Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerberaterhaftung wegen nicht erkannter insolvenzrechtlicher Überschuldung der Gesellschaft und deshalb verspäteter Insolvenzantragstellung
Leitsatz (amtlich)
Erklärt der vertraglich lediglich mit der Erstellung der Steuerbilanz betraute Steuerberater, dass eine insolvenzrechtliche Überschuldung nicht vorliege, haftet er der Gesellschaft wegen der Folgen der dadurch bedingten verspäteten Insolvenzantragstellung.
Der durch eine verspätete Insolvenzantragstellung verursachte Schaden der Gesellschaft bemisst sich nach der Differenz zwischen ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt rechtzeitiger Antragstellung im Vergleich zu ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt des tatsächlich gestellten Antrags.
Wird der Insolvenzantrag einer GmbH infolge einer fehlerhaften Abschlussprüfung verspätet gestellt, trifft die Gesellschaft mit Rücksicht auf ihre Selbstprüfungspflicht in der Regel ein Mitverschulden an dem dadurch bedingten Insolvenzverschleppungsschaden.
Leitsatz (redaktionell)
1. Grundsätzlich ist es nicht Aufgabe des mit der allgemeinen steuerlichen Beratung der GmbH beauftragten Beraters, die Gesellschaft bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz darauf hinzuweisen, dass es die Pflicht des Geschäftsführers ist, eine Überprüfung vorzunehmen oder in Auftrag zu geben, ob Insolvenzreife eingetreten ist und gegebenenfalls Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt werden muss. Hingegen besteht eine haftungsrechtliche Verantwortung, wenn dem steuerlichen Berater ein ausdrücklicher Auftrag zur Prüfung der Insolvenzreife eines Unternehmens erteilt wird.
2. In dem Hinweis im Bilanzbericht auf eine rein bilanzielle Überschuldung findet die Bewertung unmissverständlichen Ausdruck, dass eine insolvenzrechtliche Überschuldung gerade nicht vorliegt. Der Hinweis auf Rangrücktrittsvereinbarungen und den Firmenwert offenbart, dass die Steuerberatungsgesellschaft eine über die steuerliche Bilanzierung hinausgehende Leistung erbracht hat, auf deren Richtigkeit die GmbH vertrauen durfte.
Normenkette
BGB §§ 675, 249; ZPO § 287; BGB § 254 Abs. 1; StBerG § 33; BGB § 634 Nr. 4; HGB § 128 S. 1, § 129
Verfahrensgang
OLG Köln (Urteil vom 19.07.2012; Aktenzeichen 8 U 55/11) |
LG Köln (Entscheidung vom 06.10.2011; Aktenzeichen 2 O 419/10) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des OLG Köln vom 19.7.2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Eigenantrag vom 20.3.2007 über das Vermögen der A. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) am 1.6.2007 eröffneten Insolvenzverfahren.
Rz. 2
Die in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts geführte Beklagte zu 1) war die Steuerberaterin der Schuldnerin; der Beklagte zu 2) war bis zu seinem Ausscheiden am 4.3.2009 Gesellschafter der Beklagten zu 1) und mit der Betreuung der Schuldnerin befasst. Die Beklagte zu 1) erstellte am 29.8.2005 den Jahresabschluss der Schuldnerin für den 31.12.2004. In dem Bilanzbericht ist ausgeführt, dass zum Bilanzstichtag ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag von 46.541,38 EUR bestehe, es sich dabei aber nur um eine "Überschuldung rein bilanzieller Natur" handele, weil für Verbindlichkeiten i.H.v. insgesamt 48.278,68 EUR Rangrücktrittserklärungen vorlägen und der Gesellschaft aufgrund des hohen Anteils an Stammkunden ein hoher Firmenwert innewohne.
Rz. 3
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatzleistung in Anspruch, weil sie pflichtwidrig die zum 31.12.2004 bei der Schuldnerin gegebene insolvenzrechtliche Überschuldung nicht erkannt hätten und die Schuldnerin mangels der gebotenen Antragstellung weitere Verbindlichkeiten i.H.v. 264.938,88 EUR eingegangen sei. Die Vorinstanzen haben die - unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 30 vom Hundert - auf Zahlung von 187.457,21 EUR gerichtete Klage abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 4
Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Rz. 5
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es könne offenbleiben, ob die Beklagten den Geschäftsführer der Schuldnerin pflichtwidrig nicht hinreichend über eine tatsächlich bestehende insolvenzrechtliche Überschuldung aufgeklärt hätten. Jedenfalls fehle es an der Kausalität zwischen der behaupteten Pflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Schuldnerin bei pflichtgemäßer Beratung bereits zu einem früheren Zeitpunkt einen Insolvenzantrag gestellt hätte. Die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens erfordere tatsächliche Feststellungen, dass im Falle sachgerechter Aufklärung eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahegelegen hätte. Neben der Stellung eines Insolvenzantrages sei im Streitfall ernsthaft in Betracht gekommen, die fehlenden Kapitalmittel durch Erwirken von qualifizierten Rangrücktrittserklärungen sowie durch die Aufnahme von weiteren Darlehen aufzubringen. Auch mit Rücksicht auf den Maßstab des § 287 ZPO fehle es an hinreichendem Vortrag, dass sich der Geschäftsführer der Schuldnerin bereits im August 2005 zur Stellung eines Insolvenzantrags entschlossen hätte.
Rz. 6
Ferner sei nicht hinreichend dargelegt, dass das Anwachsen der Überschuldung infolge der Fortführung des Unternehmens einen durch die behauptete Pflichtverletzung zurechenbar entstandenen Schaden begründe. Insoweit genüge nicht der Vortrag, dass die Überschuldung infolge der Fortführung des Unternehmens in einen bestimmten Umfang angewachsen sei. Die Pflicht, den Mandanten über die Bedeutung einer bilanziellen Überschuldung zu belehren, diene nicht dazu, den Vertragspartner von jedweden Risiken freizustellen, die sich aus der Fortführung des Unternehmens ergeben könnten. Vielmehr bedürfe es einer näheren Darlegung, welche rechtsgeschäftlichen und unternehmerischen Entscheidungen im Einzelnen dem behaupteten Anwachsen der Überschuldung zugrunde lägen, um prüfen zu können, ob das Eingehen von Verbindlichkeiten, denen in der Regel eine Gegenleistung gegenüberstehe, einen dem Berater zurechenbaren Schaden darstelle. Insoweit komme es darauf an, ob infolge der Fehlberatung naheliegende unternehmerische Entscheidungen getroffen worden seien oder die weitere Geschäftsentwicklung auf von vorneherein nach kaufmännischen Grundsätzen nicht zu rechtfertigenden unternehmerischen Entscheidungen beruhe. Trotz eines gerichtlichen Hinweises habe der Kläger sein Vorbringen hierzu nicht konkretisiert.
II.
Rz. 7
Diese Ausführungen halten in wesentlichen Punkten rechtlicher Prüfung nicht stand.
Rz. 8
1. Die Prozessführungsbefugnis des Klägers begegnet entgegen den Rügen der Beklagten keinen Bedenken.
Rz. 9
Der Insolvenzverwalter ist gem. § 208 Abs. 3 InsO auch nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit zur Verwaltung und Verwertung der Masse verpflichtet. Das Amt des Insolvenzverwalters bleibt folglich nach Abgabe der Erklärung einschließlich der Verwertungs- und Befriedigungsaufgabe uneingeschränkt bestehen (Hefermehl in MünchKomm/InsO, 2. Aufl., § 208 Rz. 43). Darum hat der Insolvenzverwalter nach Eintritt der Masseunzulänglichkeit erfolgversprechende Aktivprozesse, für deren Durchführung er die Gewährung von Prozesskostenhilfe beanspruchen kann (BGH, Beschl. v. 28.2.2008 - IX ZB 147/07, WM 2008, 880 Rz. 6 ff.), im Interesse der Massemehrung einzuleiten und durchzuführen (OLG Celle, ZInsO 2004, 93; Landfermann in HK/InsO, 6. Aufl., § 208 Rz. 15; Hefermehl in MünchKomm/InsO, a.a.O., § 208 Rz. 50). Obsiegt der Beklagte, muss er es hinnehmen, dass etwaige Kostenerstattungsansprüche unbefriedigt bleiben. Grund dafür ist, dass die Deckung der eigenen Prozesskosten durch den unterlegenen Gegner zu den allgemeinen Prozessrisiken einer obsiegenden Partei gehört (BGH, Urt. v. 26.6.2001 - IX ZR 209/98, BGHZ 148, 175, 179).
Rz. 10
2. Die Würdigung des Berufungsgerichts, der Kläger habe einen Zurechnungszusammenhang zwischen einer Pflichtverletzung der Beklagten und dem eingetretenen Schaden nicht nachgewiesen, lässt entscheidungserhebliches, beweisbewehrtes Klagevorbringen unter Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG, § 286 ZPO unberücksichtigt.
Rz. 11
a) Gegen die Beklagten bestehen vertragliche Ansprüche, wenn sie - wovon nach dem revisionsrechtlich zugrundezulegenden Sachverhalt auszugehen ist - pflichtwidrig eine insolvenzrechtliche Überschuldung der Schuldnerin nicht festgestellt haben.
Rz. 12
aa) Grundsätzlich ist es nicht Aufgabe des mit der allgemeinen steuerlichen Beratung der GmbH beauftragten Beraters, die Gesellschaft bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz darauf hinzuweisen, dass es die Pflicht des Geschäftsführers ist, eine Überprüfung vorzunehmen oder in Auftrag zu geben, ob Insolvenzreife eingetreten ist und ggf. gem. § 15a InsO Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt werden muss. Hingegen besteht eine haftungsrechtliche Verantwortung, wenn dem steuerlichen Berater ein ausdrücklicher Auftrag zur Prüfung der Insolvenzreife eines Unternehmens erteilt wird (BGH, Urt. v. 7.3.2013 - IX ZR 64/12, DB 2013, 928 Rz. 15, 19). In dieser Weise ist der Streitfall gelagert.
Rz. 13
bb) Soweit die Beklagte zu 1) als allgemeine steuerliche Beraterin den eine bilanzielle Überschuldung der Schuldnerin ausweisenden Jahresabschluss gefertigt hat, kann aus etwaigen insolvenzrechtlichen Fehlleistungen eine Haftung allerdings nicht hergeleitet werden. Die Beklagte zu 1) hat jedoch nicht lediglich eine Handelsbilanz erstellt, sondern darüber hinaus unter Bezug auf Rangrücktrittsvereinbarungen und den Firmenwert durch die weitergehende Bemerkung, dass es sich um eine "Überschuldung rein bilanzieller Natur" handele, eine insolvenzrechtliche Überschuldung der Schuldnerin ausgeschlossen (vgl. BGH, Urt. v. 15.12.1954 - II ZR 322/53, BGHZ 16, 17, 24 ff.). In dem Hinweis auf eine rein bilanzielle Überschuldung findet die Bewertung unmissverständlichen Ausdruck, dass eine insolvenzrechtliche Überschuldung gerade nicht vorliegt. Der Hinweis auf die Rangrücktrittsvereinbarungen und den Firmenwert offenbart, dass die Beklagte zu 1) eine über die steuerliche Bilanzierung hinausgehende Leistung erbracht hat (vgl. BGH, Urt. v. 7.3.2013 - IX ZR 64/12, DB 2013, 928 Rz. 18). Aufgrund der wirtschaftlichen und rechtlichen Bedeutung der Angelegenheit handelte es sich insoweit nicht um eine bloße Gefälligkeit der Beklagten, sondern um eine zusätzliche Prüfung, auf deren Richtigkeit die Schuldnerin vertrauen durfte (vgl. BGH, Urt. v. 18.12.2008 - IX ZR 12/05, WM 2009, 369 Rz. 6 ff.). Wurde von ihr eine tatsächlich bestehende insolvenzrechtliche Überschuldung verkannt, hat die Beklagte zu 1) folglich gem. § 634 Nr. 4 BGB Schadensersatz zu leisten. Für diese Verpflichtung hat auch der Beklagte zu 2) gem. §§ 128 Satz 1, 129 HGB persönlich einzustehen (BGH, Urt. v. 10.5.2012 - IX ZR 125/10, BGHZ 193, 193 Rz. 68 f.), weil er der Beklagten zu 1) zu dem Zeitpunkt, als die - zu unterstellende, obendrein ihm selbst anzulastende - Pflichtwidrigkeit verwirklicht wurde, als Gesellschafter angehörte (vgl. BGH, Urt. v. 21.4.1982 - IVa ZR 291/80, BGHZ 83, 328, 330 f.).
Rz. 14
Entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Rechtsauffassung handelte es sich bei dem Vermerk nicht nur um die Wiedergabe einer Auffassung der Geschäftsleitung der Schuldnerin ohne eigenen Erklärungswert. Eine hinreichende Distanzierung der Beklagten zu 1) ist dem Vermerk nicht zu entnehmen.
Rz. 15
b) Das Berufungsgericht hat es nach Ablehnung eines zugunsten des Klägers eingreifenden Anscheinsbeweises verfahrensfehlerhaft versäumt, die von dem Kläger zum Beweis seines Vorbringens, in Kenntnis der Insolvenzreife der Schuldnerin hätten ihre Geschäftsführer die Geschäftstätigkeit beendet und Insolvenzantrag gestellt, beantragte Zeugenvernehmung durchzuführen.
Rz. 16
aa) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass bei Feststellung der Insolvenzreife einer GmbH vielfach ein Anscheinsbeweis für das dadurch veranlasste Verhalten des Geschäftsführers ausscheidet, weil bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unterschiedliche Maßnahmen in Betracht kommen. Als Alternative zu einer Insolvenzantragstellung stand der Schuldnerin die Möglichkeit offen, innerhalb der Antragsfrist (§ 15a Abs. 1 Satz 1 InsO; § 64 Abs. 1 GmbHG a.F.) eine Umstrukturierung des Unternehmens vorzunehmen und insb. die Insolvenz durch Zuführung neuer Mittel abzuwenden. Anders verhielte es sich nur, wenn eine Sanierungsfähigkeit der Gesellschaft angesichts der finanziellen Möglichkeiten ihrer Gesellschafter von vornherein ausgeschlossen war (BGH, Urt. v. 14.6.2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rz. 40).
Rz. 17
bb) Geht es darum, welche hypothetische Entscheidung der Geschäftsführer einer GmbH bei vertragsgerechtem Verhalten des rechtlichen Beraters getroffen hätte, liegt es nahe, ihn dazu in einem von der Gesellschaft geführten Rechtsstreit gem. § 287 Abs. 1 Satz 3 ZPO als Partei zu vernehmen, weil es um eine innere, in seiner Person liegende Tatsache geht. Da die Feststellung, ob ein Schaden entstanden ist, nach den Beweisregeln des § 287 ZPO getroffen wird, gehört die Frage, wie sich der Geschäftsführer bei ordnungsgemäßer Beratung verhalten hätte, zu dem von § 287 Abs. 1 Satz 3 ZPO erfassten Bereich (BGH, Urt. v. 16.10.2003 - IX ZR 167/02, WM 2004, 472, 474). Ist bei Klagen der GmbH eine Parteivernehmung ihres Geschäftsführers zum Nachweis seines mutmaßlichen Verhaltens angezeigt, kann in einem von dem Insolvenzverwalter geführten Rechtsstreit der Antrag, ihn zu diesem Thema als Zeuge zu hören, nicht abgelehnt werden. Der Beweisantritt zu einer Haupttatsache darf nicht aufgrund der Würdigung von Indiztatsachen übergangen werden (vgl. BGH, Beschl. v. 7.12.2006 - IX ZR 173/03, WM 2007, 569 Rz. 10).
Rz. 18
3. Dem Berufungsgericht kann ebenfalls nicht gefolgt werden, soweit es die Schadensdarlegung durch den Kläger beanstandet.
Rz. 19
a) Ausgangspunkt jeder Schadensberechnung bildet die Differenzhypothese.
Rz. 20
Ob und inwieweit ein nach §§ 249 ff. BGB zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre. Die Differenzhypothese umfasst zugleich das Erfordernis der Kausalität zwischen dem haftungsbegründenden Ereignis und einer dadurch eingetretenen Vermögensminderung. Nur eine Vermögensminderung, die durch das haftungsbegründende Ereignis verursacht ist, d.h. ohne dieses nicht eingetreten wäre, ist als ersatzfähiger Schaden anzuerkennen (BGH, Urt. v. 14.6.2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rz. 42; Beschl. v. 7.2.2013 - IX ZR 75/12, ZInsO 2013, 671 Rz. 10). Nach der Äquivalenztheorie ist jede Bedingung kausal, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Dabei ist zu beachten, dass zur Feststellung des Ursachenzusammenhangs nur die pflichtwidrige Handlung hinweggedacht, nicht aber weitere Umstände hinzugedacht werden dürfen (BGH, Urt. v. 5.5.2011 - IX ZR 144/10, BGHZ 189, 299 Rz. 35). Die sich aus der Äquivalenz ergebende weite Haftung für Schadensfolgen grenzt die Rechtsprechung durch die weiteren Zurechnungskriterien der Adäquanz des Kausalverlaufs und des Schutzzwecks der Norm ein (vgl. BGH, Urt. v. 10.7.2012 - VI ZR 127/11, NJW 2012, 2964 Rz. 12).
Rz. 21
b) Nach diesen Maßstäben haben die Beklagten grundsätzlich einen der Schuldnerin nach Eintritt der Insolvenzreife durch die Fortsetzung ihrer Geschäftstätigkeit erwachsenen Schaden zu ersetzen.
Rz. 22
aa) Das Erfordernis eines Ursachenzusammenhangs zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden ist erfüllt. Hätte die Beklagte - wie zu unterstellen ist - die bestehende Überschuldung der Schuldnerin erkannt und der Geschäftsführer der Schuldnerin auf der Grundlage dieser Bewertung einen Insolvenzantrag gestellt, wären die bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Antragstellung eingetretenen weiteren Vermögensnachteile vermieden worden.
Rz. 23
bb) Die hierdurch bewirkte Vertiefung der Überschuldung bildet eine grundsätzlich auch adäquate Schadensfolge.
Rz. 24
(1) Der Zurechnungszusammenhang kann allerdings fehlen, sofern die Verluste nicht auf der Fortsetzung der üblichen Geschäftstätigkeit, sondern auf der Eingehung wirtschaftlich nicht vertretbarer Risiken beruht und dadurch der Bereich adäquater Schadensverursachung verlassen wurde. Dies kann erst in Betracht kommen, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist oder das Verhalten des Geschäftsleiters aus anderen Gründen als unvertretbar gelten muss (vgl. BGH, Urt. v. 21.4.1997 - II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 253 f.).
Rz. 25
(2) Soweit das Berufungsgericht insoweit von dem Kläger eine Differenzierung nach Art der Verbindlichkeiten verlangt, hat es nicht berücksichtigt, dass die Frage, ob die Schuldnerin infolge der fehlerhaften Bilanz der Beklagten einen Schaden erlitten hat, auf der Grundlage von § 287 Abs. 1 ZPO zu beurteilen ist. Diese Vorschrift ist dazu geschaffen, dem Kläger eines Schadensersatzprozesses die Einzelbegründung seines Schadens abzunehmen, und vermindert damit in ihrem Anwendungsbereich auch die sonst strengeren Anforderungen an die Darlegung. Das gilt auch für den vom Berufungsgericht aufgeworfenen Gesichtspunkt, ob nicht einige oder sämtliche vom Kläger geltend gemachten Schäden in Gestalt der behaupteten Erhöhung der Überschuldung auf nach kaufmännischen Grundsätzen nicht verantwortbaren Entscheidungen beruhen (vgl. BGH, Urt. v. 18.2.1987 - IVa ZR 232/85, VersR 1988, 178 f.). Außerdem hat das Berufungsgericht das durch seinen Hinweis veranlasste Vorbringen des Klägers nicht berücksichtigt, dass die von ihm vorgelegten betriebswirtschaftlichen Auswertungen keine außergewöhnlichen Geschäftsvorfälle auswiesen. Bei dieser Sachlage kann die Klage nicht mangels einer schlüssigen Schadensdarlegung abgewiesen werden.
Rz. 26
cc) Der sich in der Vertiefung der Überschuldung manifestierende Schaden der Schuldnerin ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks der verletzten Norm zu begrenzen.
Rz. 27
(1) Eine Ersatzpflicht der Organe gegenüber der Gesellschaft ist gegeben, wenn sich die Verbindlichkeiten eines insolvenzreifen Unternehmens wegen verspäteter Insolvenzantragstellung vermehren. Da auch eine überschuldete Gesellschaft verpflichtet bleibt, ihre Gläubiger nach Möglichkeit zu befriedigen, hat sie von allen ihr zustehenden Rechten Gebrauch zu machen, um dieser Pflicht zu genügen. Wird ein überschuldetes Unternehmen pflichtwidrig fortgeführt, kann es von dem verantwortlichen Organ Schadensersatz in Höhe der Steigerung seiner Überschuldung beanspruchen (RGZ 161, 129, 142 f.; BGH, Urt. v. 29.6.1972 - II ZR 123/71, BGHZ 59, 148, 149 f.; v. 10.10.1985 - IX ZR 153/84, NJW 1986, 581, 582 f.). Dieser Schaden wird vom Schutzzweck der Insolvenzverschleppungshaftung umfasst.
Rz. 28
(2) Wird aufgrund einer von einem Abschlussprüfer gefertigten fehlerhaften Überschuldungsbilanz ein Insolvenzantrag verspätet gestellt, erfasst der daraus sich ergebende Schadensersatzanspruch ebenfalls den gesamten Insolvenzverschleppungsschaden, der insb. durch die auf der Unternehmensfortführung beruhende Vergrößerung der Verbindlichkeiten erwächst (BGH, Urt. v. 18.2.1987 - IVa ZR 232/85, VersR 1988, 178 f.; vgl. BGH, Urt. v. 7.3.2013 - IX ZR 64/12, DB 2013, 928 Rz. 19). Folglich bemisst sich der Schaden der Schuldnerin nach der Differenz zwischen ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt rechtzeitiger Antragstellung im Vergleich zu ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt des tatsächlich gestellten Antrags (vgl. Büchler, InsVZ 2010, 68, 75). Nachteile, die durch die gebotene Liquidation ohnedies eintreten würden, braucht der Schädiger hingegen nicht zu ersetzen. Gleiches gilt, wenn einige oder sämtliche geltend gemachten Schäden in Gestalt der behaupteten Erhöhung der unterstellten Überschuldung auch dann eingetreten wären, wenn das Insolvenzverfahren auf einen rechtzeitigen Antrag eröffnet worden wäre (BGH, Urt. v. 18.2.1987 - IVa ZR 232/85, VersR 1988, 178 f.). Von dieser rechtlichen Würdigung ist der Senat - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - im Urteil vom 26.10.2000 (IX ZR 289/99, NJW 2001, 517) nicht abgerückt.
Rz. 29
4. Allerdings kann ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers infolge eines der Schuldnerin analog § 31 BGB zuzurechnenden Mitverschuldens ihres Geschäftsführers (§ 254 Abs. 1 BGB) erheblich gemindert oder sogar ganz ausgeschlossen sein (vgl. BGH, Beschl. v. 23.10.1997 - III ZR 275/96, NJWE-VHR 1998, 39, 40; Urt. v. 10.12.2009 - VII ZR 42/08, BGHZ 183, 323 Rz. 54; OLG Schleswig, GI 1993, 373, 382 f.). Dabei handelt es sich um eine zuvörderst dem Tatrichter obliegende, von den Umständen des konkreten Einzelfalls abhängige Bewertung (BGH, Urt. v. 25.6.1991 - X ZR 103/89, NJW-RR 1991, 1240, 1241).
Rz. 30
a) Gemäß § 254 Abs. 1 BGB hängt, wenn bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt hat, die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insb. davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Nach der Rechtsprechung des BGH kommt bei der Haftung wegen einer fehlerhaften Abschlussprüfung die Berücksichtigung eines Mitverschuldens des betroffenen Unternehmens in Betracht. Allerdings ist im Hinblick darauf, dass es die vorrangige Aufgabe des Abschlussprüfers ist, Fehler in der Rechnungslegung des Unternehmens aufzudecken und den daraus drohenden Schaden von diesem abzuwenden, bei der Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB mehr Zurückhaltung als bei anderen Schädigern geboten. Daher lässt auch eine vorsätzliche Irreführung des Prüfers seine Ersatzpflicht nicht ohne Weiteres gänzlich entfallen (BGH, Urt. v. 10.12.2009, a.a.O., Rz. 56). Andererseits ist der Mitverschuldenseinwand zu beachten, wenn dem Auftraggeber, der gem. § 322 Abs. 2 Satz 2 HGB in eigener Verantwortung den zu prüfenden Jahresabschluss aufzustellen hat, und dem Prüfer nur Fahrlässigkeit anzulasten ist (vgl. MünchKomm/HGB/Ebke, 2. Aufl., § 323 Rz. 75; Winkeljohann/Feldmüller, Beck'scher Bilanzkommentar, 8. Aufl., § 323 Rz. 123). Da die Abschlussprüfung das gesellschaftsinterne Kontrollsystem nicht ersetzen soll, ist der GmbH ein auch nur fahrlässiges Mitverschulden anzulasten, wenn sie ihre Insolvenzreife nicht erkennt (Staub/Zimmer, HGB, 4. Aufl., § 323 Rz. 42; Winkeljohann/Feldmüller, Beck'scher Bilanzkommentar, 8. Aufl., § 323 Rz. 123; vgl. BGH, Urt. v. 27.2.1975 - II ZR 111/72, BGHZ 64, 52, 62). Aufgrund der Gesamtwürdigung kann der Tatrichter im Einzelfall in Anwendung von § 254 BGB zu einem vollständigen Haftungsausschluss des Abschlussprüfers gelangen (BGH, Beschl. v. 23.10.1997, a.a.O.).
Rz. 31
b) Bei der Bewertung des wechselseitigen Verschuldensgrades kann insb. die Schwere der dem Abschlussprüfer vorzuwerfenden Pflichtverletzung, also etwa das Ausmaß, in dem das Ergebnis der Prüfung von den tatsächlichen Verhältnissen abweicht, von Bedeutung sein. Hat der Abschlussprüfer der Gesellschaft anstelle der tatsächlich verwirklichten Überschuldung einen erheblichen Vermögensüberschuss attestiert, kann er der Geschäftsführung Anlass geben, die gebotene Selbstprüfung der wirtschaftlichen Lage zu vernachlässigen und risikoträchtige Geschäfte einzugehen, indem etwa bei der Preiskalkulation großzügig verfahren und nicht genau auf die Kostendeckung Bedacht genommen wird. Hier dürfte von einem überwiegenden Verschulden des Abschlussprüfers auszugehen sein, weil er bei der Gesellschaft das irrige Vertrauen weckt, sich nicht in einer wirtschaftlichen Schieflage zu befinden.
Rz. 32
Anders verhält es sich dagegen, wenn dem Abschlussprüfer lediglich anzulasten ist, das Vermögen der Gesellschaft infolge einer Überbewertung der stillen Reserven gleich hoch wie ihre Verbindlichkeiten angesetzt und deswegen eine Überschuldung abgelehnt zu haben. Auf der Grundlage eines solchen Prüfungsergebnisses muss dem Geschäftsführer bewusst sein, den Geschäftsbetrieb nur bei Vermeidung weiterer Verluste unter strikter Wahrung der Kostendeckung fortsetzen zu dürfen. Dann trägt er die primäre Verantwortung dafür, dass keine weiteren Einbußen entstehen. Wird hierdurch die Überschuldung vertieft, kann - was auch im Streitfall zu erwägen sein dürfte - in Betracht kommen, ein ganz überwiegendes Mitverschulden der Gesellschaft oder gar eine Haftungsfreistellung des Abschlussprüfers zugrundezulegen.
III.
Rz. 33
Auf die begründete Revision des Klägers ist das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist mangels Endentscheidungsreife gem. § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Sofern das Berufungsgericht auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen zu einer Schadensersatzpflicht der Beklagten gelangen sollte, wird es sich mit der von ihnen erhobenen Einrede der Verjährung auseinanderzusetzen haben.
Fundstellen
BFH/NV 2013, 1535 |
DB 2013, 1542 |
DB 2013, 8 |
DStR 2013, 2081 |
DStRE 2013, 1533 |
HFR 2013, 1061 |
WPg 2013, 924 |
NJW 2013, 2345 |
NJW 2013, 8 |
EBE/BGH 2013 |
GmbH-StB 2013, 307 |
EWiR 2013, 573 |
KTS 2014, 307 |
NZG 2013, 911 |
WM 2013, 1323 |
ZAP 2013, 813 |
ZIP 2013, 1332 |
DZWir 2013, 595 |
JZ 2013, 508 |
MDR 2013, 905 |
NZI 2013, 7 |
NZI 2013, 793 |
PStR 2013, 219 |
VersR 2014, 753 |
ZInsO 2013, 1409 |
ZInsO 2014, 1195 |
GWR 2013, 320 |
GmbHR 2013, 934 |
InsbürO 2013, 419 |
KP 2013, 197 |
KSI 2014, 138 |
StBW 2013, 710 |
StBW 2013, 762 |
StX 2013, 590 |
BBP 2013, 240 |
BiB 2013, 17 |
GmbH-Stpr 2013, 304 |
JM 2014, 60 |
KoR 2013, 452 |
SteuK 2013, 439 |
ZWH 2013, 500 |
finanzen.steuern kompakt 2013, 9 |