Leitsatz

Bezieht ein Unternehmer im Inland Leistungen, die er im Ausland für eine Grundstücksvermietung verwendet, ist nach § 15 Abs. 2 Nr. 2 UStG zu prüfen, ob die Grundstücksvermietung steuerfrei (vorsteuerabzugsschädlich) wäre, wenn sie im Inland ausgeführt würde. Dies bestimmt sich nach den Vorschriften des § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG und des § 9 UStG. Die Grundstücksvermietung wäre im Inland nicht steuerfrei gewesen, wenn der Grundstücksvermieter die Grundstücksvermietung im Ausland tatsächlich als steuerpflichtig behandelt hat und die Voraussetzungen des § 9 UStG für den Verzicht auf die Steuerbefreiung einer Grundstücksvermietung vorlagen (entgegen Abschn. 205 Abs. 1 UStR).

 

Sachverhalt

Ein geschlossener Immobilienfonds mit Sitz, aber ohne umsatzsteuerbare Leistungen in Deutschland erwarb 1997 zwei Bürogebäude in den Niederlanden, vermietete sie an andere Unternehmer und verzichtete für diese Umsätze auf die Umsatzsteuerfreiheit. Die Vermietungsumsätze wurden daher in den Niederlanden der Umsatzsteuer unterworfen. Für 1997 und 1998 machte der Fonds Vorsteuerbeträge geltend, die ihm von deutschen Unternehmern – hauptsächlich für Objektauswahl, Rechts- und Steuerberatung – in Rechnung gestellt worden waren. Das Finanzamt lehnte den Vorsteuerabzug unter Berufung auf § 15 Abs. 2 Nr. 2 UStG und Abschn. 205 Abs. 1 UStR ab, da Auslandsumsätze vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen seien, die als Inlandsumsätze steuerfrei wären. Das gelte auch für Umsätze, für die bei ihrer Ausführung im Inland zur Steuerpflicht optiert werden könne.

 

Entscheidung

Die Revision führte zur Zurückverweisung der Sache an das FG, denn aufgrund der bisherigen Feststellungen des FG war nicht zu erkennen,

  • wo der Ort der bezogenen Leistungen liegt. Der abgerechnete Umsatz muss der deutschen Umsatzbesteuerung unterliegen, um hier den Vorsteuerabzug zu eröffnen. Nach der Vorentscheidung handelte es sich hauptsächlich um Leistungen, die für die Gebäudeerrichtung benötigt worden waren. Es kommt deshalb ernsthaft in Betracht, dass sie – jedenfalls teilweise – gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 1 UStG"im Zusammenhang" mit den in den Niederlanden belegenen Grundstücken standen und deshalb dort zu besteuern waren.
  • ob die Voraussetzungen des § 9 UStG für einen Verzicht auf eine steuerfreie Grundstücksvermietung vorliegen.

Der Fonds hat die Leistungsbezüge zur Ausführung von Umsätzen im Ausland – Vermietung der Grundstücke in den Niederlanden – verwendet. Der Ort dieser Vermietungsumsätze lag nach § 3a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a UStG in den Niederlanden. Nach § 15 Abs. 2 Nr. 2 UStG ist deshalb zu prüfen, ob die Grundstücksvermietung steuerfrei (vorsteuerabzugsschädlich) wäre, wenn sie im Inland ausgeführt würde. Da der Fonds die Grundstücksvermietung nach den Feststellungen des FG in den Niederlanden als steuerpflichtig behandelt hat, wäre darin auch in Deutschland ein Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG zu sehen, wenn die Klägerin die Grundstücke in Deutschland vermietet hätte und die übrigen Voraussetzungen des § 9 UStG vorlägen.

Soweit die Finanzverwaltung in Abschn. 205 Abs. 1 UStR lediglich § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG, nicht aber § 9 UStG entsprechend anwenden will, widerspricht dies dem Neutralitätsprinzip.

Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 UStG für einen Verzicht auf die Steuerbefreiung einer Grundstücksvermietung sind noch zu prüfen. So kommen als Mieter auch Banken und Versicherungen in Betracht, die die Räume für die in § 4 Nr. 8, Nr. 10 UStG genannten Umsätze verwenden; diese Umsätze wären in Deutschland steuerfrei und schließen deshalb den Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 2 UStG aus.

 

Praxishinweis

Es handelt sich um eine interessante Variante "grenzüberschreitender" Tätigkeit eines in einem Mitgliedstaat ansässigen Unternehmens in einem anderen Mitgliedstaat, für die nicht das Vorsteuervergütungsverfahren nach § 18 Abs. 9 UStG gilt, weil die mit Vorsteuer belasteten Eingangsleistungen nicht im anderen Mitgliedstaat, sondern im Sitzstaat angefallen sind. Im Streitfall kann wohl davon ausgegangen werden, dass in beiden betroffenen Mitgliedstaaten (Deutschland und Niederlande) gleiche Vorsteuerabzugsregelungen gelten. Bestünde dagegen in den Niederlanden eine Abzugseinschränkung, wäre auf die EuGH-Rechtsprechung zum Vorsteuervergütungsverfahren zurückzugreifen, der sich wohl ein Grundsatz entnehmen lässt, dass die Beurteilung der Verwendung eines Leistungsbezugs zur Ausführung abzugsschädlicher steuerfreier Ausgangsumsätze sich nach dem Recht des Mitgliedstaats richtet, das für den Abzug am ungünstigsten ist[1].

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 6.5.2004, V R 73/03

[1] Vgl. EuGH-Urteile vom 26.9.1996, Rs. C -302/93 (Debouche), HFR 1996, S. 838; vom 13.7.2000, Rs. C-136/99 (Societe Monte Dei Paschi di Siena), HFR 2000, S. 762

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