Rn. 28

Stand: EL 41 – ET: 12/2023

Da die Abgrenzung des Anschaffungsvorgangs maßgeblich den Umfang der möglichen Anschaffungsnebenkosten determiniert, soll zunächst der Frage nach den Begrenzungspunkten des Anschaffungsvorgangs nachgegangen werden. Als Beginn des Anschaffungsvorgangs sind sämtliche Tätigkeiten anzusehen, die auf die Beschaffung von Gegenständen gerichtet sind (vgl. Fülling (1976), S. 85). Diese Definition darf aber nicht dahingehend ausgeweitet bzw. verstanden werden, als letztlich infolge der Interdependenz einzelner unternehmerischer Tätigkeiten stets eine Verbindung zwischen jeder unternehmerischen Handlung und der Einleitung eines Beschaffungsvorgangs konstruiert werden könnte.

Der Beginn des Beschaffungsvorgangs lässt sich nach Wohlgemuth/Radde "mit der ersten Handlung zum Erwerb eines bestimmten, konkreten Gegenstands" (HdJ, Abt. I/4 (2021), Rn. 5) umschreiben. Hierzu zählen nicht die Aktivitäten, die zum Erkennen und Bewerten von Beschaffungsalternativen erforderlich sind (vgl. auch Staub: HGB (2021), § 255, Rn. 10: Kosten der Entscheidungsfindung). Diese Tätigkeiten sind zu allg. Art, als dass sie als Beginn eines Beschaffungsvorgangs zur Festlegung der AK für einen beschafften Gegenstand angesehen werden könnten. Bedeutung erlangt diese Unterscheidung z. B. bei Planungskosten. Diese zählen nicht mit zum Anschaffungsvorgang, wenn sie allg. Natur sind und der Ermittlung von Beschaffungsalternativen dienen. Demgegenüber können sie zu den Anschaffungsnebenkosten zählen, wenn sie nach der Entscheidung für eine bestimmte Beschaffungsalternative anfallen. Insbesondere durch die Zunahme an Beratungskosten im Zusammenhang mit dem Erwerb von UN bzw. UN-Teilen hat der Beginn des Anschaffungsvorgangs an Bedeutung gewonnen. Auch für diese Fälle ist jedoch der finale Sinnzusammenhang zu der Anschaffung eines konkreten UN oder einer Beteiligung von Bedeutung. I.d.S. sind sämtliche Ausgaben, die der Entscheidungsfindung dienen, als vor dem Beginn des Anschaffungsvorgangs verursacht, einzuordnen – erst die nach dem Kaufvertragsabschluss bewirkten Kosten können Anschaffungsnebenkosten des Erwerbs einer Beteiligung oder eines UN sein (vgl. Lohmann/von Goldacker/Achatz, BB 2008, S. 1592ff.). So auch der BFH, nach dem "Gutachtenkosten, die im Zusammenhang mit der Anschaffung von GmbH-Geschäftsanteilen anfallen, keine sofort abziehbaren Werbungskosten, sondern Anschaffungsnebenkosten sind, sofern sie nach einer grundsätzlich gefassten Erwerbsentscheidung entstehen und die Erstellung des Gutachtens nicht lediglich eine Maßnahme zur Vorbereitung einer noch unbestimmten, erst später zu treffenden Erwerbsentscheidung darstellt" (BFH, Urteil vom 27.03.2007, VIII R 62/05, BStBl. II 2010, S. 159). Ähnlich die Ansicht des IDW in Bezug auf die Kosten der Anbahnung der Anschaffung von Software, wonach sowohl Ausgaben zum Erkennen und Bewerten von Beschaffungsalternativen ebenso wenig Anschaffungsnebenkosten sein können, wie Ausgaben für vorbereitende Maßnahmen, wie z. B. allg. Organisationsberatung, Analyse und Optimierung der Geschäftsprozesse, Entwicklung von Grobkonzepten, Ableitung von Feinkonzepten, soweit hierdurch nicht bereits softwarebezogene Vorarbeiten geleistet werden, die unmittelbar in das anschließende Customizing und die Systeminstallation einfließen (vgl. IDW RS HFA 11 (2010), Rn. 25ff.).

 

Rn. 29

Stand: EL 41 – ET: 12/2023

Während der Beginn des Anschaffungsvorgangs relativ selten in der (Kommentar-)Literatur als Problemfeld diskutiert wird, ist der zweite Begrenzungspunkt – das Ende des Beschaffungsvorgangs – vielfach Gegenstand kontroverser Diskussionen.

Als Beendigung des Beschaffungsvorgangs lässt sich allg. der Zeitpunkt formulieren, an dem eine betriebliche Leistungsbereitschaft erreicht ist. Sobald der angeschaffte Gegenstand zu Tätigkeiten genutzt wird bzw. werden kann, die in einem überwiegenden Maß der eigentlichen betrieblichen Leistungserstellung dienen respektive als Leistungserstellung anzusehen sind (vgl. HdR-E, HGB § 255, Rn. 12), ist der Anschaffungsvorgang als beendet anzusehen. Sämtliche durch diese Tätigkeiten induzierten Aufwendungen können dann nicht mehr als Anschaffungsnebenkosten qualifiziert werden.

 

Rn. 30

Stand: EL 41 – ET: 12/2023

Bereits aus der Formulierung des § 255 Abs. 1 Satz 1 kann entnommen werden, dass nicht die tatsächliche Aufnahme der betrieblichen Leistungserstellung als Endpunkt des Anschaffungsvorgangs anzusehen ist, sondern vielmehr ein betriebsbereiter Zustand des betreffenden Gegenstands diesen Begrenzungszeitpunkt determiniert. Bedeutung erlangt diese Unterscheidung bspw. bei Testläufen. Die Möglichkeit, Testläufe durchzuführen, ist im Regelfall äußeres Anzeichen für eine prinzipielle Betriebsbereitschaft, auch wenn der Einsatz zur eigentlichen Leistungserstellung vom Ergebnis der Testläufe abhängig sein kann. Aus diesem Grund zählen Aufwendungen für Testläufe grds. nicht zu den Anschaffungsnebenkosten. Nur ausnahmsweise, wenn die Durchführung einer Vielzahl v...

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