Rn. 92

Stand: EL 27 – ET: 04/2018

§ 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 konkretisiert das sog. Selbstprüfungsverbot, wonach ein AP einen Sachverhalt nicht beurteilen darf, an dessen "Entstehung er selbst unmittelbar beteiligt und diese Beteiligung nicht von untergeordneter Bedeutung war" (§ 33 Abs. 1 BS WP/vBP) und enthält folglich eine kasuistisch-enumerative Aufzählung solcher Tätigkeiten, die unwiderlegbar zu einer Besorgnis der Befangenheit führen, wenn sie nicht von untergeordneter Bedeutung sind und sowohl während des zu prüfenden GJ als auch der AP (d. h. bis zur Erteilung des BV) erbracht werden. Ein WP/vBP ist folglich von der AP ausgeschlossen, wenn er oder eine Person, mit der er seinen Beruf gemeinsam ausübt, folgende Tätigkeiten in o. g. Zeitraum erbracht hat:

(1) Mitwirkung bei der Führung der Bücher oder der Aufstellung des zu prüfenden JA;
(2) Durchführung der internen Revision in verantwortlicher Position;
(3) Übernahme von Unternehmensleitungs- oder Finanzdienstleistungen;
(4) Erbringung eigenständiger versicherungsmathematischer oder Bewertungsleistungen, die sich auf den zu prüfenden JA nicht nur unwesentlich auswirken.

Ist die Beteiligung von nicht untergeordneter Bedeutung, so führt dies so einer unzulässigen Mitwirkung am Prüfungsgegenstand. Davon abzugrenzen sind solche Maßnahmen, die Bestandteil der Prüfungstätigkeit sind, wie bspw. die Pflicht des AP, auf festgestellte Beanstandungen oder Fehler hinzuweisen und damit seine Korrekturfunktion einzuhalten (vgl. mit Beispielen NWB HGB-Komm. (2018), § 319, Rn. 38ff.).

 

Rn. 93

Stand: EL 27 – ET: 04/2018

Um eine Umgehung dieser Vorschrift zu vermeiden, dürfen auch Unternehmen, bei denen der WP/vBP gesetzlicher Vertreter, AN, Mitglied des AR oder Gesellschafter ist, der mehr als 20 % der den Gesellschaftern zustehenden Stimmrechte besitzt, diese Leistungen nicht erbringen (vgl. § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3); Selbiges gilt für Ehegatten und Lebenspartner gemäß § 319 Abs. 3 Satz 2 sowie für Personen, mit denen der WP/vBP seinen Beruf gemeinsam ausübt (vgl. § 319 Abs. 3 Satz 1; zum Ausschlusstatbestand als KA-Prüfer und bei WPG HdR-E, HGB § 319, Rn. 95f.).

 

Rn. 94

Stand: EL 27 – ET: 04/2018

Abzugrenzen ist die unzulässige Mitwirkung stets von der zulässigen Beratung eines Unternehmens. So definierte bereits der BGH in seinem Urteil vom 21.04.1997 das Konzept der funktionalen Entscheidungszuständigkeit, wonach Beratung als die "Abgabe oder Erörterung von Empfehlungen durch sachverständige Personen im Hinblick auf künftige Entscheidungen des Ratsuchenden [verstanden wird, d. Verf.]; sie ist dadurch gekennzeichnet, dass Handlungsmöglichkeiten und ihre Konsequenzen aufgezeigt werden, während die Entscheidung selbst dem Beratenen vorbehalten bleibt" (BGH, Urteil vom 21.04.1997, II ZR 245/96, DB 1997, S. 1394 (1395)). Solange also der WP nur Handlungsalternativen aufzeigt, über die das zu prüfenden Unternehmen unternehmerisch letztlich selbst zu entscheiden hat, wird gegen die funktionale Entscheidungszuständigkeit des betreffenden Unternehmens nicht verstoßen. Zulässig ist ebenfalls, Maßnahmen zur Verbesserung bestehender Prozesse zu nennen, was wiederum nach § 321 Abs. 4 Satz 2 in Bezug auf das interne Überwachungssystem sogar gesetzlich gefordert ist. Mit Urteil vom 25.11.2002 (II ZR 49/01, NJW 2003, S. 970ff.) nahm der BGH erneut Bezug auf das Kriterium der funktional interpretierten Entscheidungszuständigkeit. In diesem Fall wurde eine WPG, die i. R.e. Verschmelzung das Verschmelzungswertgutachten erstellt und die Verschmelzungswertrelation ermittelt hatte, als AP der aus der Verschmelzung hervorgegangenen Gesellschaft bestellt. Eine Besorgnis der Befangenheit wurde aufgrund der Erstellung des Verschmelzungswertgutachtens nicht gesehen, da der Verschmelzungsprüfer das Gutachten nochmals geprüft hat. Jedoch kann nach Ansicht des BGH eine mögliche Besorgnis der Befangenheit entstehen, wenn sich der AP durch sein Verschmelzungswertgutachten seinem Prüfungsmandanten gegenüber schadenersatzpflichtig gemacht hat und folglich über bestimmte Risiken im JA ggf. nicht mehr unvoreingenommen berichtet (vgl. etwa BT-Drs. 15/3419, S. 39). Eine Schutzmaßnahme in Bezug auf dieses Risiko stellte freilich die Offenlegung des Sachverhalts gegenüber dem Aufsichtsorgan des betreffenden Unternehmens dar. Zu berücksichtigen ist ferner, dass eine gleichzeitige Prüfung und Beratung durchaus auch mit Informations- und Kostenvorteilen verbunden sein kann und insoweit die Qualität sowie die Effizienz der AP zu steigern vermag, zumal der AP auf diese Weise zusätzliche Einblicke in das zu prüfende Unternehmen gewinnt (vgl. ausführlich dazu Marten/Quick/Ruhnke (2015), S. 187ff.).

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