Leitsatz (amtlich)

Überlässt der geschiedene Ehemann seiner Ehefrau, die beide Miteigentümer eines Einfamilienhauses sind, aufgrund einer Unterhaltsvereinbarung das Haus zur alleinigen Nutzung, so kann er den Mietwert seines Miteigentumsanteils als Sonderausgabe i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG absetzen.

Auch die verbrauchsunabhängigen Kosten für den Miteigentumsanteil der geschiedenen Ehefrau, welche der Ehemann nach der Unterhaltsvereinbarung trägt, sind Sonderausgaben.

 

Sachverhalt

Der seit 1989 getrennt lebende Kläger überließ seiner Ehefrau aufgrund eines gerichtlichen Vergleiches vom 22.11.1990 u.a. die Nutzung des je zur Hälfte im Miteigentum der Eheleute stehenden Einfamilienhauses. Der hieraus entstehende Wohnvorteil wurde als Sachbezug für die Dauer der Trennung mit monatlich 600 DM bewertet. Der Kläger verpflichtete sich weiterhin, die verbrauchsunabhängigen Kosten für das Haus zu zahlen. Außerdem zahlte er einen Barunterhalt von 1 400 DM im Monat. Für das Streitjahr 1992 machte der Kläger unter Vorlage einer entsprechenden, von seiner Ehefrau unterschriebenen Anlage U Sonderausgaben i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG in Höhe von insgesamt 24 000 DM (Barleistungen von 16 800 DM und Sachleistungen von 7 000 DM) geltend. Das Finanzamt ließ neben dem Barunterhalt nur noch die Ausgaben für Grundsteuer, Hausratversicherung und Rechtsschutzversicherung von zusammen 747 DM zum Sonderausgabenabzug. Das FG gab der Klage statt[1]. Die Revision des Finanzamts blieb erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1992 kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten bis 27 000 DM im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehen, wenn er dies mit Zustimmung des Empfängers beantragt (sog. begrenztes Realsplitting). Der Begriff "Unterhaltsleistungen" ist in § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht definiert. Nach h.M. entspricht er dem in § 33a EStG verwendeten Begriff "Aufwendungen für den Unterhalt"[2]. Maßgeblich ist, dass die Aufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG für Zwecke des Unterhalts gemacht worden sind[3]. Danach sind Unterhaltsleistungen die typischen Aufwendungen zur Bestreitung der Lebensführung, z.B. für Ernährung, Kleidung, Wohnung. Der Unterhalt kann in Geld oder geldwerten Sachleistungen erbracht werden. Die unentgeltliche Überlassung einer Wohnung stellt eine sog. Naturalunterhaltsleistung dar, die in sinngemäßer Anwendung des § 15 Abs. 2 BewG mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsorts anzusetzen ist[4]. Wird eine Wohnung unentgeltlich zu Unterhaltszwecken überlassen und dadurch der Anspruch des Unterhaltsberechtigten auf Barunterhalt vermindert, so ist die Wohnungsüberlassung einer geldwerten Sachleistung (Ausgabe) gleichzusetzen, die mit der Überlassung zur Nutzung abfließt[5]. Denn durch die Wohnungsüberlassung unter gleichzeitiger Verminderung des Barunterhalts wird lediglich der Zahlungsweg der Unterhaltsleistungen abgekürzt. Der Fall, dass der Unterhaltsberechtigte mit dem ihm gewährten (höheren) Barunterhalt selbst eine Wohnung mietet, kann für den Bereich des Sonderausgabenabzugs nicht anders behandelt werden als der vorliegende Fall, in dem sich die Unterhaltsleistung aus (niedrigerem) Barunterhalt und unentgeltlicher Wohnungsüberlassung zusammensetzt. Der Unterhaltsberechtigte hat den Wert der Sachleistung wie auch den Barunterhalt als sonstige Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 1a EStG zu versteuern.

Den Feststellungen des FG lässt sich nicht entnehmen, ob der von den Beteiligten angenommene Wert der Sachaufwendung der ortsüblichen Miete für den hälftigen Miteigentumsanteil entspricht, oder ob sich der durch den Vergleich bestimmte Wohnvorteil auf das gesamte Einfamilienhaus bezieht. In diesem Fall hätte der Kläger aus der unentgeltlichen Überlassung seines Anteils nur Aufwendungen von 3 600 DM. Der Senat braucht die Sache jedoch nicht aus diesem Grund an das FG zurückzuverweisen. Denn neben dem Wert seines der Ehefrau unentgeltlich überlassenen Anteils an der gemeinsamen Wohnung kann der Kläger dem Grunde nach auch den auf den Anteil der Ehefrau entfallenden Teil der verbrauchsunabhängigen Kosten, die er mit 7 803 DM für das den dauernd getrennt lebenden Ehegatten gemeinsam gehörende Haus getragen hat, als Unterhaltsleistungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG vom Gesamtbetrag seiner Einkünfte abziehen. Der vom Kläger neben dem Barunterhalt von 16 800 DM noch geltend gemachte Betrag von 7 200 DM wird jedenfalls erreicht (3 600 DM + 1/2 von 7 803 DM).

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 12.4.2000 - XI R 127/96

[2] Vgl. Hutter, in: Blümich, EStG KStG GewStG, § 10 EStG Rz. 60
[4] Vgl. BFH-Urteil vom 9.11.1993, XI R 74/90, BFH/ NV 1994, S. 474
[5] Vgl. Söhn, in: Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 10 EStG Rn. C 25

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