Rn. 19

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Der JA ist gemäß § 256 Abs. 5 Nr. 1 AktG nichtig, wenn Posten des JA überbewertet sind. Eine Überbewertung liegt nach § 256 Abs. 5 Satz 2 AktG dann vor, wenn Aktivposten mit einem höheren Betrag bzw. Passivposten mit einem niedrigeren Betrag angesetzt sind, als dies nach den §§ 253 bis 256a zulässig ist.

Durch den Verweis auf die Vorschriften des HGB ergibt sich die Frage, wie Bewertungsverstöße zu behandeln sind, die nicht von den genannten Normen erfasst werden. Hierunter fallen insbesondere die allg. Bewertungsgrundsätze des § 252 und die sich aus den ungeschriebenen GoB ergebenden Bewertungsregeln sowie Verstöße gegen die Bilanzierungsge- und -verbote der §§ 246 Abs. 1, 248ff. Diese werden nach dem Wortlaut des Abs. 5 nicht in den Anwendungsbereich der Norm mit einbezogen. Wenn man jedoch auf den Sinn und Zweck der Vorschrift abstellt, dass der fehlerhafte Ausweis eines Bilanzpostens der Höhe nach erfasst werden soll, so müssen auch solche Verstöße unter die Regelung des § 256 Abs. 5 Nr. 1 AktG fallen (vgl. Bonner-HdR (1986), § 256 AktG, Rn. 21; WP-HB (2021), Rn. B 363ff.). Der Überbewertung werden unzulässige Aktivierungen und gesetzwidrig unterlassene Passivierungen gleichgesetzt (vgl. WP-HB (2021), Rn. B 365f.). Wenn eine in Anbetracht von Verlustrisiken notwendigerweise zu bildende Rückstellung nicht in die Bilanz eingestellt wird, entspricht dies einem zu niedrigen Wertansatz eines Passivpostens, es liegt dann ein Fall der Überbewertung i. S. d. Abs. 5 Nr. 1 vor (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 26.02.1988, 40 O 255/8, AG 1989, S. 140 (141f.); OLG Hamm, Urteil vom 17.04.1991, 8 U 173/90, AG 1992, S. 233f. (zur GmbH); LG Stuttgart, Urteil vom 11.04.1994, 6 KfH 0 269/93, AG 1994, S. 473f.). Gleiches gilt, wenn VG aktiviert und damit Gewinne realisiert werden, die so nicht oder noch nicht erzielt worden sind (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 26.02.1988, 40 O 255/80, AG 1989, S. 140 (141f.); LG Stuttgart, Urteil vom 11.04.1994, 6 KfH 0 269/93, AG 1994, S. 473f.).

 

Rn. 20

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Mit der Bezugnahme der Regelung des Abs. 5 Nr. 1 auf den überbewerteten Posten stellt sich die Frage, was unter Posten i. S. d. Vorschrift verstanden werden muss. Nach dem Grundsatz der Einzelbewertung ist der einzelne VG Gegenstand der Bewertung. Würde nun auf diesen bewertungsrechtlichen Grundsatz abgestellt, könnte man zu der Auffassung gelangen, dass Abs. 5 sich mit den Worten Über- oder Unterbewertung auf den einzelnen VG bezieht. Nachdem das Gesetz jedoch den Begriff "Posten" im Zusammenhang mit dem Gliederungsschema der Bilanz (vgl. § 266) benutzt, folgt daraus, dass unter einem Bilanzposten i. S. d. § 266 die Summe der Wertansätze der dem jeweiligen Bilanzposten zuzuordnenden Aktiva oder Passiva zu verstehen ist. Für die Feststellung einer fehlerhaften Bewertung i. S. d. Abs. 5 ist deshalb maßgebend, ob der durch den Bilanzposten ausgewiesene Betrag zu hoch oder zu niedrig ist. Auf die Richtigkeit der Bewertung eines einzelnen VG kommt es daher nicht direkt an (vgl. WP-HB (2021), Rn. B 371f.). Die Nichtigkeitsfolge des § 256 AktG greift deshalb auch in den Fällen nicht ein, in denen sich fehlerhafte Über- und Unterbewertungen einzelner Aktiva oder Passiva innerhalb eines Bilanzpostens gegenseitig ausgleichen (vgl. OLG Celle, Urteil vom 07.09.1983, 9 U 34/83, BB 1983, S. 2229 (2233)). Der Ausweis des Bilanzpostens ist dann ungeachtet der Fehlerhaftigkeit der Einzelbewertung seiner Höhe nach richtig dargestellt. Der betroffene JA bildet keine verfälschte Vermögenslage zum BilSt ab. Bei der Kompensation von Über- und Unterbewertungen müssen die jeweils zulässig bewerteten Aktiva und Passiva außer Betracht bleiben. Nur die gesetzlich unzulässigen Bewertungen können miteinander verrechnet werden (vgl. MünchKomm. AktG (2021), § 256, Rn. 57).

In diesem Zusammenhang ist jedoch darauf hinzuweisen, dass trotz Kompensation von Bewertungsfehlern innerhalb eines Bilanzpostens nicht gewährleistet ist, dass die Vermögens- und Ertragslage des betroffenen UN richtig dargestellt ist. Betreffen die fehlerhaften Bewertungen verschiedenartige VG innerhalb eines Bilanzpostens, so kann die Bewertung insbesondere dann zu einer Beeinträchtigung und fehlerhaften Darstellung führen, wenn die fehlerhaft bewerteten VG eine unterschiedliche Abnutzungsdauer aufweisen. Je nach Sachlage kann dies zu Ertragsmehrungen oder -minderungen führen, weil die in der GuV zu berücksichtigende AfA auf der Grundlage falscher Wertansätze ermittelt wurde. Sind z. B. im AV unter dem Bilanzposten des § 266 Abs. 2 A. II. 1. Grundstücke unterbewertet worden und ist der Bewertungsfehler durch eine Überbewertung der auf diesen (nicht abnutzbaren) Grundstücken stehenden Gebäude betragsmäßig kompensiert, führt dies durch die Berücksichtigung der (unzutreffend hohen) Gebäude-AfA dazu, dass der JA in der GuV einen geringeren Ertrag ausweist, als dies bei richtiger Beurteilung des Sachverhalts der Fall wäre. Die Anwendung der o. a. Grun...

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