Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsausgleich (hier: Realteilung einer Versorgung bei einem privaten Träger)
Leitsatz (amtlich)
Die Realteilung einer bei einem privaten Träger bestehenden Versorgung (hier: Pensionskasse des ZDF) ist auch dann zulässig, wenn die maßgebende Satzung keine dem sog. Rentnerprivileg (§ 101 Abs. 3 SGB VI § 57 Abs. 1 S. 2 BeamtVG) entsprechende Regelung vorsieht.
Normenkette
VAHRG § 1 Abs. 2; SGB VI § 101 Abs. 3; BeamtVG § 57 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 1. Senats für Familiensachen des OLG Frankfurt v. 3.3.2003 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 5.000 EUR
Gründe
I.
Die am 13.8.1980 geschlossene Ehe der Parteien wurde auf den der Ehefrau (Antragsgegnerin) am 19.10.1994 zugestellten Antrag des Ehemannes (Antragsteller) durch Verbundurteil des AG - FamG - v. 16.9.1996 geschieden (insoweit rechtskräftig am selben Tag). Der Versorgungsausgleich wurde abgetrennt.
Während der Ehezeit (1.8.1980 bis 30.9.1994; § 1587 Abs. 2 BGB) erwarben die am 26.8.1947 geborene Ehefrau Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (Verfahrensbeteiligte zu 1)) i.H.v. 81,61 DM und der am 23.1.1932 geborene Ehemann Versorgungsanrechte bei der Pensionskasse für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Zweiten Deutschen Fernsehens - VVaG (Beteiligte zu 2), im Folgenden "Pensionskasse") i.H.v. (richtig:) 3.639,24 DM, jeweils monatlich und bezogen auf den 30.9.1994.
Das AG hat den Versorgungsausgleich dahin geregelt, dass es zu Lasten der bei der Pensionskasse bestehenden Anrechte des Ehemannes - wie in der Satzung der Pensionskasse vorgesehen - im Wege der Realteilung für die Ehefrau bei der Pensionskasse monatliche Versorgungsansprüche i.H.v. 1.497,43 DM zzgl. Sonderzuwendungen zum 1.6. und 1.12. eines jeden Jahres i.H.v. jeweils 998,29 DM begründet hat, und zwar bezogen auf einen - damals zeitnahen - Stichtag zum 1.6.2000.
Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde des Ehemannes hat das OLG eine neue, auf einen zeitnäheren Stichtag (1.10.2002) bezogene Berechnung eingeholt und auf dieser Grundlage die Realteilung neu i.H.v. monatlich 752,69 EUR zzgl. Sonderzuwendungen zum 1.6. und 1.12. eines jeden Jahres i.H.v. 501,81 EUR, bezogen auf einen Realteilungsstichtag zum 1.10.2002, durchgeführt. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Ehemann sein Begehren, seine Anrechte bei der Pensionskasse nicht im Wege der Realteilung, sondern schuldrechtlich auszugleichen, weiter.
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Nach Auffassung des OLG ist der Versorgungsausgleich gem. § 1 Abs. 2 VAHRG im Wege der Realteilung durchzuführen. Der Umstand, dass die Satzung zwar eine dem § 4 VAHRG, nicht aber auch eine dem § 5 VAHRG entsprechende Härtefallregelung vorsehe, sei kein Grund, von der satzungsmäßigen Realteilung abzusehen; dies gelte vor allem dann, wenn der Eintritt eines solchen Härtefalls lediglich eine abstrakte Möglichkeit darstelle. Abzustellen sei darauf, ob im konkreten Einzelfall das Fehlen eines solchen Härtegrundes zu einer unangemessenen Benachteiligung führe. Das sei hier nicht der Fall. Da der Antragsteller keinen Unterhalt zahle, gehe es nicht um das Fehlen einer dem § 5 VAHRG entsprechenden Regelung; den Antragsteller belaste vielmehr das Fehlen eines sog. Rentnerprivilegs, wie es für die gesetzliche Rentenversicherung in § 101 Abs. 3 SGB VI und für die Beamtenversorgung in § 57 Abs. 1 S. 2 BeamtVG vorgesehen sei. Nach diesen Vorschriften werde eine vom ausgleichspflichtigen Ehegatten bezogene Altersversorgung - unabhängig vom Bestehen etwaiger Unterhaltspflichten - erst dann gekürzt, wenn auch beim ausgleichsberechtigten Ehegatten der Leistungsfall eingetreten sei. Der Umstand, dass die Satzung der Pensionskasse eine solche Regelung nicht vorsehe, lasse die Durchführung der Realteilung nicht als unbillig erscheinen. Es entspreche vielmehr dem versicherungstechnischen Normalfall des Versorgungsausgleichs, dass mit der Teilung und Verselbständigung der von einem Ehegatten erworbenen Anwartschaften die Versorgung dieses Ehegatten auch schon dann gekürzt werde, wenn der andere Ehegatte aus den von ihm im Versorgungsausgleich erworbenen Anwartschaften noch keine Leistungen beziehe. Zwar wäre es für den Antragsteller vorteilhaft, die Realteilung durch den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zu ersetzen; auch wäre die Antragsgegnerin durch einen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich mit der Möglichkeit des verlängerten Ausgleichs nach dem Tode des Verpflichteten (§ 3a VAHRG) nicht benachteiligt. Den Nachteil einer solchen Gestaltung hätte jedoch die Pensionskasse, der es aber - nach dem Willen des Gesetzes - mit der Möglichkeit der Einführung der Realteilung gerade erspart bleiben solle, dem Antragsteller die volle Versorgung zu gewähren und zusätzlich zu gegebener Zeit auch noch von der Antragsgegnerin aus verlängertem schuldrechtlichem Versorgungsausgleich in Anspruch genommen zu werden (vgl. § 3a Abs. 2 VAHRG).
2. Diese Ausführungen sind frei von Rechtsirrtum; sie entsprechen der Rechtsprechung des Senats.
a) Der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich kann, wie das BVerfG (BVerfG v. 28.2.1980 - 1 BvL 17/77, 1 BvL 7/78, 1 BvL 9/78, 1 BvL 14/78, 1 BvL 15/78, 1 BvL 16/78, 1 BvL 37/78, 1 BvL 64/78, 1 BvL 74/78, 1 BvL 78/78, 1 BvL 100/78, 1 BvL 5/79, 1 BvL 16/79, 1 BvR 807/78, MDR 1980, 469 = FamRZ 1980, 326) entschieden hat, zu verfassungswidrigen Ergebnissen führen, wenn das Anrecht des Verpflichteten gekürzt bleibt, obwohl der Berechtigte verstirbt, ohne aus dem übertragenen Anrecht mehr als geringfügige Leistungen erhalten zu haben, oder wenn der Versicherungsfall beim Pflichtigen früher als beim Berechtigten eintritt und der Pflichtige ihm trotz der Kürzung seiner Versorgung Unterhalt leisten muss. Der Gesetzgeber hat dem in den §§ 4 ff. VAHRG Rechnung getragen. Nach § 10 VAHRG sind diese Vorschriften auf das analoge Quasi-Splitting (§ 1 Abs. 3 VAHRG) sinngemäß anzuwenden. Die sinngemäße Anwendung auf die Realteilung ist nicht vorgeschrieben; der Gesetzgeber hat es dem Versorgungsträger überlassen, diese Fragen bei Einführung einer solchen Ausgleichsform selbst zu regeln (BT-Drucks. 9/2296, 16).
b) Die Satzung der Pensionskasse enthält zwar eine dem § 4 VAHRG, nicht jedoch eine dem § 5 VAHRG entsprechende Regelung. Das hindert indes die Durchführung der Realteilung nicht. Zwar hat der Senat für den Sonderfall eines öffentlich-rechtlichen Versorgungsträgers freier Berufe mit Zwangsmitgliedschaft entschieden, dass es nicht der Dispositionsbefugnis eines solchen Versorgungsträgers unterliege, den aus den §§ 4 ff. VAHRG folgenden Schutz des Ausgleichspflichtigen in Härtefällen wesentlich zu verkürzen. Denn ohne Einführung der Realteilung wären die bei einem solchen Versorgungsträger begründeten Versorgungsanrechte der Realteilung durch das analoge Quasisplitting nach § 1 Abs. 3 VAHRG auszugleichen mit der Folge, dass gem. § 10 VAHRG die §§ 4 ff. VAHRG sinngemäß gelten würden. Würde ein solcher Versorgungsträger gleichwohl bei Einführung der Realteilung dem Ausgleichspflichtigen einen den §§ 4 ff. VAHRG entsprechenden Schutz eindeutig versagen, würde das FamG von vornherein so entscheiden müssen, als ob die Möglichkeit der Realteilung nicht bestünde (BGH, Beschl. v. 7.10.1992 - XII ZB 53/91, MDR 1993, 354 = FamRZ 1993, 298). So liegen die Dinge hier indes nicht. Zwar ist der Arbeitgeber des Antragstellers eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Die Zusatzversorgung, die dieser Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern gewährt, ist jedoch bei einem privatrechtlich - als VVaG - organisierten Versorgungsträger begründet. Auf einen solchen privatrechtlich organisierten Träger der betrieblichen Altersversorgung finden § 1 Abs. 3, § 10 VAHRG auch dann keine Anwendung, wenn der die betriebliche Altersversorgung gewährende Arbeitgeber seinerseits öffentlich-rechtlich organisiert ist (BGH, Beschl. v. 8.10.1986 - IVb ZB 120/83, BGHZ 99, 10 = MDR 1987, 219 = FamRZ 1987, 52). In der privatrechtlichen Organisationsform des Versorgungsträgers liegt auch keine unzulässige Umgehung des § 10 VAHRG und der aus ihm folgenden beschränkten Gestaltungsmöglichkeiten für eine Realteilung. Denn es ist nicht einzusehen, warum es einer juristischen Person des öffentlichen Rechts - hier dem ZDF - verwehrt sein sollte, für die privatrechtlichen Arbeitsverhältnisse ihrer Arbeitnehmer eine privatrechtliche Zusatzversorgung einzurichten.
c) Eine andere Frage ist, ob das FamG beim Ausgleich von Anrechten, die bei einem privatrechtlich organisierten Versorgungsträger begründet sind, von einer in der Satzung dieses Versorgungsträgers vorgesehenen Realteilung im Rahmen der ihm obliegenden Angemessenheitsprüfung absehen kann, weil in dem zu entscheidenden Einzelfall das Fehlen einer Härteregelung zu einer unangemessenen Benachteiligung führt. Der Senat hat diese Frage im Grundsatz bejaht (BGH, Beschl. v. 10.9.1997 - XII ZB 31/96, FamRZ 1997, 1470 [1471]; Beschl. v. 22.10.1997 - XII ZB 81/95, FamRZ 1998, 421 [423], jeweils m.w.N.). Auch dies verhilft indes der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg. Wie das OLG zu Recht ausgeführt hat, geht es im vorliegenden Fall nicht um eine der Normsituation des § 5 VAHRG vergleichbare Konstellation. Der Ehemann begehrt für seine bei einem privatrechtlich organisierten Träger begründete Zusatzversorgung vielmehr eine Privilegierung, wie sie für die gesetzliche Rentenversicherung in § 101 Abs. 3 SGB VI und für die Beamtenversorgung in § 57 Abs. 1 S. 2 BeamtVG geregelt ist. Diese Regelungen weichen, wie das OLG zu Recht bemerkt, jedoch vom Normalfall ab, in dem die auf Grund des Versorgungsausgleichs geteilten Anrechte verselbständigt werden und eine vom ausgleichspflichtigen Ehegatten bereits bezogene Versorgung unabhängig davon gekürzt wird, ob der ausgleichsberechtigte Ehegatte die Rente schon bezieht. Eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit, auch anderen als den in der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung begründeten Anrechten eine solche Privilegierung zukommen zu lassen, besteht nicht (VGH BW v. 17.2.1987 - 9 S 1642/85, DÖV 1987, 402). Eine sachwidrige Ungleichbehandlung erscheint schon im Hinblick auf die unterschiedliche Qualität der genannten Versorgungen - Grundsicherung der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung einerseits und der Versorgung der Pensionskasse andererseits - nicht gegeben. Zudem ist zu bedenken, dass, käme eine Realteilung im vorliegenden Fall nicht in Betracht, die bei der Pensionskasse begründeten Anrechte des Ehemannes, soweit nicht § 3b VAHRG eingreift, gem. § 2 VAHRG schuldrechtlich auszugleichen wären. Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich würde die Ehefrau i.V.m. § 3a VAHRG zwar auch für den Fall des Todes des Ehemannes absichern, ihr aber - wegen der für die Hinterbliebenenversorgung geltenden Abfindungsregelung (§ 84 Abs. 3 Satzung der Pensionskasse) - im Falle der Wiederverheiratung keine der Realteilung vergleichbare Sicherheit verschaffen. Auch unter diesem Aspekt kann von einer unangemessenen Benachteiligung des Ehemannes auf Grund der Realteilung nicht die Rede sein.
d) Gegen die rechnerische Durchführung der Realteilung sind Bedenken nicht ersichtlich. Auch die Rechtsbeschwerde erinnert hiergegen nichts.
Fundstellen
Haufe-Index 1373071 |
BGHR 2005, 1199 |
FamRZ 2005, 1063 |
NJW-RR 2005, 1163 |
MDR 2005, 1114 |
FamRB 2005, 257 |
NJW-Spezial 2005, 348 |