Leitsatz (amtlich)
Zur Zulässigkeit einer Feststellungsklage, mit der der Verbraucher nach Widerruf seiner auf Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung die Umwandlung des Verbraucherdarlehensvertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis geltend macht.
Zu den Anforderungen des Deutlichkeitsgebots an die bei Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags als eines Fernabsatzvertrags erteilte Widerrufsbelehrung.
Normenkette
ZPO § 256 Abs. 1; BGB § 495 Abs. 1, §§ 355, 312d Fassung: 2010-06-10
Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Urteil vom 14.04.2015; Aktenzeichen 6 U 66/14) |
LG Stuttgart (Urteil vom 28.03.2014; Aktenzeichen 8 O 545/13) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des OLG Stuttgart vom 14.4.2015 wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussrevision der Kläger wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das vorbezeichnete Urteil im Kostenpunkt aufgehoben, soweit das Berufungsgericht über die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz erkannt hat.
Das Urteil der 8. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 28.3.2014 wird dahin abgeändert, dass die Kläger als Gesamtschuldner 81 % und die Beklagte 19 % der Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Kläger verlangen die Feststellung, zwei Verbraucherdarlehensverträge seien aufgrund des von ihnen erklärten Widerrufs "beendet worden". Die Beklagte macht im Wege der Hilfswiderklage für den Fall des Erfolgs der Feststellungsklage die Rückzahlung eines Teils der Darlehensvaluta geltend.
Rz. 2
Die Kläger schlossen mit der Beklagten am 9.9.2009 und am 11.9.2009 im Wege des Fernabsatzes zwei Verbraucherdarlehensverträge über jeweils 100.000 EUR. Die Beklagte belehrte die Kläger über ihr Widerrufsrecht wie folgt:
Rz. 3
Am 16.4.2013 widerriefen die Kläger ihre auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen.
Rz. 4
Das LG hat der Feststellungsklage stattgegeben, die Klage auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten abgewiesen und auf die Hilfswiderklage die Kläger als Gesamtschuldner zur Zahlung der bisher noch nicht getilgten Darlehensvaluta - 183.799,14 EUR - verurteilt. Die Berufung der Beklagten, mit der sie das landgerichtliche Urteil angegriffen hat, soweit das LG zu ihrem Nachteil erkannt hat, hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Zugleich hat es die Kostenentscheidung des LG dahin abgeändert, von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz trügen der Kläger 86 % und die Beklagte 14 %. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren auf vollständige Abweisung der Klage weiter. Die Kläger erstreben mit der Anschlussrevision eine Änderung der ihnen nachteiligen Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz.
Entscheidungsgründe
A. Revision der Beklagten
Rz. 5
Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 7
Die Feststellungsklage der Kläger sei zulässig. Insbesondere verfügten die Kläger über das erforderliche Feststellungsinteresse. Eine "Verrechnung der wechselseitigen Ansprüche der Parteien" ergebe keinen Saldo zugunsten der Kläger, so dass ihnen eine Leistungsklage verschlossen sei. Im Übrigen sei im konkreten Fall zu erwarten, dass "bereits ein Feststellungsurteil zur endgültigen Streitbeilegung" führe.
Rz. 8
Den Klägern habe das Recht zugestanden, ihre auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen nach den für Verbraucherdarlehensverträge geltenden Regelungen zu widerrufen. Die Frist, innerhalb derer der Widerruf zu erklären gewesen sei, sei am 16.4.2013 auch noch nicht abgelaufen gewesen, weil die Beklagte die Kläger unzureichend über den Beginn der Widerrufsfrist unterrichtet habe. Die Beklagte habe den unzutreffenden Eindruck erweckt, soweit es für das Anlaufen der Frist auf den Vertragsschluss ankomme, sei der Tag, in den dieses Ereignis falle, bei der Fristberechnung mitzurechnen. Dies habe den für Fernabsatzverträge geltenden Vorgaben, die hier beachtlich gewesen seien, widersprochen. Auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung könne sich die Beklagte nicht berufen, da sie bei der Formulierung der Widerrufsbelehrungen vom Muster abgewichen sei. Ihr fortbestehendes Widerrufsrecht hätten die Kläger nicht rechtsmissbräuchlich ausgeübt.
II.
Rz. 9
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.
Rz. 10
1. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, die Feststellungsklage der Kläger sei zulässig.
Rz. 11
a) Grundsätzlich gilt allerdings, dass ein Kläger, der die Umwandlung eines Verbraucherdarlehensvertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis geltend macht, vorrangig mit der Leistungsklage auf der Grundlage der § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12.6.2014 geltenden Fassung (künftig: a.F.) i.V.m. §§ 346 ff. BGB gegen die Beklagte vorgehen muss. Ist dem Kläger eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar und erschöpft sie das Rechtsschutzziel, fehlt ihm, was auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (BGH, Urt. v. 1.7.2014 - XI ZR 247/12, WM 2014, 1621 Rz. 18; BGH, Urt. v. 8.7.1955 - I ZR 201/53, BGHZ 18, 98, 105 f.; v. 11.10.1989 - IVa ZR 208/87, WM 1990, 243), das Feststellungsinteresse, weil er im Sinne einer besseren Rechtsschutzmöglichkeit den Streitstoff in einem Prozess klären kann.
Rz. 12
So verhält es sich im Regelfall, wenn die Klage auf die Feststellung zielt, dass sich ein Verbraucherdarlehensvertrag mit den aus § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. §§ 346 ff. BGB resultierenden Rechtsfolgen in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt hat:
Rz. 13
Eine Leistungsklage ist dem Kläger möglich. Dass eine "Saldierung" der aus § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. §§ 346 ff. BGB resultierenden wechselseitigen Ansprüche regelmäßig nicht zu einem Überschuss zugunsten des Klägers führt, steht der Leistungsklage entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht entgegen. Wechselseitige Ansprüche nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. §§ 346 ff. BGB unterliegen keiner automatischen Verrechnung (BGH, Urt. v. 10.3.2009 - XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 Rz. 19 f., BGH v. 22.9.2015 - XI ZR 116/15, ZIP 2016, 109 Rz. 7; v. 12.1.2016 - XI ZR 366/15, WM 2016, 454 Rz. 16). Bis zur Aufrechnung hat der Kläger einen Zahlungsanspruch auf Rückgewähr der von ihm auf die Darlehensverträge erbrachten Leistungen, den er im Wege der Leistungsklage geltend machen kann.
Rz. 14
Eine Leistungsklage ist regelmäßig auch zumutbar. Dem Kläger ist die Ermittlung der von ihm erbrachten Leistungen, die er nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. §§ 346 ff. BGB zurückverlangen kann, ohne Weiteres möglich. Entsprechend haben die Kläger im Zusammenhang mit der Begründung der Anschlussrevision ihre auf beide Darlehensverträge erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen beziffert. Soweit ein Kläger daneben Nutzungsersatz auf von ihm erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen beansprucht, kann er sich auf die widerlegliche Vermutung berufen, die Beklagte habe, sofern zugunsten des Klägers spiegelbildlich § 497 Abs. 1 Satz 2 BGB in der zwischen dem 1.8.2002 und dem 10.6.2010 geltenden Fassung Anwendung findet, Nutzungen i.H.v. zweieinhalb Prozentpunkten über dem Basiszinssatz und sonst Nutzungen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gezogen (BGH, Urt. v. 12.7.2016 - XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 Rz. 58, zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ). Einer aufwendigen Vorbereitung einer bezifferten Zahlungsklage bedarf es daher nicht.
Rz. 15
Eine Leistungsklage erschöpft schließlich regelmäßig das Feststellungsziel. Wie der Senat mit Beschluss vom 12.1.2016 (XI ZR 366/15, WM 2016, 454 Rz. 5 ff.) entschieden hat, deckt sich das Begehren, die Umwandlung eines Verbraucherdarlehensvertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis feststellen zu lassen, in Fällen wie dem vorliegenden, dem kein verbundener Vertrag zugrunde liegt, wirtschaftlich mit dem Interesse an der Rückgewähr der auf den Verbraucherdarlehensvertrag erbrachten Leistungen. Nur auf den Austausch dieser Leistungen ist das Rückgewährschuldverhältnis gerichtet. Es unterscheidet sich darin maßgeblich vom Verbraucherdarlehensvertrag selbst, der als Dauerschuldverhältnis eine Vielzahl in die Zukunft gerichteter Pflichten statuiert, die durch den Austausch von Zahlungen nicht vollständig abgebildet werden können. Deshalb geht das Feststellungsinteresse des Klägers wirtschaftlich in einer auf § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. §§ 346 ff. BGB gestützten Leistungsklage vollständig auf. Darin liegt der maßgebliche Unterschied zu den Fallkonstellationen, die Gegenstand früherer Entscheidungen des Senats (BGH, Urt. v. 27.5.2008 - XI ZR 132/07, WM 2008, 1260 Rz. 48 f.; v. 15.12.2009 - XI ZR 110/09, WM 2010, 331 Rz. 10) und des XII. Zivilsenats auf dem Gebiet des gewerblichen Mietrechts (BGH, Urt. v. 7.5.2008 - XII ZR 69/06, BGHZ 176, 301 Rz. 37; v. 3.7.2002 - XII ZR 234/99, NJW-RR 2002, 1377, 1378) waren und in denen die dortigen Kläger die Feststellung des Fortbestands des Dauerschuldverhältnisses begehrten.
Rz. 16
b) Hier ist die Feststellungsklage allerdings abweichend von der Regel ausnahmsweise zulässig, weil im konkreten Fall gesichert ist, dass der Rechtsstreit die Meinungsverschiedenheiten der Parteien endgültig bereinigt (vgl. BGH, Urt. v. 27.6.1995 - XI ZR 8/94, BGHZ 130, 115, 119 f.; v. 30.4.1991 - XI ZR 223/90, WM 1991, 1115; v. 30.5.1995 - XI ZR 78/94, WM 1995, 1219, 1220, insoweit in BGHZ 130, 59 nicht abgedruckt; v. 5.12.1995 - XI ZR 70/95, WM 1996, 104). Die Beklagte hat mit ihrer Hilfswiderklage eine Abrechnung vorgenommen, gegen die die Kläger vor dem LG sachlich nichts erinnert haben. Damit ist zu erwarten, dass ein dem Feststellungsantrag rechtskräftig stattgebendes Erkenntnis zu einer endgültigen Klärung sämtlicher Streitpunkte führen wird.
Rz. 17
c) Da die Kläger, was ihrem Antrag durch Auslegung zu entnehmen ist, mit der Feststellung der Umwandlung der Verbraucherdarlehensverträge in Rückgewährschuldverhältnisse der Sache nach die Feststellung des Bestehens von Leistungspflichten nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. §§ 346 ff. BGB zum Gegenstand ihrer Feststellungsklage gemacht haben, ist sie auch nicht deshalb unzulässig, weil die Kläger die Wirksamkeit des Widerrufs als eine nicht feststellungsfähige bloße Vorfrage geklärt sehen wollten (vgl. dazu Senatsbeschlüsse v. 14.10.2008 - XI ZR 173/07, - XI ZR 248/07 und - XI ZR 260/07, juris).
Rz. 18
2. Ebenfalls im Ergebnis richtig hat das Berufungsgericht angenommen, die Beklagte habe die Kläger fehlerhaft über ihr Widerrufsrecht belehrt, so dass bei Erklärung des Widerrufs die Widerrufsfrist noch nicht abgelaufen gewesen sei.
Rz. 19
a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, den Klägern habe nach § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 BGB in der zwischen dem 8.12.2004 und dem 10.6.2010 geltenden Fassung (künftig: a.F.) und Art. 229 §§ 22 Abs. 2, 32 und 38 EGBGB ein Widerrufsrecht zugestanden, über das die Kläger gem. § 355 BGB a.F. und ergänzend nach den Vorgaben für Fernabsatzverträge zu belehren gewesen seien.
Rz. 20
b) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe den gesetzlichen Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung der Widerrufsbelehrungen nicht genügt, hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.
Rz. 21
aa) Freilich hat die Beklagte die Kläger entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts über die Voraussetzungen, von denen der Beginn der Widerrufsfrist abhing, richtig belehrt.
Rz. 22
(1) Die Widerrufsbelehrungen genügten § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. Anders als von der Revisionserwiderung eingewandt, machten sie schon durch den Zusatz "in Textform mitgeteilt wurden" am Ende der Auflistung nach den Worten "Die Frist beginnt einen Tag, nachdem Ihnen" deutlich, dass das Anlaufen der Widerrufsfrist die Erteilung auch der Widerrufsbelehrung in Textform voraussetzte. Im Übrigen ergab sich dies aus ihrer Verschriftlichung bei gleichzeitigem Verweis auf die Erteilung eines Exemplars "dieser Widerrufsbelehrung". Mit der Widerrufsbelehrung, die Gegenstand des von der Revisionserwiderung als Beleg für ihre Auffassung angeführten Urteils des VIII. Zivilsenats vom 9.12.2009 (VIII ZR 219/08, WM 2010, 721 Rz. 14) war, ist die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung nicht vergleichbar.
Rz. 23
(2) Außerdem teilten die Widerrufsbelehrungen die weiteren Bedingungen des § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. und des § 312d Abs. 2 und 5 Satz 2 BGB in der zwischen dem 4.8.2009 und dem 10.6.2010 geltenden Fassung (künftig: a.F.) für das Anlaufen der Widerrufsfrist hinreichend deutlich mit.
Rz. 24
Der Verweis auf § 312c Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB in der hier maßgeblichen, zwischen dem 8.12.2004 und dem 10.6.2010 geltenden Fassung (künftig: a.F.) und auf § 1 BGB-InfoV in der zwischen dem 8.12.2004 und dem 10.6.2010 geltenden Fassung (künftig: a.F.) umschrieb hinreichend deutlich die Voraussetzungen, von denen nach § 312d Abs. 2 und 5 Satz 2 BGB a.F. das Anlaufen der Widerrufsfrist außerdem abhängig war. Eine Verweisung auf eine konkret bezeichnete gesetzliche Vorschrift stellt, wenn der Gesetzestext - wie hier das Bürgerliche Gesetzbuch und die BGB-Informationspflichten-Verordnung - für jedermann ohne Weiteres zugänglich ist, keinen Verstoß gegen das Deutlichkeitsgebot dar, sondern dient im Gegenteil der Verständlichkeit, Übersichtlichkeit und Vollständigkeit der Belehrung (BGH, Urt. v. 22.11.2016 - XI ZR 434/15, Umdruck Rz. 19, zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ).
Rz. 25
Entgegen den Einwänden der Revisionserwiderung machten die von der Beklagten erteilten Widerrufsbelehrungen auch hinreichend klar, das Anlaufen der Widerrufsfrist hänge von der Mitteilung der Vertragsbedingungen einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach § 312c Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. in Textform ab. Insoweit genügten die Angaben in der Auflistung unter der Überschrift "Widerrufsrecht", das Anlaufen der Widerrufsfrist setze die Mitteilung einer Vertragsurkunde, des schriftlichen Darlehensantrags des Verbrauchers oder einer Abschrift der Vertragsurkunde oder des Darlehensantrags des Verbrauchers und der für den Vertrag geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Textform voraus. Damit waren die "Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen" i.S.d. § 312c Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. ausreichend bezeichnet.
Rz. 26
(3) Entgegen der von der Revisionserwiderung geteilten Rechtsmeinung des Berufungsgerichts verunklarte schließlich auch die Kombination des am Wortlaut des § 312d Abs. 2 BGB a.F. orientierten Zusatzes, die Frist beginne nicht "vor dem Tag des Abschlusses des Darlehensvertrags", mit der Einleitung "Die Frist beginnt einen Tag, nachdem ..." den Fristbeginn nicht. Auch in ihrer Kombination erweckten beide Angaben nicht den - unzutreffenden - Eindruck, im Falle der Abgabe und des Zugangs von Antrag und Annahme am selben, der Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen nachfolgenden Tag sei die Widerrufsfrist nicht nach § 187 Abs. 1 BGB, sondern nach § 187 Abs. 2 BGB zu berechnen (a.A. Buchmann, K&R 2008, 12, 14).
Rz. 27
bb) Überdies gaben die - nur in der Widerrufsbelehrung zum Darlehensvertrag Nr. vor die Unterschriftszeile der Darlehensnehmer gesetzten - Hinweise der Beklagten zum Widerrufsrecht mehrerer Darlehensnehmer und - unter der Unterschriftszeile - zu den Folgen des Widerrufs nur eines Darlehensnehmers die Rechtslage korrekt wieder (BGH, Urt. v. 11.10.2016 - XI ZR 482/15, WM 2016, 2295 Rz. 13 ff., zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ).
Rz. 28
cc) Indessen belehrte die Beklagte die Kläger, was der Senat nach den Grundsätzen der objektiven Auslegung selbst bestimmen kann (BGH, Urt. v. 12.7.2016 - XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 Rz. 15; v. 11.10.2016 - XI ZR 482/15, WM 2016, 2295 Rz. 12), undeutlich über die Rechtsfolgen des Widerrufs.
Rz. 29
(1) Weil die Verbraucherdarlehensverträge zwischen den Parteien als Fernabsatzverträge zustande kamen, traf die Beklagte trotz des Vorrangs des Widerrufsrechts nach § 495 Abs. 1 BGB vor dem Widerrufsrecht nach § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. gem. §§ 312d Abs. 2 und 5 Satz 2, 312c Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB a.F. und § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV a.F. die damals noch geltende fernabsatzrechtliche Verpflichtung, ihre Vertragspartner auch über die Rechtsfolgen des Widerrufs zu belehren. Dazu gehörten auch die - systematisch § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. zugehörigen - Modifikationen bei der Wertersatzpflicht nach § 312d Abs. 6 BGB a.F.
Rz. 30
(2) Hätte es die Beklagte - wie unter der Überschrift "Widerrufsfolgen" geschehen - dabei bewenden belassen, die Kläger über die Widerrufsfolgen in Übernahme der Wendungen der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der hier maßgeblichen, zwischen dem 4.8.2009 und dem 10.6.2010 geltenden Fassung (künftig: a.F.) zu unterrichten, hätte ihre Widerrufsbelehrung - anders als von der Revisionserwiderung behauptet - den gesetzlichen Vorgaben genügt. Dem mit Art. 3 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen vom 2.12.2004 (BGBl. I, 3102) so wie hier maßgeblich gefassten § 1 Abs. 4 Satz 2 BGB-InfoV a.F. war zu entnehmen, der Verordnungsgeber (vgl. BVerfGE 114, 196, 235 ff.; 303, 311 ff.) erachte die von ihm selbst und damit auf gleicher Rangstufe eingeführte Verpflichtung zur Belehrung über die Widerrufsfolgen als erfüllt, wenn der Unternehmer das Muster für die Widerrufsbelehrung gemäß der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV a.F. verwende. Ausweislich der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen (BT-Drucks. 15/2946, 27) sollte der in den Gestaltungshinweis (6) des Musters übernommene Satz "Dies kann dazu führen, dass Sie die vertraglichen Zahlungsverpflichtungen für den Zeitraum bis zum Widerruf gleichwohl erfüllen müssen" den Vorgaben des § 312d Abs. 6 BGB a.F. Rechnung tragen (vgl. Dörrie, ZBB 2005, 121, 133 f.; kritisch zu Gestaltungshinweis [6] Mohrhauser, Der Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher, 2006, S. 65 Fn. 285; Rott, BB 2005, 53, 57 f.). Entsprechend genügte der Unternehmer seinen Belehrungspflichten ohne Rücksicht auf das Eingreifen der Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung auch dann, wenn er zu den Widerrufsfolgen die Formulierungen des Musters übernahm (vgl. BGH v. 27.9.2016 - XI ZR 309/15, WM 2016, 2215 Rz. 9).
Rz. 31
(3) Die Beklagte hat aber, was die Revisionserwiderung richtig hervorhebt, durch den Zusatz nach der Überschrift "Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen und Entgelten bei Vertragsausführung vor Ablauf der Widerrufsfrist" die bis dahin klare Belehrung über die Widerrufsfolgen verunklart. Sie hat von den zwei Voraussetzungen, von denen nach § 312d Abs. 6 BGB a.F. die Verpflichtung zur Leistung von Wertersatz abhing, nur eine bezeichnet. Nach § 312d Abs. 6 BGB a.F. hatte der Verbraucher abweichend von § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. (dazu Greenwood, Der Verbraucherschutz beim Fernabsatz von Finanzdienstleistungen, 2013, S. 218; Knöfel, ZGS 2004, 182, 185; außerdem Hartmann, CR 2010, 371, 377) Wertersatz für die erbrachte (Finanz-) Dienstleistung nach den Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt nur zu leisten, wenn er vor Abgabe seiner Vertragserklärung auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden war und wenn er ausdrücklich zugestimmt hatte, dass der Unternehmer vor Ende der Widerrufsfrist mit der Ausführung der Dienstleistung beginne. Der Zusatz in der Widerrufsbelehrung der Beklagten erweckte demgegenüber den Eindruck, es genüge für die Wertersatzpflicht, wenn der Verbraucher ausdrücklich zustimme, dass die Beklagte "mit der Ausführung des Vertrags vor Ablauf der Widerrufsfrist" beginne. Der Zusatz war damit nicht nur unvollständig, sondern außerdem, weil er suggerierte, die Wertersatzpflicht hänge von geringeren Anforderungen ab als gesetzlich vorgesehen, zusätzlich geeignet, den Verbraucher von der Ausübung des Widerrufsrechts abzuhalten (vgl. BGH, Urt. v. 23.6.2009 - XI ZR 156/08, WM 2009, 1497 Rz. 17).
Rz. 32
c) Das Berufungsgericht hat entgegen den Angriffen der Revision treffend erkannt, dass sich die Beklagte auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung gem. § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der bis zum 10.6.2010 geltenden Fassung nicht berufen kann, weil sie in erheblicher Weise von dem Muster abgewichen ist (BGH, Urt. v. 12.7.2016 - XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 Rz. 22 ff.).
Rz. 33
d) Auf die Kausalität des Belehrungsfehlers für das Unterbleiben des Widerrufs kommt es nicht an. Entscheidend ist nur, ob die Belehrung durch ihre missverständliche Fassung objektiv geeignet ist, den Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten (BGH, Urt. v. 12.7.2016 - XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 Rz. 26; v. 11.10.2016 - XI ZR 482/15, WM 2016, 2295 Rz. 23).
Rz. 34
3. Die Erwägungen, die das Berufungsgericht zu einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts angestellt hat, sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Urt. v. 12.7.2016 - XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 Rz. 42 ff.).
B. Anschlussrevision der Kläger
Rz. 35
Die Anschlussrevision der Kläger, die sich gegen die vom Berufungsgericht getroffene Entscheidung über die Verteilung der Kosten der ersten Instanz richtet, hat teilweise Erfolg. Eine Anschließung, die sich allein auf den Kostenpunkt beschränkt, ist zwar nicht erforderlich, gleichwohl aber zulässig (vgl. BGH, Urt. v. 27.6.1955 - II ZR 232/54, BGHZ 17, 392, 397 f.; BFHE 102, 563, 566 f.). Sie führt hier zum einen - den Klägern günstig - zu einer Korrektur der Kostenquote gemäß dem Obsiegen und Unterliegen der Parteien. Dabei bemisst der Senat den Wert der Klage gemäß den Grundsätzen des Senatsbeschlusses vom 12.1.2016 (XI ZR 366/15, WM 2016, 454 Rz. 5 ff.) mit 42.546,60 EUR statt wie das Berufungsgericht mit 29.000 EUR. Da das LG die Kläger auf die Widerklage als Gesamtschuldner verurteilt hat, haften sie zum anderen gem. § 100 Abs. 4 Satz 1 ZPO auch für die Kostenerstattung als Gesamtschuldner (vgl. BAG, Urt. v. 10.5.2016 - 9 AZR 434/15, juris Rz. 48) und nicht nur - wie von der Anschlussrevision beantragt - nach Kopfteilen. Weil für die Korrektur der Kostenentscheidung das Verbot der Verschlechterung nicht gilt (BGH, Urt. v. 14.7.1981 - VI ZR 35/79, MDR 1981, 928), die in der gesamtschuldnerischen Haftung anstelle einer Haftung nach Kopfteilen liegt (vgl. BGH, Beschl. v. 27.1.2011 - V ZB 255/10, NJW-RR 2011, 588 Rz. 6), kann der Senat auf eine Haftung der Kläger nach § 100 Abs. 4 Satz 1 ZPO und nicht nur nach § 100 Abs. 1 ZPO erkennen.
Fundstellen
Haufe-Index 10643605 |
DB 2017, 6 |
NJW-RR 2017, 815 |
EWiR 2017, 449 |
JurBüro 2017, 388 |
WM 2017, 766 |
WuB 2017, 373 |
ZIP 2017, 761 |
JZ 2017, 384 |
JZ 2017, 386 |
MDR 2017, 587 |
VuR 2017, 315 |
MMR 2017, 752 |
ZBB 2017, 190 |