Entscheidungsstichwort (Thema)
Amtshaftungsanspruch. Haftbefehlsantrag mit lückenhaften Beweisergebnissen. Überprüfungsmöglichkeit formell rechtskräftiger Anordnung über Einsatz verdeckter technischer Mittel ohne Beschwerdeweg. Pflichtwidrige Beantragung verdeckter Abhörmaßnahmen als Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Geldentschädigung
Leitsatz (amtlich)
a) Zur Amtspflichtwidrigkeit eines Haftbefehlsantrags, wenn die Staatsanwaltschaft dem zuständigen Richter nicht alle für die Beurteilung des Tatverdachts des Beschuldigten erheblichen Beweisergebnisse vorlegt.
b) Eine auf Antrag der Polizei vom AG getroffene Anordnung über den Einsatz verdeckter technischer Mittel zur Datenerhebung in oder aus Wohnungen ist kein "Urteil in einer Rechtssache" i. S. d. § 839 Abs. 2 S. 1 BGB.
c) Eine auf Antrag der Polizei vom AG getroffene Anordnung über den Einsatz verdeckter technischer Mittel zur Datenerhebung in oder aus Wohnungen, die nicht nach ihrer Bekanntgabe an den Betroffenen im Beschwerdewege einer Sachprüfung unterworfen wurde, sondern (formell) rechtskräftig geworden ist, kann im Amtshaftungsprozess auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden.
d) Hat die Polizei pflichtwidrig die gerichtliche Anordnung von verdeckten Abhörmaßnahmen in oder aus einer Wohnung beantragt, ohne dass die polizeirechtlichen Voraussetzungen für einen solchen Eingriff gegeben sind, und führt sie anschließend solche Maßnahmen auf die Dauer von 20 Monaten durch, so kann eine schwer wiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen vorliegen, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert.
e) Die in einem Verfahren nach den Vorschriften der freiwilligen Gerichtsbarkeit getroffene Kostenentscheidung schließt nicht einen weiter gehenden materiellen Kostenersatzanspruch eines Beteiligten - etwa unter dem Gesichtspunkt eines Amtshaftungsanspruchs nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG - aus, soweit nicht die Frage einer solchen materiellen Kostenerstattungspflicht bereits Gegenstand der Prüfung des FGG-Gerichts war.
Normenkette
GG §§ 1-2; BGB § 839; PolG BW § 23 Abs. 2, 2 S. 1, § 31 Abs. 5; FGG § 13a Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des OLG Karlsruhe - 13. Zivilsenat in Freiburg - v. 11.12.2002 wird zurückgewiesen.
Das beklagte Land hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger zu 2 ist zusammen mit seiner Ehefrau Eigentümer des I. -Hofes in H., auf dem auch der Kläger zu 1, ihr Sohn, lebt. In der Zeit zwischen dem 7.1.1992 und dem 20.11.1995 kam es in H. zu Bränden, von denen neben vier weiteren Höfen vor allem auch der I. -Hof betroffen war. Am 27.11.1992, 14.1.1994 und 20.11.1995 wurde jedes Mal der Ökonomietrakt dieses Hofes zerstört, wodurch jew. Sachschäden in Millionenhöhe entstanden. In einem Zwischenbericht v. 21.7.1994 an die Staatsanwaltschaft F. vertrat die Kriminalpolizei die Auffassung, dass u. a. wegen "vorliegender Zeugenaussagen über den Brandverlauf" möglicherweise davon auszugehen sei, "dass der Brand von außen - und zwar an der Holzverschalung an der Gebäuderückseite - gelegt wurde". Am Ende des Zwischenberichts hieß es, tatsächliche Erkenntnisse, dass es sich um Eigenbrandstiftung handeln könnte, hätten sich nicht gewinnen lassen.
Nach dem weiteren Brand am 20.11.1995 richteten sich die Ermittlungen gegen den Kläger zu 1. Am 21.10.1997 beantragte die Staatsanwaltschaft F. gegen ihn auf der Grundlage des Berichts der Polizeidirektion F. v. 15.10.1997 den Erlass eines Haftbefehls wegen des Verdachts der schweren Brandstiftung in drei Fällen (27.11.1992, 14.1.1994 und 20.11.1995). Grundlage des Antrags war die These, dass die betreffenden Brände nicht von einem Außenstehenden gelegt worden sein könnten. Der mit dem Antrag vorgelegte Aktenauszug enthielt zwar auch den polizeilichen Zwischenbericht v. 21.7.1994, nicht jedoch die Protokolle über die Vernehmung der Feuerwehrleute zum Brand v. 14.1.1994. Das AG F. erließ am 27.10.1997 den Haftbefehl, und der Kläger zu 1 wurde am 5.11.1997 in Untersuchungshaft genommen. Seine Beschwerde blieb zunächst erfolglos. Auf die weitere Beschwerde hob das LG F. mit Abhilfebeschluss v. 16.12.1997 den Haftbefehl mit der Begründung auf, ungeachtet der weiterhin bestehenden Verdachtsmomente könne derzeit nicht mehr von einem dringenden Tatverdacht im Sinne einer hohen Wahrscheinlichkeit der Täterschaft des Klägers zu 1 ausgegangen werden, da die bisher nach Aktenlage gerechtfertigte Annahme, die dem Haftbefehl zu Grunde gelegten Brände könnten nur von einem Mitglied der den I. -Hof bewohnenden Familie der Kläger und damit nur von dem Kläger zu 1 gelegt worden sein, bei vorläufiger Bewertung durch die - der Beschwerdekammer erstmals im Abhilfeverfahren zugänglich gemachten - Angaben des Zeugen H. L. zum Brand v. 14.1.1994 erschüttert worden sei: In der betreffenden polizeilichen Vernehmung v. 19.1.1994 hatte der Feuerwehrmann L. einen ca. 30 cm breiten Spalt in der Holzverschalung der Westseite des Ökonomietraktes beschrieben, durch den er einen Feuerschein bemerkt habe; auf die Frage, ob er Gegenstände unterhalb der Öffnung habe wahrnehmen können, die als Aufstieghilfen hätten dienen können, hatte er ausgesagt, er habe in der Verlängerung des Kälberstalls zwei Zwillingsreifen vom Jauchefass an der Betonwand lehnend gesehen. Anlass für die polizeiliche Vernehmung des Zeugen L. war ein Aktenvermerk v. 18.1.1994 gewesen, in dem von einem Hinweis des Klägers zu 2 berichtet worden war, dass er eine Mitteilung des Feuerwehrmannes erhalten habe, diesem sei aufgefallen, dass im Bereich der vermuteten Brandausbruchstelle ein Brett der Außenverkleidung weggestanden habe. Die weitere Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den den Haftbefehl aufhebenden Beschluss des LG F. wurde vom OLG Karlsruhe als unbegründet verworfen.
Im Verlauf des Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger zu 1 ordnete das AG F. auf Antrag der Kriminalpolizei v. 19.3.1996 gem. § 23 PolG BW den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Erhebung personenbezogener Daten in der Wohnung des Klägers zu 2, befristet für drei Monate, an (Beschl. v. 21.3.1996) und verlängerte die Abhörmaßnahme antragsgemäß mehrfach, zuletzt durch Beschl. v. 19.9.1997. Nach dem Umzug des Klägers zu 1 aus dem elterlichen Haus in das Leibgedinghaus auf dem I. -Hof wurden auf Antrag der Kriminalpolizei am 21.3.1997, 20.6.1997 und 19.9.1997 auch für diese Wohnung entsprechende Abhörmaßnahmen angeordnet. Diese wurden am 24.11.1997 beendet und anschließend den Klägern bekannt gegeben. Auf die Beschwerden der Kläger stellte das LG F. - unter Verwerfung der Beschwerden gegen die Folgebeschlüsse als unzulässig - fest, dass die Beschlüsse des AG F. v. 21.3.1996 und 21.3.1997 betreffend die Anordnung von Maßnahmen gem. § 23 PolG rechtswidrig waren. Die hiergegen gerichteten weiteren Beschwerden wies das OLG Karlsruhe zurück.
Die Staatsanwaltschaft erhob 1998 Anklage gegen den Kläger zu 1u. a. wegen der ihm zur Last gelegten Brandstiftungen. Die Strafkammer lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens insoweit mangels hinreichenden Tatverdachts ab und ordnete an, dass der Kläger zu 1 für die erlittene Untersuchungshaft zu entschädigen sei.
Die Kläger nehmen das beklagte Land auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzungen der Staatsanwaltschaft bzw. der Kriminalpolizei im Zusammenhang mit der Erwirkung des Haftbefehls gegen den Kläger zu 1 und der Beantragung und Durchführung der Abhörmaßnahmen gegen beide Kläger in Anspruch. Der Kläger zu 1 begehrt als materiellen Ersatz die Bezahlung der ihm auf Grund einer Honorarvereinbarung berechneten Verteidigervergütungen abzgl. der von der Staatskasse erstatteten Kosten. Beide Kläger verlangen Ersatz ihrer immateriellen Schäden wegen der Abhörmaßnahmen, der Kläger zu 1 darüber hinaus wegen rechtswidriger Freiheitsentziehung (Untersuchungshaft v. 5.11.bis 16.12.1997).
LG und OLG haben die Klageansprüche dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision erstrebt das beklagte Land weiterhin die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist mangels einer eindeutigen Einschränkung des Ausspruchs des Berufungsgerichts über die Zulassung als unbeschränkt zugelassen zu behandeln.
Sie ist jedoch unbegründet.
I.
Die Verfahrensrüge, das Berufungsgericht hätte kein Grundurteil (§ 304 ZPO) erlassen dürfen, erachtet der Senat für nicht durchgreifend; er sieht insofern von einer Begründung ab (§ 564 ZPO).
II.
Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht eine (schuldhafte) Amtspflichtverletzung der Ermittlungsbeamten des beklagten Landes - sei es des ermittelnden Staatsanwalts, sei es der seinen Antrag als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaftschaft vorbereitenden Polizeibeamten - darin gesehen, dass diese im Oktober 1997 gegen den Kläger zu 1 einen richterlichen Haftbefehl unter Bejahung des dringenden Tatverdachts der Brandstiftung in drei Fällen erwirkt haben, ohne dem zuständigen Richter alle in die Prüfung einzubeziehenden Beweismittel vorzulegen.
1. Nach der Rechtsprechung des Senats sind bestimmte Maßnahmen der Staatsanwaltschaft, zu denen auch der Antrag auf Erlass eines Haftbefehls gehört, im Amtshaftungsprozess nicht auf ihre "Richtigkeit", sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob sie - bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege - vertretbar sind (vgl. nur BGH, Urt. v. 21.4.1988 - III ZR 255/86, MDR 1988, 938 = NJW 1989, 96; 29.4.1993 - III ZR 3/92, MDR 1993, 740 = NJW 1993, 2927 [2928]; und 18.5.2000 - III ZR 180/99, MDR 2000, 952 = NJW 2000, 2672 [2673]). Bei der haftungsrechtlichen Beurteilung eines Haftbefehlsantrags kann aus dem Umstand, dass der Erlass eines Haftbefehls mangels hinreichenden Tatverdachts abgelehnt oder - wie im Streitfall geschehen - ein erlassener Haftbefehl aufgehoben worden ist, nicht ohne weiteres auf ein pflichtwidriges Verhalten der antragstellenden Staatsanwaltschaft geschlossen werden; pflichtwidriges Handeln ist ihr nur anzulasten, wenn sie bei einer sachgerechten Würdigung des zur Beurteilung stehenden Sachverhalts nicht der Annahme sein durfte, die beantragte Maßnahme - der Erlass des Haftbefehls - könne gerechtfertigt sein (BGH BGHZ 27, 338 [350 f.]; Beschl. v. 22.10.1989 - III ZR 51/89, in juris dokumentiert).
2. Ausgehend von diesem rechtlichen Ansatz hält das Berufungsgericht die Annahme des Staatsanwalts, der Kläger zu 1 sei seinerzeit der Brandstiftung dringend verdächtig gewesen, für unvertretbar. Für die von den Ermittlungsbehörden gegen den Kläger zu 1 aufgebaute Indizienkette sei ganz entscheidend gewesen, dass eine Brandstiftung von außen bei jeder der fraglichen Brandstiftungen ausgeschlossen werden konnte, da sich angesichts der vorliegenden, wenig zwingenden Einzelindizien nur so die große Wahrscheinlichkeit für eine Eigenbrandstiftung aus der Familie heraus und damit der Tatverdacht gegen den Kläger zu 1 habe begründen lassen. Von besonderer Bedeutung seien deshalb alle Anhaltspunkte aus den Ermittlungsakten gewesen, die darauf schließen ließen, dass einer der Brände von außen gelegt worden sein konnte. Ein derartiger Anhaltspunkt sei die Vernehmung des Zeugen L. v. 19.1.1994 gewesen. Im Hinblick auf seine Aussage habe nicht mehr von einer lediglich theoretischen Möglichkeit gesprochen werden können, ein Außenstehender habe die Lattenverkleidung im Obergeschoss des Ökonomietraktes gewaltsam geöffnet und einen Brandsatz hineingelegt. Dieser Umstand sei, so das Berufungsgericht weiter, geeignet gewesen, das ganze für die Begründung des dringenden Tatverdachts konstruierte Indiziengerüst zu Fall zu bringen. Die Ermittlungsbeamten hätten schuldhaft ihre Pflicht zur unvoreingenommenen und objektiven Prüfung, ob die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls vorliegen, verletzt, als sie bei Beantragung des Haftbefehls weder die Aussage des Zeugen L. v. 19.1.1994 noch den Aktenvermerk v. 18.1.1994 erwähnt hätten. Bei dem Haftrichter sei dadurch ein unrichtiges Bild des Tatverdachts erzeugt worden.
Diese Würdigung, die vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden kann, ob der Tatrichter den Begriff der Vertretbarkeit verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt hat (BGH, Urt. v. 19.1.1989 - III ZR 243/87, MDR 1989, 523 = VersR 1989, 367 f.; v. 18.5.2000 - III ZR 180/99, MDR 2000, 952 = NJW 2000, 2672 [2673]), hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Durchgreifende Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf. Soweit sie einen Verstoß gegen Denkgesetze rügt, setzt sie in revisionsrechtlich unzulässiger Weise ihre eigene Tatsachenwürdigung an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts.
a) Die Staatsanwaltschaft durfte den Haftbefehl gegen den Kläger zu 1 nur beantragen (§ 125 Abs. 1 StPO), wenn er der ihm vorgeworfenen Tat dringend verdächtig und ein Haftgrund gegeben war (§ 112 Abs. 1 S. 1 StPO). Dringender Tatverdacht besteht, wenn die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass der Beschuldigte Täter oder Teilnehmer einer Straftat ist (BVerfG v. 12.9.1995 - 2 BvR 2475/94, NJW 1996, 1049 f.; BGH v. 5.5.1992 - 2 BJs 15/92-5 StB 9/92, MDR 1992, 692 = NJW 1992, 1975 f.; KK-Boujong, StPO, § 112 Rz. 3; Hilger in Löwe/Rosenberg, StPO25. Aufl., 4. Lieferung § 112 Rz. 16 ff.; Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl. 2003, § 112 Rz. 5). Die Prüfung erfolgt auf der Grundlage des gegenwärtigen Standes der Ermittlungen. Maßgebend ist das aus den Akten ersichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme.
b) Vorliegend kommt es für die Beurteilung, ob der Haftbefehlsantrag gegen den Kläger "vertretbar" war, nicht entscheidend darauf an, ob die Kriminalpolizei bzw. die Staatsanwaltschaft nach dem damaligen Stand der Ermittlungen auf Grund einer umfassenden Prüfung des gesamten Beweismaterials in vertretbarer Weise zu einer Bejahung des dringenden Tatverdachts gelangen durften.
Der entscheidende Vorwurf an den das Ermittlungsverfahren lenkenden Staatsanwalt bzw. die Kriminalpolizei als das Ermittlungsorgan der Staatsanwaltschaft (§ 161 StPO, § 152 GVG) geht hier dahin, dass im Zusammenhang mit dem Haftbefehlsantrag gegen den Kläger zu 1 dem Haftrichter die Ermittlungsergebnisse nicht vollständig vorgelegt wurden.
aa) Allerdings ist die Ermittlungsbehörde - worauf die Revision im Ansatz zutreffend hinweist - befugt, vor der Vorlage an den Haftrichter Zeugenaussagen und die sonstigen erarbeiteten Ermittlungsergebnisse zu sichten und zu gewichten, auch Nebensächliches auszusondern. Es kann insoweit auch die Vorlage eines Aktenauszuges genügen. Was die Auswahl des Materials angeht, so mag - wie die Revision geltend macht - der Ermittlungsbehörde auch ein gewisser, gerichtlich nicht nachprüfbarer, Beurteilungsspielraum zustehen. Für eine Beschränkung der gerichtlichen Nachprüfung der Art und Weise der Zusammenstellung des Aktenmaterials für den Haftrichter im Amtshaftunsprozess auf bloße "Vertretbarkeit" gibt es jedoch - anders als bei der Beurteilung der vom Staatsanwalt auf der Grundlage des gesamten Prüfungsstoffs jeweils zu treffenden Entscheidung - keinen Grund.
Das vorgelegte Aktenmaterial muss jedenfalls so beschaffen sein, dass der Haftrichter sich ein vollständiges Bild über das Ermittlungsergebnis zu der Straftat, zum Tatverdacht gegen den Beschuldigten und über das Vorliegen eines Haftgrundes (§ 112 Abs. 1, 2 StPO) machen kann. Die im Zeitpunkt der Haftentscheidung vorliegenden und in den Akten ausgewiesenen gerichtsverwertbaren Ermittlungsergebnisse sind Beurteilungsgrundlage für den Haftrichter. Dieser hat wegen der einschneidenden Folgen eines Haftbefehls die Akten trotz aller etwa gebotenen Eile sorgfältig und genau durchzuarbeiten, ehe er sich entschließen darf, einen Haftbefehl zu erlassen (BGH BGHZ 27, 338 [348 f.]). Bei der Prüfung des dringenden Tatverdachts tritt er in eine freie Beweiswürdigung (§ 261 StPO) des von der Ermittlungsbehörde zusammengetragenen Tatsachenmaterials ein und entscheidet hiernach, ob der Beschuldigte mit großer Wahrscheinlichkeit die ihm zur Last gelegte Tat begangen hat (KK-Boujong, StPO, § 112 Rz. 5, 7; Hilger in Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., 4. Lieferung, § 112 Rz. 21). Es liegt auf der Hand, dass auch der Staatsanwalt und die ihn unterstützende Kriminalpolizei bei der Auswahl des Verfahrensstoffs im Zusammenhang mit einem Haftbefehlsantrag Belastung und Entlastung des Beschuldigten gleichermaßen zu berücksichtigen haben (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl. 2003, vor § 141 GVG Rz. 8), damit der Haftrichter seine eigene verantwortliche Entscheidung treffen kann.
bb) Die mit dem Haftbefehlsantrag im Oktober 1997 nicht vorgelegte Aussage des Zeugen L. v. 19.1.1994 wäre nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts geeignet gewesen, die Annahme, der Brandstifter sei allein in der Familie der Kläger zu suchen, zu erschüttern. Mithin konnte der Haftrichter ohne Kenntnis dieser Aussage bei der Beurteilung des Haftantrags v. 21.10.1997 den Sachverhalt - einschließlich des Zwischenberichts der Polizei v. 21.4.1994 - nicht umfassend würdigen und kein vollständiges Bild vom Tatverdacht gegen den Kläger zu 1 gewinnen. Eine derartige (einseitige) Beschränkung des für den Erlass eines Haftbefehls maßgeblichen Prüfungsstoffs durch die Ermittlungsbehörden - mochten diese auch, wie die Revision anführt, bei der Zusammenstellung des Ermittlungsergebnisses die Aussage des Zeugen L. als "unbeachtlich" angesehen haben - hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei als pflichtwidrig eingestuft.
3. Nach dem objektivierten Sorgfaltsmaßstab, der im Rahmen des § 839 BGB gilt, ist insoweit auch von einem Verschulden der handelnden Ermittlungsbeamten auszugehen Die diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichts werden von der Revision nicht angegriffen.
4. Unangegriffen geblieben - und auch nicht zu beanstanden - ist auch die weitere Feststellung des Berufungsgerichts (zur haftungsausfüllenden Kausalität der Amtspflichtverletzung), dass im Falle der Erwähnung des weggelassenen Komplexes im Haftbefehlsantrag der Haftrichter bzw. die Beschwerdekammer des Gerichts den dringenden Tatverdacht des Klägers zu 1 nicht bejaht und keinen Haftbefehl gegen ihn erlassen hätten.
III.
Das Berufungsgericht führt aus, eine weitere, die Haftung des beklagten Landes begründende (schuldhafte) Amtspflichtverletzung liege darin, dass die Kriminalpolizei F. die Anordnung von Abhörmaßnahmen gegenüber beiden Klägern beantragt und durchgeführt habe, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür ("unmittelbar bevorstehende Gefahr") erkennbar nicht vorgelegen hätten; durch diesen rechtswidrigen Eingriff sei die Privatsphäre der Kläger als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verletzt worden. Das für Entscheidungen des Staatsanwalts im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren geltende Haftungsprivileg komme für diesen polizeilichen Eingriff nicht in Betracht.
Auch diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand.
1. Die Revision meint, den auf die Abhörmaßnahmen gestützten Amtshaftungsanprüchen der Kläger stehe § 839 Abs. 2 S. 1 BGB (das sog. Spruchrichterprivileg) entgegen, weil die betreffenden Maßnahmen ihre Grundlage nicht in einem Handeln der Polizei, sondern in gerichtlichen Entscheidungen gehabt hätten. Darin kann ihr nicht gefolgt werden.
a) Allerdings steht der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Datenerhebung in oder aus Wohnungen nach § 23 Abs. 2 S. 1 des Polizeigesetzes für Baden-Württemberg (im Folgenden: PolG) unter Richtervorbehalt. Erst auf der Grundlage einer richterlichen Anordnung wird die Abhörmaßnahme zulässig. Das steht einer Amtshaftung der Polizei jedoch nicht entgegen. Unbeschadet der Notwendigkeit der richterlichen Anordnung bleibt die Beantragung und die Durchführung des Einsatzes technischer Mittel zur Datenerhebung in oder aus Wohnungen eine polizeiliche Maßnahme in der eigenen Verantwortung der Polizeibeamten. Die Polizei wird durch die richterliche Entscheidung nicht verpflichtet, die Maßnahme zu vollziehen, sondern kann nach ihrem Ermessen davon absehen, wenn sie sie nicht mehr für erforderlich hält. Sie muss davon absehen, wenn nach der richterlichen Entscheidung durch eine Änderung der Sachlage die rechtlichen Voraussetzungen für die Durchsuchung entfallen sind. Einer Aufhebung der richterlichen Entscheidung bedarf es hierfür nicht (Belz/Mussmann, PolG BW, 6. Aufl., § 23 Rz. 5i. V. m. § 31 Rz. 21)
b) Im übrigen handelt es sich bei dem gerichtlichen Anordnungsbeschluss nach § 23 Abs. 2 S. 1 PolG nicht um ein "Urteil in einer Rechtssache" i. S. d. § 839 Abs. 2 S. 1 BGB.
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats sind "Urteile" i. S. d. § 839 Abs. 2 S. 1 BGB auch alle diejenigen in Beschlussform ergehenden Entscheidungen, die "urteilsvertretende Erkenntnisse" darstellen (vgl. nur BGH BGHZ 36, 379 [384]; und zuletzt Urt. v. 3.7.2003 - III ZR 326/02, BGHReport 2003, 994 = NJW 2003, 3052). Für das gerichtliche Anordnungsverfahren für den Einsatz verdeckter technischer Mittel zur Datenerhebung gelten die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 23 Abs. 2 S. 3i. V. m. § 31 Abs. 5 S. 2 PolG). Auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind "urteilsvertretende" Beschlüsse möglich, die einem Urteil in einer Rechtssache gleichgestellt werden müssen und dementsprechend in den Anwendungsbereich des Richterprivilegs fallen (vgl. BGH BGHZ 36, 379 [384 f.]; Urt. v. 3.7.2003 - III ZR 326/02, BGHReport 2003, 994 = NJW 2003, 3052). Die Gleichstellung hängt insbesondere davon ab, ob das der betreffenden Entscheidung zu Grunde liegende gerichtliche Verfahren ein "Erkenntnisverfahren" ist, das sich nach bestimmten prozessualen Regeln richtet und dessen Ziel im Wesentlichen die Anwendung materieller Rechtsnormen auf einen konkreten Fall ist. Dazu gehören insbesondere die Wahrung des rechtlichen Gehörs, die Ausschöpfung der in Betracht kommenden Beweismittel und die Begründung des Spruchs. Für die Beurteilung, ob ein urteilsvertretender Beschluss vorliegt, sind stets der materielle Gehalt des Streitgegenstandes und die materielle Bedeutung der Entscheidung maßgeblich. Eine urteilsvertretende Entscheidung ist anzunehmen, wenn nach Sinn und Zweck der Regelung eine jederzeitige Befassung des Gerichts (von Amts wegen oder auf Antrag) mit der formell rechtskräftig entschiedenen Sache ausgeschlossen ist, die Entscheidung vielmehr eine Sperrwirkung in dem Sinne entfaltet, dass eine erneute Befassung nur unter entsprechenden Voraussetzungen in Betracht kommt wie bei einer rechtskräftig durch Urteil abgeschlossenen Sache (d. h. wenn die Voraussetzungen einer Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen), oder wenn eine wesentliche Veränderung des Sachverhalts eintritt, die nach besonderer gesetzlicher Vorschrift eine erneute Entscheidung rechtfertigt (BGH, Urt. v. 3.7.2003 - III ZR 326/02, BGHReport 2003, 994 = NJW 2003, 3052).
bb) Nach diesen Grundsätzen ist der die polizeiliche Maßnahme nach § 23 Abs. 2 PolG anordnende richterliche Beschluss kein "urteilsvertretendes Erkenntnis". Ihm fehlt das wesentliche Element der (vorherigen) Gewährung rechtlichen Gehörs. Bei dem Einsatz technischer Mittel zur Datenerhebung in oder aus Wohnungen handelt es sich nur um eine vorläufige, zu befristende (§ 23 Abs. 2 S. 2 PolG) - einseitige - Maßnahme.
2. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Beantragung und Durchführung der Abhörmaßnahmen rechtswidrig, nämlich mangels Vorliegens einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr nicht durch § 23 PolG gedeckt, war.
a) Das folgt hinsichtlich der (erstmaligen) gerichtlichen Abhöranordnungen v. 21.3.1996 und v. 21.3.1997 schon daraus, dass in den nachträglichen Beschwerdeverfahren rechtskräftig deren Rechtswidrigkeit festgestellt worden ist (zuletzt: OLG Karlsruhe VBlBW 1999, 234). Im Amtshaftungsprozess ist das Gericht an verwaltungsgerichtliche, aber auch an andere der materiellen Rechtskraft fähige gerichtliche Entscheidungen gebunden, die die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der in Rede stehenden Maßnahme rechtskräftig feststellen (BGH v. 15.11.1990 - III ZR 302/89, BGHZ 113, 17 [20] = MDR 1991, 415; v. 10.6.1985 - III ZR 3/84, BGHZ 95, 28 [35]; Urt. v. 17.3.1994 - III ZR 15/93, MDR 1994, 773 = NJW 1994, 1950 zur Bindungswirkung des Feststellungsausspruchs eines OLG-Strafsenats im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG; Staudinger/Wurm, BGB, 13. Bearb. 2002, § 839 Rz. 439 ff., 442m. w. N.). Das folgt aus der materiellen Rechtskraft einer solchen Entscheidung, deren Sinn gerade darin liegt, diesen Streitgegenstand zwischen den Beteiligten endgültig gerichtlich zu klären. Diese Bindungswirkung kommt vorliegend auch dem nach sachlicher Prüfung getroffenen rechtskräftigen Feststellungsausspruch des Beschwerdegerichts im (FGG-)Verfahren nach §§ 23, 31 PolG zu.
b) Nicht anders fällt im Ergebnis die Beurteilung der weiteren von der Polziei erwirkten (Folge-)Anordnungen des AG über Abhörmaßnahmen aus, die mangels rechtzeitiger Rechtsmitteleinlegung seitens der Kläger formell rechtskräftig geworden waren.
aa) Entgegen der Ansicht der Revision sind derartige, sachlich nicht abschließend "beurteilte" gerichtliche Anordnungen - nicht anders als Verwaltungsakte, die ohne Überprüfung in einem gerichtlichen Verfahren bestandskräftig geworden sind (vgl. dazu BGH v. 15.11.1990 - III ZR 302/89, BGHZ 113, 17 [20] = MDR 1991, 415; v. 13.10.1994 - III ZR 24/94127, BGHZ 223, 225 = MDR 1995, 156) - nicht der Nachprüfung im Amtshaftungsprozess entzogen.
bb) Die Rüge der Revision, es fehle an einer konkreten Prüfung und Würdigung der Rechtmäßigkeit der einzelnen Verlängerungsbeschlüsse des AG durch das Berufungsgericht, ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat nach dem Zusammenhang seiner Ausführungen sowie durch seine Bezugnahme auf die Entscheidungen des LG und des OLG im Beschwerdeverfahren ersichtlich die erstmaligen Abhöranordnungen wie auch die Fortsetzungsanordnungen des AG beanstandet. Dies durfte hier durch eine pauschale Bezugnahme auf die - allerdings unmittelbar nur die erstmaligen Anordnungen betreffende - Begründung der Entscheidungen in dem vorausgegangenen Beschwerdeverfahren geschehen, denn die sachliche Berechtigung der Anordnung der Fortsetzung der Abhörung "stand und fiel" im Streitfall jeweils mit der Berechtigung der erstmaligen Anordnung. Dass im weiteren Verlauf des damaligen Geschehens eine bedeutsame Änderung (Verschlimmerung) der Gefahrensituation eingetreten wäre, die die Abhörmaßnahmen unabhängig von der ursprünglichen Ausgangslage - jedenfalls von da ab - gerechtfertigt hätte, macht die Revision selbst nicht geltend.
cc) Die Beurteilung sämtlicher Abhöranordnungen als rechtswidrig ist auch in der Sache - soweit nicht schon eine Bindung an die betreffenden Vorentscheidungen im Beschwerdeverfahren besteht (oben zu aa) - nicht zu beanstanden.
Gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 PolG ist der verdeckte Einsatz technischer Mittel, zu welchem das im Streitfall angeordnete Abhören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger gehört, nur zulässig, wenn dies zur Abwehr einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Soweit als Adressat der Maßnahme unbeteiligte Dritte in Betracht kommen, müssen zusätzlich die Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes gem. § 9 PolG BW gegeben sein. Hiernach sind Maßnahmen nur zulässig, wenn auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht verhindert oder eine bereits eingetretene Störung nicht beseitigt werden kann (§ 9 Abs. 1 PolG BW).
Hieran fehlte es im Streitfall.
Eine "Gefahr" liegt nach allgemeiner Ansicht vor, wenn eine Sachlage oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit Wahrscheinlichkeit ein polizeilich geschütztes Rechtsgut schädigen wird (BVerwG BVerwGE 45, 51 [57]). Da der verdeckte Einsatz technischer Mittel in oder aus Wohnungen einen erheblichen Grundrechtseingriff darstellt und dementsprechend nur aus gewichtigen Gründen verfassungsgemäß ist, ist für ihn eine - gegenüber Maßnahmen der polizeilichen Generalermächtigung - gesteigerte Gefahr erforderlich. Die Maßnahme muss zur Abwehr einer "unmittelbar bevorstehenden Gefahr" erforderlich sein. Diese zeichnet sich durch eine besondere zeitliche Nähe und ein gesteigertes Maß der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts aus: Der Schaden muss in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintreten (Belz/Mussmann, PolG BW, 6. Aufl., § 23 Rz. 9, § 9 Rz. 3; Wolf/Stephan, PolG BW, 5. Aufl. 1999, § 23 Rz. 6; BVerwG BVerwGE 45, 51 [58]; VGH Baden-Württemberg v. 28.8.1986 - 1 S 3241/85, NVwZ 1987, 237 [238] zu § 9 Abs. 1 PolG BW; VGH Baden-Württemberg v. 16.11.1992 - 1 S 2727/91, NVwZ-RR 1994, 52 zu § 2 Abs. 1 S. 1 FeuerwehrG BW). Soweit hingegen in der jew. überschaubaren Zukunft kein Schadenseintritt zu erwarten ist, sind polizeirechtliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr weder geboten noch gerechtfertigt (vgl. Röhrig, DVBl. 2000, 1658 [1660]). Eine in unbestimmter Zeit erst erwartete Gefahr, die sich - wie im Streitfall - noch "entwickeln" muss, genügt für Abhörmaßnahmen nach § 23 PolG nicht (König, Eingriffsrecht, Maßnahmen der Polizei nach der Strafprozessordnung und dem Polizeigesetz Baden-Württemberg, 2. Aufl. 2001, S. 169 Rz. 141).
3. Das Berufungsgericht hat insoweit auch rechtsfehlerfrei ein Verschulden der handelnden Polizeibeamten bejaht.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats hat jeder Inhaber eines öffentlichen Amtes bei der Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung die Gesetzes- und Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen und danach auf Grund vernünftiger Überlegungen sich eine Rechtsmeinung zu bilden. Auch wenn es um eine Rechtsfrage geht, zu der es noch keine Rechtsprechung und noch keine Stellungnahme im Schrifttum gibt, kann ein Fahrlässigkeitsvorwurf begründet sein, wenn sich Auslegung und Anwendung so weit von Wortlaut und Sinn des Gesetzes entfernen, dass das gewonnene Ergebnis nicht mehr als vertretbar angesehen werden kann (Staudinger/Wurm, BGB, 13. Bearb. 2002, § 839 Rz. 205 f., 209 ff.). Dagegen fehlt es am Verschulden bei einer zwar unrichtigen, aber nach gewissenhafter Prüfung der zu Gebote stehenden Hilfsmittel auf vernünftige Überlegungen gestützten Auslegung bei solchen Gesetzesbestimmungen, die für die Auslegung Zweifel in sich tragen, namentlich dann, wenn die Gesetzesbestimmung neu ist und die auftauchenden Auslegungsfragen noch nicht ausgetragen sind. Dass seine nach sorgfältiger Prüfung erlangte und vertretbare Rechtsauffassung später von den Gerichten missbilligt wird, kann dem Beamten nicht rückschauend als Verschulden angelastet werden (Staudinger/Wurm, BGB, 13. Bearb. 2002, § 839 Rz. 209m. w. N.).
b) Das beklagte Land hat geltend gemacht, bei der Eingriffsnorm des § 23 PolG handele es sich um ein aus dem Jahre 1991 stammendes Gesetz, das in der polizeilichen Praxis bis 1996 praktisch keine Bedeutung gehabt habe. Im vorliegenden Fall sei erstmals mit den in dem angesprochenen Beschwerdeverfahren ergangenenen Beschlüssen des OLG Karlsruhe v. 5.3.1999 (VBlBW 1999, 234) eine obergerichtliche Entscheidung zu den Voraussetzungen des § 23 PolG ergangen. Dieser Einwand ist unbegründet.
Die Begriffe der "unmittelbar bevorstehenden Gefahr" waren schon im Jahre 1996 hinreichend durch Rechtsprechung und Schrifttum präzisiert. Das BVerwG hat bereits im Jahre 1974 (BVerwG BVerwGE 45, 51 [58]) unter Hinweis auf zahlreiche Veröffentlichungen in Rechtsprechung und Literatur besondere Anforderungen an die zeitliche Nähe und die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gestellt. Entsprechende Regelungen waren vor Einführung des § 23 PolG vorhanden (siehe schon § 15 Preuß PVG und die in BVerwGE 45, 51 [57] zitierten weiteren Gesetze). Für § 9 Abs. 1 PolG ist seit jeher anerkannt, dass trotz des unterschiedlichen Wortlauts ("unmittelbar bevorstehende oder bereits eingetretene Störung") die Vorschrift dahingehend zu interpretieren ist, dass die Gefahr sich verwirklicht hat oder unmittelbar vor ihrer Verwirklichung steht (vgl. Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, § 22 Anm. 2a S. 332 f.). Ein dieser herkömmlichen und allgemein anerkannten Sicht widersprechendes Rechtsverständnis war daher unvertretbar. Davon abgesehen lässt sich dem Revisionsvorbringen auch nicht mit der genügenden Substanz entnehmen, dass die Polizeibeamten ihre Rechtsmeinung auf Grund sorgfältiger Prüfung unter Berücksichtigung von Rechtsprechung und Literatur gewonnen haben, sodass bereits unter diesem Gesichtspunkt ein Schuldvorwurf begründet ist (vgl. BGH v. 8.10.1992 - III ZR 220/90, BGHZ 119, 365 [369 ff.] = MDR 1993, 238).
Angesichts der Eindeutigkeit - für Fachkundige - der damaligen polizeirechtlichen Rechtslage lässt auch der Umstand, dass (auch) der die Maßnahmen anordnende Amtsrichter die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 S. 1 PolG verkannt hat, das Verschulden der Polizeibeamten des beklagten Landes nicht entfallen.
IV.
1. Es hält einer rechtlichen Nachprüfung auch stand, dass das Berufungsgericht dem Kläger zu 1 wegen der von den Bediensteten des beklagten Landes amtspflichtwidrig erwirkten Untersuchungshaft (oben zu II) und beiden Klägern wegen der von der Polizei ebenfalls amtspflichtwidrig beantragten und durchgeführten Abhörmaßnahmen (oben zu III) dem Grunde nach immateriellen Schadensersatz (Schmerzensgeld) wegen schwer wiegender Persönlichkeitsrechtsverletzungen zugebilligt hat.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats können durch schuldhafte Amtspflichtsverletzungen verursachte Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf Geldentschädigung begründen (BGH v. 25.9.1980 - III ZR 74/78, BGHZ 78, 274 [280] = MDR 1981, 388; Urt. v. 10.1.1972 - III ZR 202/66, VersR 1972, 368 [369]; Urt. v. 17.3.1994 - III ZR 15/93, MDR 1994, 773 = NJW 1994, 1950 [1952]; Staudinger/Wurm, BGB, 13. Bearb. 2002, BGB, 13. Bearb. 2002, § 839 Rz. 246). Ein solcher Anspruch kommt allerdings nur in Betracht, wenn es sich um einen schwer wiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht handelt und die Beeinträchtigung des Betroffenen nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann (BGH v. 25.9.1980 - III ZR 74/78, BGHZ 78, 274 [280] = MDR 1981, 388; Urt. v. 10.1.1972 - III ZR 202/66, VersR 1972, 368 [369]; Urt. v. 17.3.1994 - III ZR 15/93, MDR 1994, 773 = NJW 1994, 1950 [1952] m. w. N.). Ob eine schwer wiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, ist auf Grund der gesamten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen und hängt insbesondere von der Bedeutung und der Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab (BGH, Urt. v. 17.3.1994 - III ZR 15/93, MDR 1994, 773 = NJW 1994, 1950 [1953]).
Die Beurteilung nach diesen Kriterien, ob ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht so schwer wiegt, dass er die Verhängung eines Schmerzensgeldes verlangt, ist in erster Linie Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob die Wertungsgrenzen erkannt, der Prüfungsstoff als Wertungsgrundlage ausgeschöpft und die Denk- und Erfahrungssätze beachtet worden sind (BGH, Urt. v. 17.3.1994 - III ZR 15/93, MDR 1994, 773 = NJW 1994, 1950 [1953]). Schwere Verletzungen sind in der Rechtsprechung des Senats vor allem dann angenommen worden, wenn durch Veröffentlichung in der Presse die Allgemeinheit oder wenigstens ein weiter, nicht abgegrenzter Personenkreis von dem verletzenden Tatbestand Kenntnis erhalten hat (z. B. BGH, Urt. v. 10.1.1972 - III ZR 202/66, VersR 1972, 368 [368]; v. 25.9.1980 - III ZR 74/78, MDR 1981, 388 = NJW 1981, 675 [676 ff.]). Auf das Vorliegen einer solchen "Breitenwirkung" kann es allerdings - entgegen der Revision - bei dem in Rede stehenden "Lauschangriff" der Polizei angesichts der ganz anderen Qualität desselben nicht entscheidend ankommen: Dieser Eingriff wird gerade dadurch gekennzeichnet, dass die Obrigkeit "heimlich" in private Intimspähren eindringt, die für ein menschenwürdiges Dasein unverzichtbar sind - nicht durch die Veröffentlichung von Abhörergebnissen, zu der es typischwerweise nicht kommt.
b) Die Würdigung des Tatrichters, dass es sich bei der Untersuchungshaft und dem Einsatz technischer Mittel zur Datenerhebung in oder aus Wohnungen um schwer wiegende Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der Kläger handelte und dass diese - durch schuldhafte Amtspflichtsverletzungen verursachten - Beeinträchtigungen nach ihrer Art und ihrem Umfang (Untersuchungshaft von über einem Monat; Abhörmaßnahmen auf die Dauer von über 20 Monaten) im Streitfall nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Die Untersuchungshaft enthält einen Eingriff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 S. 2, Art. 104 GG). Die Abhörmaßnahmen stellen einen Eingriff in das Grundrecht der Wohnungsfreiheit (Art. 13 GG; vgl. König, Eingriffsrecht, Maßnahmen der Polizei nach der Strafprozessordnung und dem Polizeigesetz Baden-Württemberg, 2. Aufl. 2001, S. 168 Rz. 140; Wolf/Stephan, PolG BW, 5. Aufl. 1999, § 23 Rz. 1) und in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG) unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Privatsphäre sowie der Rechte am eigenen Wort und auf informationelle Selbstbestimmung dar (vgl. KK-Nack, StPO, § 100c Rz. 7). Was die Abhörmaßnahmen angeht, so bedarf es angesichts der Schwere des Eingriffs, die sich hier jedenfalls aus der Dauer von über 20 Monaten ergibt, keiner weiteren Ausführungen dazu, dass - anders als die Revison meint - die nachträgliche gerichtliche Nachprüfbarkeit der Anordnungsbeschlüsse (§§ 23 Abs. 2 S. 3, 31 Abs. 2 und 3 PolG i. V. m. § 22 FGG) keinen angemessenen Ausgleich bietet.
2. Mit Recht hat das Berufungsgericht auch die Ersatzpflicht des beklagten Landes hinsichtlich der vom Kläger zu 1 wegen beider Amtspflichtverletzungen (oben II. und III.) geltend gemachten materiellen Schäden dem Grunde nach bejaht.
a) Derjenige, der durch eine unerlaubte Handlung nach § 839 BGB schadensersatzpflichtig geworden ist, hat den Schaden einschließlich der durch die schädigende Handlung verursachten Aufwendungen zu ersetzen. Zu diesen Aufwendungen kann auch das sich aus einer anwaltlichen Honorarvereinbarung ergebende Honorar gehören (BGH, Urt. v. 14.5.1962 - III ZR 39/61, LM § 839 (D) BGB Nr. 18 Blatt 2; Urt. v. 12.1.1959 - III ZR 197/57, LM § 839 (Fe) Nr. 18 unter 4.).
b) Die Revision macht geltend, eine haftungsrechtliche Ersatzpflicht wegen durch die Abhörmaßnahmen verursachter Anwaltskosten sei im Hinblick auf die spezialgesetzliche Regelung des § 13a FGG durch die Entscheidungen in dem diesbezüglichen Beschwerdeverfahren, die eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht vorsehen, ausgeschlossen. Das trifft nicht zu.
aa) Nach § 13a FGG, der nach §§ 23 Abs. 2 S. 3, 31 Abs. 5 S. 2 PolG auf das gerichtliche Verfahren betreffend polizeiliche Abhörmaßnahmen Anwendung findet, hat das angerufene Gericht über die Kostenerstattungspflicht nach pflichtgemäßem Ermessen zu befinden. Die Vorschrift betrifft die prozessuale Kostenerstattungspflicht. Eine etwaige Erstattungspflicht auf sachlich-rechtlicher Grundlage bildet demgegenüber einen andersartigen, die Verteilung von Kostenlasten in der außerprozessualen Rechtsbeziehung der Parteien zueinander betreffenden und von anderen Voraussetzungen abhängigen sowie ggf. eigenständige Rechtsfolgen mit sich bringenden Streitgegenstand (BGH v. 24.4.1990 - VI ZR 110/89, BGHZ 111, 168 [170 f.] = MDR 1990, 1099 m. w. N.). Daher können die Beteiligten nach Abschluss des Verfahrens regelmäßig materiell-rechtliche Kostenerstattungsansprüche geltend machen. Die Vorschrift des § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG (früher § 61 Abs. 1 S. 2 ArbGG), auf die die Revision sich für ihre Gegenansicht beruft, enthält eine auf ihren Regelungsbereich beschränkte Ausnahme. Es handelt sich um eine aus sozialer Rücksichtnahme geschaffene Regelung, deren besonderer Schutzzweck durch eine unbeschränkte Kostenhaftung aus materiellem Recht beeinrächtigt werden würde (vgl. BAGE 10, 39 = AP Nr. 3 zu § 61 ArbGG 1953, Kosten; Becker-Eberhard, Grundlagen der Kostenerstattung bei der Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche, 1985, S. 194 ff.).
Allerdings ist das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit - anders als das Prozessgericht im Rahmen einer Kostenentscheidung nach §§ 91 ff. ZPO - nicht gehindert, in seine Ermessensentscheidung nach § 13a Abs. 1 FGG das Bestehen eines materiellen Erstattungsanspruchs mit einbeziehen; i. d. R. wird die gerichtliche Kostenverteilung nur dann billigem Ermessen entsprechen, wenn sie auch einer im Verfahren zu Tage getretenen materiellen Erstattungspflicht Rechnung trägt. Hat andererseits der Richter in seine Kostenentscheidung eine sachlich-rechtliche Erstattungspflicht erkennbar mit einbezogen, so verbietet die Rechtskraft dieser Entscheidung, dieselbe Frage in einem anderen Verfahren unter materiell-rechtlichen Gesichtspunkten abweichend zu prüfen (Loritz, Die Konkurrenz materiellrechtlicher und prozessualer Kostenerstattung, 1981, 83 ff.; zu § 47 WEG: Staudinger/Wenzel, WEG, 12. Aufl. 1997, § 47 Rz. 8 unter Hinweis auf BGH BGHZ 45, 251 [257]; KG v. 21.12.1988 - 24 W 5948/88, OLGZ 1989, 174 [178 f.]; BayObLG v. 23.9.1988 - BReg.2 Z 97/87, BayObLGZ 1988, 287 [293]; BayObLGZ 1975, 369 [371]; a. A. Bärmann/Pick/Merle, WEG, 8. Aufl. 2000, § 47 Rz. 11: kein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch nach rechtskräftiger Kostenentscheidung).
bb) Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch der Kläger aus § 839 Abs. 1 BGB nicht durch die Kostenentscheidungen in den vorausgegangenen Beschwerdeverfahren ausgeschlossen, denn die Beschwerdegerichte haben dort über die Kosten nur nach den allgemein im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Regeln - nämlich, dass in erster Instanz regelmäßig jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Auslagen selbst trägt und in zweiter Instanz der unterlegene Beteiligte die durch ein unbegründetes Rechtsmittel veranlassten Kosten zu tragen hat - entschieden, ohne die Frage einer materiellen Erstattungspflicht mit einzubeziehen.
Fundstellen
Haufe-Index 1059031 |
NJW 2003, 3693 |
BGHR 2004, 94 |
NVwZ 2004, 510 |
JurBüro 2004, 509 |
DÖV 2004, 217 |
DSB 2003, 16 |
JZ 2004, 454 |
MDR 2004, 211 |
VersR 2004, 332 |
NPA 2004, 0 |
StV 2004, 330 |
KammerForum 2004, 70 |
Polizei 2004, 23 |