Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung der Ehelichkeit. Bestellung eines Ergänzungspflegers und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung. Ehelichkeitsanfechtung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gemäß § 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB erhält as Kind, das unter elterlicher Sorge steht, für diejenigen Angelegenheiten einen Pfleger, an deren Besorgung die Eltern verhindert sind.

2. Zur Entscheidung darüber, ob die Ehelichkeit eines Kindes angefochten werden soll, ist die elterliche Sorge gemäß § 1629 Abs. 2 Sätze 1 und 3, § 1796 Abs. 2 BGB aber auch dann für eine einzelne Angelegenheit zu entziehen und ein Pfleger gemäß § 1909 BGB zu bestellen, wenn im Einzelfall festgestellt ist, dass zwischen dem Kind und dem Personensorgeberechtigten ein erheblicher Interessengegensatz besteht.

3. Zur Frage des Beginns der Frist zur Anfechtung der Ehelichkeit.

 

Normenkette

BGB § 1596 Abs. 2, § 1597 Abs. 1, § 1629 Abs. 2, § 1796 Abs. 2, § 1909

 

Verfahrensgang

LG München II (Beschluss vom 28.12.1987; Aktenzeichen 6 T 2158/87)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluß des Landgerichts München II vom 28. Dezember 1987 aufgehoben. Die Sache wird zu anderer Behandlung und neuer Entscheidung an das Landgericht München II zurückverwiesen.

II. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 5.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

T. wurde am 6.6.1971 in Berlin geboren als Kind der Eheleute A.. Die Ehe der Eltern wurde im Jahr 1976 rechtskräftig geschieden. Die elterliche Sorge für das Kind wurde durch Beschluß des Amtsgerichts … vom 27.9.1978 auf die Mutter übertragen.

Diese hat als gesetzliche Vertreterin ihres Sohnes beantragt, ihm zur Durchführung der Anfechtung seiner Ehelichkeit einen Ergänzungspfleger zu bestellen, hilfsweise ihr die Genehmigung zu erteilen, im Namen des Kindes dessen Ehelichkeit anzufechten. Sie hat vorgetragen, ihr Sohn sei nicht das Kind des A., weil sie mit diesem seit 1969 keinen intimen Kontakt gehabt habe. Der Vater ihres Kindes sei der am 2.7.1985 verstorbene H.. Dieser habe am 26.6.1980 ein notarielles Vaterschaftsanerkenntnis abgegeben. Ihr Sohn habe erst im Jahr 1985 erfahren, daß A. nicht sein Vater sei.

Durch Beschluß vom 14.8.1987 hat das Amtsgericht – Vormundschaftsgericht – … den Antrag auf Bestellung eines Ergänzungspflegers zur Durchführung der Anfechtung der Ehelichkeit zurückgewiesen. Zugleich hat es den Antrag zurückgewiesen, der Mutter als gesetzlicher Vertreterin die Genehmigung zur Anfechtung der Ehelichkeit zu erteilen.

Gegen diesen Beschluß hat die Mutter Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat die Beschwerde durch Beschluß vom 28.12.1987 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die durch Anwaltsschriftsatz eingelegte weitere Beschwerde des Sohnes, gesetzlich vertreten durch seine Mutter. Er beantragt, den Beschluß des Landgerichts aufzuheben und ihm zur Durchführung seiner Ehelichkeitsanfechtung einen Pfleger zu bestellen, hilfsweise der Mutter die Genehmigung zu erteilen, im Namen ihres Sohnes die Ehelichkeit anzufechten.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig und begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Antrag der Mutter, einen Ergänzungspfleger zu bestellen, sei nicht begründet. Die Voraussetzungen für eine Ergänzungspflegschaft seien nicht gegeben. Weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen sei die Mutter verhindert, ihren Sohn im Verfahren über die Anfechtung der Ehelichkeit zu vertreten.

Auch die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung gemäß § 1597 Abs. 1 BGB sei vom Amtsgericht zu Recht verweigert worden. Die beabsichtigte Anfechtung der Ehelichkeit habe keine Aussicht auf Erfolg. Das Anfechtungsrecht gemäß § 1596 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 BGB stehe dem Kind nur innerhalb einer Frist von zwei Jahren zu. Die Frist beginne mit dem Zeitpunkt, in dem das Kind von Umständen, die für seine Nichtehelichkeit sprechen, sowie von dem Sachverhalt Kenntnis erlange, der nach § 1596 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 BGB Voraussetzung für die Anfechtung der Ehelichkeit sei. Weil das Kind noch minderjährig sei, komme es nicht auf seine Kenntnis an, sondern auf die seines gesetzlichen Vertreters. Die Frist, innerhalb welcher die Mutter die Ehelichkeit hätte anfechten können, sei nach ihrem eigenen Vorbringen bereits verstrichen. Das Kind sei bis zur Volljährigkeit als ehelich anzusehen. Danach könne es seine Ehelichkeit selbst anfechten.

Eine persönliche Anhörung der Mutter sei nicht geboten, weil nur eine Rechtsfrage zu beurteilen sei.

2. Diese Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung gemäß § 27 FGG, § 550 ZPO nicht stand, weil es das Landgericht unterlassen hat, die Beteiligten anzuhören (§§ 50 a, 50 b FGG; § 48 a Abs. 1 Nr. 1 JWG) sowie alle für die Entscheidung wesentlichen Umstände aufzuklären (§ 12 FGG) und zu würdigen (§ 25 FGG).

a) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, daß die Mutter zur Beschwerde berechtigt ist. Als Inhaberin der elterlichen Sorge steht ihr die Beschwerdeberechtigung namens ihres Sohnes gemäß § 20 Abs. 1 FGG zu (vgl. Ja...

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