Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermögensschadenhaftpflichtversicherung. Versicherungsnehmer. Rechtsanwalt. Versicherungsfall. Pflichtverletzung. Haftpflichtprozess. Haftpflichturteil. Trennungsprinzip. Bindungswirkung. Haftungstatbestand. Deckungsprozess. Voraussetzungsidentität. Haftungsgrund. Leistungsausschluss. Haftungsausschluss
Leitsatz (amtlich)
AVB Vermögensschadenhaftpflichtversicherung von Rechtsanwälten und von Angehörigen der wirtschafts- und steuerberatenden Berufe
Wird der Versicherungsnehmer einer Haftpflichtversicherung (hier: Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte) im Haftpflichtprozess zum Schadensersatz wegen positiver Vertragsverletzung verurteilt, so ist das Gericht im Deckungsprozess zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Haftpflichtversicherer daran gebunden und kann seiner Entscheidung keinen anderen Haftungsgrund zu Grunde legen.
Normenkette
AVB Vermögen/WB § 4 Ziff. 5
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 30.03.2004; Aktenzeichen 25 U 4131/03) |
LG Passau (Urteil vom 24.07.2003; Aktenzeichen 1 O 793/02) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 25. Zivilsenats des OLG München v. 30.3.2004 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Passau v. 24.7.2003 im Urteilsausspruch zu I. (Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 38.594,54 EUR nebst Zinsen) aufgehoben und die Klage in diesem Umfang abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist Rechtsanwältin. Sie fordert von der Beklagten Versicherungsleistungen aus einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung. Dem Versicherungsvertrag liegen u.a. die Allgemeinen Bedingungen für die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung von Rechtsanwälten und von Angehörigen der wirtschaftsprüfenden sowie wirtschafts- und steuerberatenden Berufe (AVB-WB, V 90) der Beklagten zu Grunde.
1. Mitte 1995 erwarb die spätere Mandantin der Klägerin, U. F., ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück. Bereits die Voreigentümer hatten der Sparkasse S. -R. (im Folgenden: Sparkasse) zur Sicherung von Krediten an dem Grundstück vier Aufbauhypotheken (Grundbuch Abt. III, Ränge 1-4) bestellt. Neben der Sparkasse hielten auch noch eine Reihe weiterer Gläubiger Grundpfandrechte an dem Grundstück. In der Nacht zum 25.12.1995 brannte das Wohnhaus infolge von Brandstiftung vollständig aus.
Gebäudeversicherer des Anwesens war ebenfalls die Beklagte, bei der die Sparkasse im September 1996 ihre Aufbauhypotheken anmeldete.
Im August 1998 wurde die Klägerin von der Grundstückeigentümerin F. mit der Schadensabwicklung beauftragt. Dabei sollten vorrangig alle Grundpfandgläubiger aus den erwarteten Versicherungsleistungen befriedigt werden; restliche Beträge sollte die Mandantin erhalten. Auf deren Vorschlag schloss die Klägerin im Oktober/November 1998 eine Treuhandvereinbarung mit der Sparkasse. Danach sollte die Klägerin die auf die Aufbauhypotheken entfallenden Versicherungsleistungen vom Versicherer ausgezahlt erhalten. Ferner wurde ihr von der Sparkasse eine Löschungsbewilligung für die vier Aufbauhypotheken zur Verfügung gestellt, die Klägerin verpflichtete sich, hiervon erst nach Weiterleitung der im Einzelnen aufgeschlüsselten, auf die vier Aufbauhypotheken entfallenden Beträge an die Sparkasse Gebrauch zu machen.
Fortan drängte die Mandantin bei der Beklagten als ihrem Gebäudeversicherer nachdrücklich darauf, die Neuwertentschädigung für das abgebrannte Haus zu leisten und nach Vorabbefriedigung der Grundpfandgläubiger den verbleibenden Restbetrag auf ihr privates Konto zu überweisen. Die Beklagte sah demgegenüber die besonderen Voraussetzungen für den Ersatz des Neuwertschadens nicht als erfüllt an, veranlasste am 7.12.1998 jedoch die Überweisung von 55.031,94 DM auf das Kanzleikonto der Klägerin. Begleitend übersandte sie der Klägerin ein Fax, aus dem hervorging, dass neben Zahlungen an weitere sieben "Realrechtsgläubiger" die Überweisung des genannten Betrages an die Klägerin veranlasst worden sei und sich dieser aus Beträgen von 9.177,08 DM, 22.500,68 DM, 7.784,56 DM und 15.439,62 DM für die vier Aufbauhypotheken und einer Treuhandgebühr von 130 DM für die Klägerin zusammensetze. Das Schreiben schloss damit, dass weitere Zahlungen - insb. direkt an die Mandantin - bis zur Vorlage noch fehlender Nachweise über weitere Restforderungen, Abtretungen und Pfändungen noch nicht erbracht werden könnten.
Am 8.12.1998 wurde der genannte Betrag wie angekündigt dem Konto der Klägerin gutgeschrieben, die Überweisung trug den begleitenden Vermerk "Eheleute F." Am selben Tag teilte die Mandantin der Klägerin per Fax mit, sie habe inzwischen dem Versicherer alle noch fehlenden Nachweise sofort übersandt. Die Klägerin solle nunmehr den Versicherer endlich unter Druck setzen, den Restbetrag "vom Neuwertschaden" zu zahlen. Sollte die Klägerin 55.000 DM vom Versicherer erhalten haben, so möge sie diese per Blitzgiro sofort auf das private Konto der Mandantin überweisen. Das Geld werde dringend benötigt. Mit gleichem Ziel wurde die Klägerin in der Folgezeit auch mehrfach telefonisch bedrängt. Dabei behauptete die Mandantin u.a., sie habe inzwischen vom Versicherer telefonisch erfahren, dass das an die Klägerin überwiesene Geld ihr zustehe.
Am 11.12.1998 überwies die Klägerin 49.816,16 DM per Blitzgiro auf das private Konto der Mandantin, wobei sie den Rest der 55.031,94 DM auf eigene Honorarforderungen (5.177,78 DM) und die Blitzgiro-Überweisungsgebühr (von 38 DM) verrechnet hatte. Noch am selben Tag wurde der gesamte Betrag dort abgehoben. Seither ist über den Verbleib des Geldes nichts bekannt.
2. Die Sparkasse erfuhr im Frühjahr 1999 von der Fehlleitung der für sie bestimmten 55.031,94 DM. Mit Schreiben v. 27.5.1999 forderte sie Aufklärung von der Klägerin und erklärte, dass sie sich Regressansprüche vorbehalte. Daraufhin erstattete die Klägerin am 1.6.1999 eine Schadensmeldung an die Beklagte als ihrem Haftpflichtversicherer.
Am 28.9.1999 erhob die Sparkasse Klage gegen die jetzige Klägerin auf Zahlung von 55.031,94 DM. Zwei Tage später übersandte diese der (jetzigen) Beklagten die Klagschrift des Haftpflichtprozesses.
In erster Instanz wurde die Klage der Sparkasse am 26.1.2000 abgewiesen. In zweiter Instanz trat die Beklagte als Gebäudeversicherer im Mai 2000 dem Rechtsstreit auf Seiten der Sparkasse bei. Mit Berufungsurteil v. 26.10.2000 wurde die Klägerin vom OLG zur Zahlung von 54.901,94 DM nebst Zinsen verurteilt, weil in der Fehlleitung des Geldes eine positive Verletzung des Treuhandvertrages liege und die Klägerin bei der gebotenen Sachprüfung habe erkennen können und müssen, dass die Überweisung der 55.031,84 DM gemäß der begleitenden Aufschlüsselung des Versicherers allein für die Sparkasse bestimmt gewesen sei.
3. Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin wegen der genannten Verurteilungssumme aus dem Haftpflichtprozess sowie Zinsen, Prozess- und Rechtsvertretungskosten Versicherungsleistungen i.H.v. insgesamt 41.326,85 EUR (80.828,29 DM) von der Beklagten als ihrem Haftpflichtversicherer gefordert und daneben die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet sei, weitere noch nicht bezifferbare Schäden zu ersetzen.
Die Beklagte hält sich für leistungsfrei. Es liege schon kein Versicherungsfall vor, weil die Klägerin der Sparkasse die Weiterleitung des Geldes nicht als Schadensersatz, sondern auf Grund des Erfüllungsanspruchs aus dem Treuhandvertrag geschuldet habe. Gehe man dennoch von einem Schadensersatzanspruch der Sparkasse aus, folge die Leistungsfreiheit aus dem Risikoausschluss des § 4 Nr. 5 AVB-WB. Die abredewidrige Weiterleitung des Geldes an die Mandantin sei in wissentlicher Verletzung der Pflichten der Klägerin aus dem Treuhandvertrag geschehen. Schließlich habe die Klägerin gegen ihre Informations- und Schadensminderungsobliegenheiten aus § 5 II Ziff. 3 und 4 und III Ziff. 1 AVB-WB verstoßen, weil sie nach Klagerhebung im Haftpflichtprozess im September 1999 mehr als ein Jahr lang keine Informationen über den Gang des Rechtsstreits an die Beklagte weitergeleitet habe.
Das LG hat die Beklagte unter Abweisung der Leistungsklage im Übrigen zur Zahlung von 38.594,54 EUR verurteilt und festgestellt, dass sie verpflichtet sei, der Klägerin weitere, noch nicht bezifferbare Schäden aus dem Haftpflichtprozess zu bezahlen. Das OLG hat die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der beschränkt eingelegten Revision erstrebt die Klägerin lediglich die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, soweit es dem Zahlungsantrag stattgegeben hatte.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - ausgeführt, es liege schon kein Versicherungsfall vor, weil die Zahlungspflicht der Klägerin ggü. der Sparkasse nicht aus einem Schadensersatzanspruch, sondern aus einem originären Anspruch auf Erfüllung des Treuhandvertrages folge, der vom Versicherungsschutz nicht erfasst werde. Die Klägerin habe im Treuhandvertrag die Verpflichtung übernommen, vom Feuerversicherer wegen der Aufbauhypotheken an sie ausgezahlte Gelder an die Sparkasse weiterzuleiten. Diesen Anspruch habe sie nicht erfüllt. Erfüllungsansprüche fielen nur ausnahmsweise unter den Versicherungsschutz, wenn eine Fehlverfügung des Rechtsanwalts über ein Anderkonto zu Grunde liege. Das sei hier aber nicht der Fall, die Klägerin habe das Geld von einem Geschäftskonto ihrer Kanzlei an die Mandantin überwiesen.
Darüber hinaus habe sie auch wissentlich gegen ihre Verpflichtungen aus dem Treuhandvertrag verstoßen. Insoweit greife der Haftungsausschluss nach § 4 Ziff. 5 AVB Vermögen/WB selbst bei Annahme eines Schadensersatzanspruches der Sparkasse gegen die Klägerin. Als Rechtsanwältin habe der Klägerin klar sein müssen, dass Hypothekengläubiger bei Fehlen einer anders lautenden Weisung des leistenden Feuerversicherers vorrangig aus der Versicherungsleistung zu befriedigen seien. Aus dem die Überweisung begleitenden Fax des Versicherers sei eindeutig hervorgegangen, wofür der Geldbetrag von 55.031,94 DM bestimmt gewesen sei. Deshalb habe die Klägerin nicht annehmen können, das Geld sei für die Mandantin bestimmt gewesen. Auch die rechtliche Bedeutung der mit der Sparkasse getroffenen Vereinbarung habe ihr klar sein müssen.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Bereits die Annahme, ein Versicherungsfall liege nicht vor, weil die Klägerin der Sparkasse ggü. nicht auf Grund eines Schadensersatzanspruchs, sondern eines Erfüllungsanspruchs zur Zahlung verpflichtet gewesen sei, erweist sich als rechtsfehlerhaft, weil das Berufungsgericht dabei die Bindungswirkung des Haftpflichturteils verkannt hat.
a) In der Haftpflichtversicherung gilt das Trennungsprinzip. Das Haftpflichtverhältnis, das zwischen dem geschädigten Dritten und dem haftpflichtigen Versicherungsnehmer besteht, ist von dem Deckungsverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Haftpflichtversicherer zu trennen. Grundsätzlich ist im Haftpflichtprozess zu entscheiden, ob und in welcher Höhe der Versicherungsnehmer dem Dritten ggü. haftet. Ob der Versicherer dafür eintrittspflichtig ist, wird im Deckungsprozess geklärt (st.Rspr.: BGH v. 18.3.1992 - IV ZR 51/91, BGHZ 117, 345 [350] = MDR 1992, 652; v. 30.9.1992 - IV ZR 314/91, BGHZ 119, 276 [278] = MDR 1993, 30, m.w.N.; Urt. v. 20.6.2001 - IV ZR 101/00, MDR 2001, 1167 = BGHReport 2001, 630 = VersR 2001, 1103, unter II 2; Urt. v. 17.7.2002 - IV ZR 268/01, VersR 2002, 1141, unter II 1).
b) Notwendige Ergänzung des Trennungsprinzips ist die Bindungswirkung des Haftpflichturteils für den nachfolgenden Deckungsrechtsstreit. Die Bindungswirkung folgt nicht aus der Rechtskraft des Haftpflichturteils, da der Versicherer am Haftpflichtprozess nicht beteiligt ist. Vielmehr ist sie dem Leistungsversprechen, das der Haftpflichtversicherer dem Versicherungsnehmer im Versicherungsvertrag gegeben hat, zu entnehmen (BGH, Urt. v. 20.6.2001 - IV ZR 101/00, MDR 2001, 1167 = BGHReport 2001, 630 = VersR 2001, 1103; v. 30.9.1992 - IV ZR 314/91, BGHZ 119, 276 [280 f.] = MDR 1993, 30). Sie bedeutet, dass das Ergebnis des vorangegangenen Haftpflichtprozesses für die Deckungsfrage verbindlich ist. Damit wird verhindert, dass die im Haftpflichtprozess getroffene Entscheidung und die ihr zu Grunde liegenden Feststellungen im Deckungsprozess erneut überprüft werden können und müssen (BGH, Urt. v. 20.6.2001 - IV ZR 101/00, MDR 2001, 1167 = BGHReport 2001, 630 = VersR 2001, 1103; v. 18.3.1992 - IV ZR 51/91, BGHZ 117, 345 [350] = MDR 1992, 652; v. 30.9.1992 - IV ZR 314/91, BGHZ 119, 276 [278 f.] = MDR 1993, 30, m.w.N.). Das Haftpflichturteil entfaltet also im nachfolgenden Deckungsprozess Bindungswirkung jedenfalls insoweit, als es um den Haftungstatbestand geht (BGH, Urt. v. 20.6.2001 - IV ZR 101/00, MDR 2001, 1167 = BGHReport 2001, 630 = VersR 2001, 1103; v. 18.3.1992 - IV ZR 51/91, BGHZ 117, 345 [350] = MDR 1992, 652; v. 30.9.1992 - IV ZR 314/91, BGHZ 119, 276 [278 f.] = MDR 1993, 30, m.w.N.). Dieser umfasst die tatsächlichen Elemente, die der Tatrichter des Haftpflichtprozesses der Haftung des Versicherungsnehmers zu Grunde gelegt hat, ferner den dem Versicherungsnehmer anzulastenden Pflichtverstoß. Es ist deshalb im Deckungsprozess nicht mehr möglich, eine andere schadensverursachende Pflichtverletzung des Versicherungsnehmers zu Grunde zu legen als dies im Haftpflichtprozess geschehen ist (BGH, Urt. v. 20.6.2001 - IV ZR 101/00, MDR 2001, 1167 = BGHReport 2001, 630 = VersR 2001, 1103; Urt. v. 17.7.2002 - IV ZR 268/01, VersR 2002, 1141). Anders als die Revisionserwiderung meint, ergibt sich aus der Senatsrechtsprechung zur sog. Voraussetzungsidentität (vgl. dazu: BGH, Urt. v. 18.2.2004 - IV ZR 126/02, MDR 2004, 808 = BGHReport 2004, 805 = VersR 2004, 590, unter III 1 u. 2) nichts anderes. Denn die Frage nach dem Haftungsgrund erweist sich im Haftpflichtprozess immer als entscheidungserheblich in dem Sinne, dass sie nach dem im Haftpflichtversicherungsvertrag gegebenen Leistungsversprechen für den nachfolgenden Deckungsprozess verbindlich geklärt werden soll.
c) Nachdem im Berufungsurteil des Haftpflichtprozesses eine positive Vertragsverletzung der Klägerin ggü. der Sparkasse angenommen worden war, war das Gericht im Deckungsprozess daran gerade auch mit Blick auf den angenommenen Haftungsgrund gebunden. Dass auch Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung solche aus "gesetzlichen Haftungsbestimmungen privatrechtlichen Inhalts" i.S.v. § 1 I 1 AVB-WB sind, ist allgemein anerkannt (vgl. dazu: Voit/Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 1 AVB Vermögen Rz. 1, mit Hinweis auf § 1 AHB Rz. 3 ff. und insb. Rz. 5, m.w.N.). Für die Annahme, es fehle an einem gesetzlichen Haftpflichtanspruch zur Begründung eines Versicherungsfalls blieb danach kein Raum.
2. Soweit das Berufungsgericht weiter meint, der Anspruch auf Versicherungsleistungen scheitere jedenfalls am Leistungsausschluss aus § 4 Ziff. 5 AVB-WB, da die Klägerin den Schaden durch eine wissentliche Pflichtverletzung verursacht habe, ist dies ebenfalls nicht rechtsfehlerfrei begründet.
a) Allerdings steht die Bindungswirkung des Haftpflichturteils dieser Annahme nicht entgegen.
Zwar ist der Klägerin dort nur angelastet worden, sie habe sich dem Drängen ihrer Mandantin entziehen und bei gebotener Sachprüfung die wahre Zweckbestimmung des an sie überwiesenen Geldes erkennen, notfalls Rückfrage beim Feuerversicherer und der Sparkasse halten müssen. Damit ist lediglich der Vorwurf einfacher, unbewusster Fahrlässigkeit erhoben. Das genügte aber auch für den Haftpflichtprozess, denn ein Verschulden i.S.v. § 276 BGB - als Voraussetzung für die Haftung aus positiver Vertragsverletzung - setzte nicht die Feststellung voraus, die Klägerin sei sich der Pflichtwidrigkeit ihres Handelns bewusst gewesen (dazu, dass Vorsatz und Fahrlässigkeit einerseits und wissentliche Pflichtverletzung andererseits sich nicht decken, vgl. auch: Späth, VersR 2000, 825 [826]). Die Bindungswirkung reicht aber nur so weit, wie eine für die Entscheidung im Deckungsprozess maßgebliche Frage zu einzelnen Anspruchsvoraussetzungen sich auch im Haftpflichtprozess als entscheidungserheblich erweist (BGH, Urt. v. 18.2.2004 - IV ZR 126/02, MDR 2004, 808 = BGHReport 2004, 805 = VersR 2004, 590, unter III 1 u. 2; OLG Hamm, Urt. v. 6.2.2002 - 20 U 151/01, OLGReport Hamm 2002, 371 = NJW-RR 2002, 1185 [1186]). Die Frage nach einer wissentlichen Pflichtverletzung war für den Haftpflichtprozess nicht entscheidungserheblich, weil dort Fahrlässigkeit zur Haftungsbegründung ausreichte.
b) Eine wissentliche Pflichtverletzung, wie sie der Risikoausschluss des § 4 Ziff. 5 AVB-WB voraussetzt, hat das Berufungsgericht aber nicht rechtsfehlerfrei dargelegt.
Wissentlich handelt nur derjenige Versicherte, der die verletzten Pflichten positiv kennt. Bedingter Vorsatz, bei dem er die in Rede stehende Verpflichtung nur für möglich hält, reicht dafür ebenso wenig aus wie eine fahrlässige Unkenntnis. Es muss vielmehr feststehen, dass der Versicherte die Pflichten zutreffend gesehen hat (BGH, Urt. v. 26.9.1990 - IV ZR 147/89, MDR 1991, 419 = VersR 1991, 176, unter 4b, zu § 4 Nr. 6 S. 1 AVB-WB; v. 5.3.1986 - IVa ZR 179/84, VersR 1986, 647, unter 2b, zu § 4 Nr. 5 AVB Vermögen).
Eine solche Feststellung hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Es erörtert nicht, inwieweit die Klägerin ihre vom Tatrichter des Haftpflichtprozesses erst durch eine umfangreiche Auslegung des Treuhandvertrages ermittelten mehrseitigen Verpflichtungen ggü. der Mandantin, der Sparkasse und dem Versicherer wirklich überblickt hat. Es setzt sich weder mit der seinerzeit offensichtlichen beruflichen Unerfahrenheit der Klägerin noch mit der nahe liegenden Frage auseinander, welches Motiv sie gehabt haben sollte, wissentlich gegen die Verpflichtung zu verstoßen, das erhaltene Geld an die Sparkasse weiterzuleiten. Stattdessen wird der Klägerin lediglich angelastet, als Rechtsanwältin habe ihr die rechtliche Bedeutung der getroffenen Vereinbarungen klar sein müssen und sie habe angesichts des klaren Inhalts des die Überweisung erläuternden Faxes des Versicherers auch nicht annehmen können, das erhaltene Geld sei für die Mandantin bestimmt. Damit ist indes nur der Vorwurf - möglicherweise auch grober - Fahrlässigkeit begründet, nicht aber positiv festgestellt, dass die Klägerin ihre Verpflichtungslage zutreffend erkannt und sich bewusst darüber hinweggesetzt hat.
Auch im Übrigen ist die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts lückenhaft, denn mit den Behauptungen der Klägerin, die Mandantin habe ihr ggü. geäußert, der Versicherer sei inzwischen damit einverstanden, dass das Geld an sie weitergeleitet werde, sie sei davon irritiert gewesen, dass die Überweisung den Vermerk "Ehepaar F." getragen habe und ein Mitarbeiter der Beklagten ihr ggü. telefonisch geäußert habe, die Mandantin und ihr Ehemann hätten noch ca. 50.000 DM zu bekommen, setzt sie sich nicht ausreichend auseinander.
3. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderem Grunde als richtig. Denn anders als die Beklagte meint, ist sie auch nicht infolge einer Verletzung von Informationsobliegenheiten aus § 5 AVB-WB leistungsfrei.
a) Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass die Klägerin ihre Obliegenheit zur Anzeige der Anspruchserhebung durch die geschädigte Sparkasse binnen einer Woche (§ 5 II Ziff. 3 AVB-WB) verletzt hat. Denn erstmals mit Schreiben v. 27.5.1999 hat die Sparkasse darauf hingewiesen, dass sie sich Regressansprüche gegen die Klägerin vorbehalte. Schon unter dem 1.6.1999 - und damit unverzüglich - schrieb die Klägerin eine Schadensmeldung an die Beklagte. Dass diese nicht binnen einer Woche bei der Beklagten vorgelegen hätte, ist nicht vorgetragen. Insoweit kann offen bleiben, ob das Schreiben der Sparkasse schon ein ernstliches Geltendmachen des Haftpflichtanspruchs enthielt.
b) Ebenso wenig ist dargelegt, dass die Klägerin ihre Obliegenheit, unverzüglich die Klageerhebung gegen sie dem Versicherer zu melden (§ 5 II Ziff. 4 AVB-WB), verletzt hätte. Am 28.9.1999 erhob die Sparkasse Klage gegen die damals beklagte jetzige Klägerin. Mit Schreiben v. 30.9.1999 übersandte die Klägerin diese Klagschrift der Beklagten.
c) Die Beklagte meint, die Klägerin habe gegen die Obliegenheit aus § 5 III Ziff. 1 AVB-WB verstoßen, den Versicherer umfassend über den Schadensfall zu informieren, weil sie nach der Klagerhebung im Haftpflichtprozess mehr als ein Jahr lang keine Informationen über den weiteren Gang des Rechtsstreits an die Beklagte weitergeleitet habe. Auch damit kann die Beklagte jedoch keinen Erfolg haben.
Eine Leistungsfreiheit der Beklagten wegen Verletzung von Informationsobliegenheiten kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die bei der Beklagten für die Haftpflichtversicherung zuständigen Mitarbeiter allen Anlass hatten, das bei der Gebäudeversicherung angefallene Wissen über den Fortgang des Haftpflichtprozesses zu erfragen, so dass die von der Beklagten als Gebäudeversicherer erlangten Kenntnisse ihr auch im Rahmen des Haftpflichtversicherungsverhältnisses zuzurechnen sind und ein darüber hinausgehender Informationsbedarf hier nicht mehr gegeben war.
aa) Die Frage der wechselseitigen Wissenszurechnung hat den Senat bisher nur für konzernverbundene Unternehmen (BGH, Urt. v. 13.12.1989 - IVa ZR 177/88, MDR 1990, 523 = VersR 1990, 258, unter 3) und für Unternehmen entschieden, die in einem Datenverbund eine gemeinsame Datensammlung unterhielten (BGH v. 14.7.1993 - IV ZR 153/92, BGHZ 123, 224 ff. = MDR 1993, 1062 = CR 1994, 26). Er hat ausgesprochen, dass in diesen Fällen eine Wissenszurechnung der Unternehmen untereinander grundsätzlich nicht erfolgt, anderes aber dann gilt, wenn der Versicherer auf Grund von Angaben des Versicherungsnehmers einen konkreten Anlass hat, auf die ihm zugänglichen Daten des anderen Versicherers oder der gemeinsamen Datensammlung zuzugreifen (BGH, Urt. v. 13.12.1989 - IVa ZR 177/88, MDR 1990, 523 = VersR 1990, 258; v. 14.7.1993 - IV ZR 153/92, BGHZ 123, 224 [229] = MDR 1993, 1062 = CR 1994, 26).
bb) Diese Grundsätze lassen sich erst recht auf den vorliegenden Fall übertragen, in dem die Beklagte als Gebäudeversicherer und als Haftpflichtversicherer tätig geworden ist. Für die Beklagte als Haftpflichtversicherer bestand schon seit der Schadensmeldung der Klägerin im Juni 1999 Anlass dazu, sich mit den für die Gebäudeversicherung zuständigen Mitarbeitern ins Benehmen zu setzen, um künftig die eingehenden Informationen auszutauschen. Denn schon der Schadensmeldung der Klägerin lag in Kopie das Schreiben der geschädigten Sparkasse v. 27.5.1999 bei, aus dem hervorging, dass es um eine Fehlleitung einer Zahlung aus der Gebäudeversicherung durch die Klägerin ging, die Beklagte von der möglichen Pflichtverletzung der Klägerin also jedenfalls mittelbar mit betroffen war. Ein aufmerksamer Sachbearbeiter der Haftpflichtversicherung hätte auf Grund dieses Hinweises schon zu einem frühen Zeitpunkt erkennen können und müssen, dass der Gang der Auseinandersetzung um die Fehlleitung der Versicherungsleistung in der Gebäudeversicherung für den Versicherungsfall in der Haftpflichtversicherung von Bedeutung war.
Erst recht bestand Anlass, auf das vorhandene Wissen zuzugreifen, nachdem die Klägerin mit Schreiben v. 30.9.1999 der Beklagten die Klagschrift des Haftpflichtprozesses übersandt hatte, aus der die Rolle der Beklagten als Gebäudeversicherer in allen Einzelheiten hervorging.
4. Die Sache bedarf zur Prüfung einer wissentlichen Pflichtverletzung i.S.v. § 4 Ziff. 5 AVB-WB neuer tatrichterlicher Verhandlung. Sie war deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 1458903 |
DStR 2006, 158 |
DStRE 2006, 254 |
NJW 2006, 289 |
BGHR 2006, 227 |
ZAP 2006, 261 |
MDR 2006, 571 |
VersR 2006, 106 |
VuR 2006, 38 |
ZfS 2006, 163 |
VK 2006, 44 |
r+s 2006, 149 |
BBKM 2006, 56 |