoG regelt § 290 ausschließlich das international gebräuchliche Konzept der möglichen Beherrschung (Control-Konzept) und dessen Erweiterung um den Risiken- und Chancen-Ansatz (risks and rewards approach). In der Praxis wurde das Konstrukt einer Zweckgesellschaft zumeist so ausgestaltet, dass die Kriterien des Control-Konzepts nicht erfüllt waren. Insbesondere wurde beim Control-Konzept die Einbeziehungspflicht in den Konsolidierungskreis dadurch vermieden, dass dem Initiator die Mehrheit der Stimmrechte (vgl. § 290 Abs. 2 Nr. 1) an der Zweckgesellschaft nicht zustehen. Ebenso existieren im Kontext von SPE weder ein Organbestimmungsrecht seitens des Initiators (vgl. § 290 Abs. 2 Nr. 2) noch der Abschluss eines aktienrechtlichen BHV i. S. d. § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG (vgl. § 290 Abs. 2 Nr. 3) zwischen Initiator und Zweckgesellschaft (vgl. Zoeger/Möller, KoR 2009, S. 309). Um eine weitestgehende Integration von Zweckgesellschaften in den Konsolidierungskreis verbindlich vorzusehen und damit einer Auslagerung von Risiken vorzubeugen, wurde § 290 Abs. 2 um ein viertes (Alternativ-)Kriterium erweitert (vgl. BT-Drs. 16/12407, S. 178). Insofern wird auf die Möglichkeit eines beherrschenden Einflusses nicht bei rechtlicher, sondern bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise abgestellt. Ein solcher ist demnach gemäß § 290 Abs. 2 Nr. 4 unwiderlegbar anzunehmen, wenn das MU (Initiator) bei wirtschaftlicher Betrachtung die Mehrheit der Risiken und Chancen einer Zweckgesellschaft trägt, die zur Erreichung eines eng begrenzten und genau definierten Ziels dieses MU dient. Als Chancen bzw. Nutzen des Initiators sind Gewinnausschüttungen bzw. -entnahmen, Gewinnchancen, Kostenreduktionen sowie Residualansprüche bei geplanten Restverteilungen oder bei Liquidation der Gesellschaft anzuführen. Risiken verkörpern Garantien für die minimale Ausstattung des EK, das den Gläubigern als Sicherheit dient sowie Garantien für die Werthaltigkeit des Vermögens (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 290 HGB, Rn. 75ff.).

 

Rn. 50

Stand: EL 40 – ET: 09/2023

Wie angeführt, ist ein beherrschender Einfluss gegeben, wenn das MU (Initiator) die Mehrheit der Risiken und Chancen der Zweckgesellschaft trägt. Bei ungleicher Verteilung der Risiken und Chancen ist vorrangig auf die Risiken abzustellen (vgl. BT-Drs. 16/12407, S. 179). Die wirtschaftliche Betrachtungsweise erfordert demzufolge für jeden Sachverhalt eine Einzelfallprüfung. Der deutsche Gesetzgeber erachtete dabei eine Anlehnung an IAS 27.13 (a. F.), welcher mittlerweile größtenteils durch IFRS 10 ersetzt wurde (vgl. IFRS 10.C8), sowie den daneben ehemals anwendbaren und ebenfalls durch IFRS 10 ersetzten Interpretationsstandard SIC-12 (vgl. IFRS 10.C9) für sinnvoll, wobei IFRS 10 nunmehr keine separaten, jedoch implizite Regelungen in IFRS 10.B8 und IFRS 10.B17 für Zweckgesellschaften bereithält (vgl. Coenenberg/Haller/Schultze (2021), S. 654). Gemäß SIC-12.10 ist dem Vorliegen insbesondere folgender Umstände eine indizielle Wirkung zur Identifikation einer Zweckgesellschaft mit daraus resultierender Konsolidierungspflicht beizumessen (vgl. BT-Drs. 16/12407, S. 179f.):

(1) Bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise wird die Geschäftstätigkeit der Zweckgesellschaft zugunsten der besonderen Geschäftsbedürfnisse eines anderen UN geführt;
(2) ein anderes UN kann durch seine Entscheidungsmacht die Mehrheit des Nutzens aus der Geschäftstätigkeit der Zweckgesellschaft ziehen oder hat diese Entscheidungsmacht auf mittelbarem Weg durch die Einrichtung eines "Autopilot"-Mechanismus;
(3) ein anderes UN besitzt das Recht, die Mehrheit des Nutzens aus der Zweckgesellschaft zu ziehen, weswegen es deshalb u. U. Risiken ausgesetzt ist, die mit der Geschäftstätigkeit der Zweckgesellschaft verbunden sind;
(4) ein anderes UN besitzt die Mehrheit der mit der Geschäftstätigkeit der Zweckgesellschaft verbundenen Residual- oder Eigentumsrisiken der Zweckgesellschaft oder es hält die Mehrheit der Vermögenswerte der Zweckgesellschaft, um hieraus Nutzen für seine eigene Geschäftstätigkeit zu ziehen.

Nachfolgend wird sich ausgewählten Erscheinungsformen von Zweckgesellschaften gewidmet (vgl. zu weiteren...

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