Leitsatz (amtlich)

Bei der konkursfreien Liquidation einer Kapitalgesellschaft entsteht der nach § 17 Abs. 4 EStG zu berücksichtigende Auflösungsverlust in dem Zeitpunkt, in dem mit einer Auskehrung von Gesellschaftsvermögen an den Gesellschafter und mit einer wesentlichen Änderung der durch die Beteiligung veranlassten Aufwendungen nicht mehr zu rechnen ist. Es sind deshalb auch Sachverhalte zu berücksichtigen, die die Kapitalgesellschaft oder den Gesellschafter - wenn er Kaufmann wäre - zur Bildung einer Rückstellung verpflichten würden. Eine Rückstellung für Mehrsteuern aufgrund einer Steuerfahndungsprüfung ist frühestens mit der Beanstandung einer bestimmten Sachbehandlung durch den Prüfer zu bilden.

 

Sachverhalt

Der Kläger war wesentlich i.S. von § 17 EStG an der K-GmbH beteiligt. 1991 wurde die K-GmbH aufgelöst. Ihre Bilanz zum 31.12.1991 wies ohne die noch ausstehenden Einlagen von 375 000 DM einen Überschuss der Aktiva über die Verbindlichkeiten von ca. 62 000 DM aus. Die Liquidation der K-GmbH wurde zum 31.12.1996 abgeschlossen. Noch 1996 tilgte der Kläger erhebliche Steuerschulden der K-GmbH, die in einer 1990 begonnenen und 1996 abgeschlossenen Steuerfahndungsprüfung ermittelt wurden, aus seinem Privatvermögen. Der Kläger machte für das Streitjahr 1991 einen Auflösungsverlust nach § 17 Abs. 4 EStG geltend. Das Finanzamt lehnte den steuermindernden Abzug ab. Klage[1] und Revision des Klägers blieben erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Die Entstehung eines Auflösungsverlusts i.S. von § 17 Abs. 4 EStG setzt voraus, dass der wesentlich beteiligte Gesellschafter nicht mehr mit Zuteilungen und Rückzahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen rechnen kann und dass feststeht, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende Veräußerungs- oder Aufgabekosten anfallen werden[2]. Ob und in welcher Höhe dem Steuerpflichtigen aus seiner Beteiligung ein Verlust entstanden ist, lässt sich im Fall der Auflösung der Kapitalgesellschaft mit anschließender Liquidation regelmäßig erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation beurteilen[3]. Im Streitfall war die Liquidation erst 1996 abgeschlossen.

Ausnahmsweise kann der Zeitpunkt, in dem der Veräußerungsverlust realisiert ist, schon vor Abschluss der Liquidation liegen, wenn mit einer wesentlichen Änderung des bereits festgestellten Verlustes nicht mehr zu rechnen ist[4]. Das ist z.B. dann der Fall, wenn die Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse abgelehnt wurde[5] oder die Gesellschaft bereits im Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses vermögenslos war[6]. In diesen Fällen kann die Möglichkeit einer Auskehrung von Restvermögen an die Gesellschafter ausgeschlossen werden. Die Vermögenslosigkeit der Gesellschaft und ihre spätere Löschung im Handelsregister haben ihre Vollbeendigung zur Folge.

Ein vergleichbarer Fall liegt hier nicht vor. Die K-GmbH war 1991 noch nicht vermögenslos. Vielmehr ist in ihrer Bilanz zum 31.12.1991 auch ohne Berücksichtigung der noch ausstehenden Einlagen ein Überschuss der Aktiva über die Passiva von rd. 62 000 DM ausgewiesen. Eine Kapitalgesellschaft kann unter Berücksichtigung der besonderen Zwecksetzung des § 17 EStG trotz der vorhandenen Aktivwerte auch dann als vermögenslos behandelt werden, wenn der wesentlich beteiligte Gesellschafter mit einer Auskehrung von Gesellschaftsvermögen im Rahmen der Vermögensverteilung nach § 72 GmbHG nicht mehr rechnen konnte[7]. Diese Feststellung lässt sich jedoch auch unter Berücksichtigung der bereits angelaufenen Steuerfahndungsprüfung für 1991 noch nicht treffen.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 27.11.2001 – VIII R 36/00

[2] Vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10.11.1998, VIIIR 6/96, BStBl II 1999, S. 348 = INF 1999, S. 313
[4] Vgl.z.B.BFH-Urteilevom25.1.2000VIIIR63/98, BStBl II 2000, S. 343 = INF 2000, S. 443; vom 12.12.2000, VIII R 36/97, BFH/NV 2001, S. 761
[5] Vgl.BFH-Beschlussvom27.11.1995,VIIIB 16/95, BFH/NV 1996, S. 406, m.w.N.

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