Rn. 123

Stand: EL 00 – ET: 03/2004

Die Gesetzesbegründung zum KonTraG verdeutlicht den Willen des Gesetzgebers, dass die Bestimmung des Abs. 2 konzernweit zu verstehen ist: ›Bei Mutterunternehmen im Sinne des § 290 HGB ist die Überwachungs- und Organisationspflicht im Rahmen der bestehenden gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten konzernweit zu verstehen, sofern von Tochtergesellschaften den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen ausgehen können‹ (BT-Drucks. 13/9712, S. 15). Diese Formulierung deutet bereits darauf hin, dass eine konzernweite Verpflichtung zur Einrichtung eines Risikofrüherkennungssystems im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlicher Einheit und rechtlicher Vielfalt des Konzerns steht (vgl. auch Theisen, M. 1991, S. 262) und somit einer näheren Erläuterung bedarf. Auf die Formulierung des RefE wird verwiesen (vgl. HdR-E, AktG § 91, Rn. 60). Weitere Äußerungen des Gesetzgebers zu Anforderungen oder inhaltlichen Ausgestaltungen finden sich wie schon im Falle der Einzelgesellschaft nicht.

 

Rn. 124

Stand: EL 00 – ET: 03/2004

Dennoch sensibilisiert der Gesetzgeber durch seine Formulierung für die Tatsache, dass die dynamisch voranschreitende Konzernierung der Wirtschaft nicht nur Vorteile (vgl. etwa Küting, K. 1980, Theisen, M. 2000, S. 91 ff.), sondern möglicherweise auch bestandsgefährdende Risikopotenziale mit sich bringen kann. Schieflagen in großen deutschen Konzernen in den 90er Jahren belegen, warum der Gesetzgeber zu dieser Auffassung gelangt ist (vgl. für einen Überblick Schäfer, J. 2001, S. 20 ff.).

 

Rn. 125

Stand: EL 00 – ET: 03/2004

Die Verpflichtung zur rechtzeitigen Erfassung und Analyse der Risiken beschränkt sich aus Sicht der Konzernmutter auf die für sie bestandsgefährdenden Risiken. Im Vordergrund steht die individuelle Ermittlung von Risikopotenzialen und ihre Weiterleitung an den Vorstand. Bei divisionalisierter UN-Struktur bspw. ist abzuwägen, ob Risiken dezentral in den UN-Bereichen oder zentral zu erfassen sind. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Abstimmung zwischen UN-Bereichen, um bestandsgefährdende Akkumulationen und Interdependenzen rechtzeitig zu erfassen (vgl. Endres, M. 1999, S. 451 f.; vgl. zum Divisionalkonzern auch Bühner, in: Küting/Weber 1998, Rn. 964 f.). Aus Sicht der Konzernobergesellschaft ist hierbei entscheidend Vorsorge zu treffen, dass einzelne Risiken, die für sich genommen als nicht bestandsgefährdend eingestuft würden, im Zusammenspiel mit (nicht bestandsgefährdenden) Risiken anderer Konzerngesellschaften unter Going Concern-Gesichtspunkten eine bestandsgefährdende Relevanz entfalten können.

 

Rn. 126

Stand: EL 00 – ET: 03/2004

Neben diesen grundlegenden betriebswirtschaftlichen Ausgestaltungsfragen, auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden soll (vgl. etwa weiterführend Küting, K./Heiden, M. 2002, Sp. 297; Helmke, S./Risse, R. 1999; Lehner, U./Schmidt, M. 2000), sind auch juristische Fragestellungen zu erörtern. In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird vielfach implizit eine problemlose konzernweite Durchsetzung zur Erfüllung der aktienrechtlichen Verpflichtung entwickelter umfangreicher Risikostrategien unterstellt (vgl. etwa Hornung, K./Reichmann, T./Diedrichs, M. 1999).

 

Rn. 127

Stand: EL 00 – ET: 03/2004

Dabei werden jedoch zwei wesentliche Problemfelder regelmäßig außer Acht gelassen:

- unterschiedliche Ausgangskonstellation bei Vorliegen einer faktischen oder vertraglichen Konzernierung,
- Umfang der einzubeziehenden UN-Verbindungen.
 

Rn. 128

Stand: EL 00 – ET: 03/2004

Zunächst ist zu konstatieren, dass es sich bei vorliegender Fragestellung nicht um ein zusätzliches konzernspezifisches Rechtsproblem handelt, sondern eine Konkretisierung der Diskussion um die Konzernleitungsverpflichtung (vgl. auch Reuter, A. 1999, S. 2250 f.; Theisen, M. 1991, S. 265; Weber, C.-P. 1995, S. 74 ff. jeweils m. w. N.). Grds. hat die konzernweite Umsetzung der organisatorischen Anforderungen unter Berücksichtigung der Belange von Mutter- und Tochtergesellschaft zu erfolgen. Hierbei treffen einheitliche Leitung der Konzernobergesellschaft und rechtlich fundierte Leitungsautonomie der untergeordneten Gesellschaft regelmäßig aufeinander. Während der Vorstand der Muttergesellschaft Schaden von der Gesellschaft abzuwenden hat, der durch die Beteiligung an der Tochtergesellschaft resultieren könnte, hat die Geschäftsleitung der Tochtergesellschaft gleichermaßen ihre Leitungsverpflichtung zu erfüllen. Eine eigenständige Verpflichtung zur Risikofrüherkennung auf Seiten des Tochter-UN bleibt von der konzernweiten Ausgestaltung durch die Muttergesellschaft etwa in Form von Konzernrisikorichtlinien unberührt. Dennoch können diese Richtlinien für eigene Zwecke ausreichend sein, um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen. Eine konzernweit vernetzte AR-Arbeit erscheint in diesem Zusammenhang empfehlenswert (vgl. Hommelhoff, P. 1996; vgl. auch grundlegend zur AR-Arbeit im Konzern Scheffler, E. 1994; Scheffler, E. 2000).

 

Rn. 129

Stand: EL 00 – ET: 03/2004

In...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Bilanzierung HGB/EStG Kommentare Online. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen