Leitsatz (amtlich)

Im Konkursverfahren über das Vermögen einer GmbH ist der Auflösungsverlust i.S. von § 17 Abs. 4 EStG regelmäßig erst mit Abschluss des Konkursverfahrens realisiert.

 

Sachverhalt

Der Kläger war alleiniger Gesellschafter der X- und der Y-GmbH. 1993 wurde über das Vermögen beider GmbH das Konkursverfahren eröffnet, ein wesentlicher Teil des Personals entlassen, die Betriebe eingestellt und der Kläger aus Bürgschaften in Anspruch genommen, die er für Verbindlichkeiten der GmbH übernommen hatte. Aus den Konkurseröffnungsbilanzen des Konkursverwalters zum 16.8.1993 ergab sich für die X-GmbH bei einem "zu Zeitwerten" ermittelten Aktivvermögen von rd. 600 000 DM eine Überschuldung von rd. 2,6 Mio. DM, für die Y-GmbH bei einem Aktivvermögen von rd. 22 Mio. DM eine Überschuldung von rd. 9 Mio. DM. Am 12.10.1995 teilte der Konkursverwalter dem Kläger mit, dass mit Auszahlungen auf seine Stammeinlagen nicht mehr zu rechnen sei. Die Konkursverfahren wurden nach der Schlussverteilung 1999 aufgehoben. In seiner ESt-Erklärung für 1993 machte der Kläger einen Auflösungsverlust in Höhe der verlorenen Stammeinlagen geltend. Das Finanzamt meinte dagegen, dass der Verlust vor Abschluss der Konkursverfahren nicht berücksichtigt werden könne. Das FG gab der Klage statt. Die Revision führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und Klageabweisung.

 

Entscheidungsgründe

Der vom Kläger geltend gemachte Verlust aus der Liquidation der GmbH kann bei der ESt-Veranlagung 1993 noch nicht berücksichtigt werden. Die Gesellschaften sind zwar mit der Konkurseröffnung aufgelöst worden[1]. Die Entstehung des Verlustes setzt aber weiter voraus, dass mit Zuteilungen und Rückzahlungen gemäß § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht mehr zu rechnen ist und feststeht, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende wesentliche Aufwendungen anfallen werden. Nach Auflösung der Gesellschaft bestimmt sich der Zeitpunkt der Entstehung des Auflösungsgewinns oder -verlustes nach den GoB[2]. Dieser Zeitpunkt ist bei einer Auflösung mit anschließender Liquidation normalerweise der Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation; erst dann steht fest, ob und in welcher Höhe der Gesellschafter mit einer Zuteilung und Rückzahlung von Vermögen der Gesellschaft rechnen kann, und ferner, welche nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung anfallen und welche Veräußerungs- bzw. Auflösungskosten der Gesellschafter persönlich zu tragen hat[3]. Ausnahmsweise kann der Zeitpunkt, in dem der Veräußerungsverlust realisiert ist, schon vor Abschluss der Liquidation liegen, wenn mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlustes nicht mehr zu rechnen ist. Das ist z.B. dann der Fall, wenn die Eröffnung eines Konkursverfahrens mangels Masse abgelehnt wurde[4] oder wenn die Gesellschaft bereits im Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses vermögenslos war[5]. Hier kann die Möglichkeit einer Auskehrung von Restvermögen an die Gesellschafter ausgeschlossen werden.

Bei einer Auflösung der Gesellschaft wegen Eröffnung des Konkursverfahrens lässt sich diese Feststellung regelmäßig noch nicht treffen. Die stillen Reserven sind bei Veräußerungsgeschäften erst dann realisiert, wenn der Veräußerer seine Sachleistung erbracht hat. Davon ist auch im Konkursfall auszugehen; der Veräußerungsgewinn oder -verlust ist erst realisiert, wenn der Konkursverwalter die einzelnen Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens oder das Unternehmen im Ganzen veräußert und mit dem letzten Geschäftsvorfall die Grundlage für die Schlussverteilung geschaffen hat. Die Dauer eines Konkursverfahrens ist nicht abzuschätzen, wenn - wie auch im Streitfall - erhebliches Betriebsvermögen abzuwickeln ist. In dieser Zeit können sich die Marktwerte der Wirtschaftsgüter erheblich ändern. Eine strenge Beachtung des Realisationsprinzips ist auch deshalb geboten, weil damit der oft erhebliche Aufwand einer Ermittlung und Bewertung des Gesellschaftsvermögens durch die Beteiligten und Prognosen über den vermutlichen Ausgang des Konkursverfahrens vermieden werden. Hinzu kommt, dass bei Eröffnung des Konkursverfahrens nicht sicher ist, dass es zur Vollbeendigung der Gesellschaft und damit zu einem endgültigen Liquidationsverlust der Gesellschafter kommen wird. Selbst bei erheblicher Überschuldung der Gesellschaft ist bis zur Schlussverteilung ein Zwangsvergleich möglich, wenn die Masse ausreicht, um die Masseansprüche und die bevorrechtigten Gläubiger zu befriedigen[6].

Der Senat lässt offen, ob eine Ausnahme von diesen Grundsätzen dann zu machen ist, wenn aufgrund des Inventars und der Konkurseröffnungsbilanz des Konkursverwalters[7] oder einer Zwischenrechnungslegung[8] ohne weitere Ermittlungen mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass das Vermögen der Gesellschaft zu Liquidationswerten die Schulden nicht mehr decken wird und ein Zwangsvergleich ausgeschlossen erscheint. So eindeutig liegt der Fall hie...

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