Rz. 500

Auch in der Praxis der Wohnungsgenossenschaften kommt es durchaus häufiger vor, dass Verträge mit dafür qualifizierten Aufsichtsratsmitgliedern abgeschlossen werden, z. B. für bestimmte Dienst- oder Werkleistungen für das Unternehmen, etwa im Bereich der Rechts- oder Steuerberatung oder der Erbringung von Architekten- und Ingenieurleistungen. Für den Abschluss solcher Verträge, z. B. von Beratungsverträgen, im Namen der Genossenschaft gegenüber "Dritten", auch wenn es sich um Aufsichtsratsmitglieder handelt, ist grundsätzlich der Vorstand aufgrund seiner Leitungs- und Vertretungsbefugnis zuständig.[1]

 

Rz. 501

In solchen Fällen ist aber zu beachten, dass die Aufsichtsratsmitglieder im Rahmen ihrer jeweiligen Qualifikation und ggf. ihrer besonderen beruflichen Kenntnisse dazu beitragen sollen, dass das Gesamtgremium seinen Aufgaben nachkommt. Es ist daher nicht möglich, dass z. B. ein Aufsichtsratsmitglied, das Jurist ist und damit gegenüber den übrigen Mitgliedern des Aufsichtsrats über besondere fachliche Qualifikationen verfügt, einen Beratungsvertrag abschließt, um eine Vergütung für die Überwachungstätigkeit unter Hinweis auf seine juristische Qualifikation zu erhalten. Als Gegenstände eines Beratungsvertrags zwischen der Genossenschaft und einem einzelnen Aufsichtsratsmitglied kommen vielmehr nur Leistungen in Betracht, die besondere Fachgebiete betreffen und folglich nicht in den Aufgabenbereich des Aufsichtsrats fallen, wie z. B. eine arbeitsrechtliche Einzelfallberatung.[2] Unabhängig davon muss aber jedes Aufsichtsratsmitglied Kenntnis von den für seine Tätigkeit maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften sowie den Regelungen der Satzung haben.

 

Rz. 502

Wenn einzelne Aufsichtsratsmitglieder aufgrund von vertraglichen Vereinbarungen mit der eG besondere Beratungsleistungen erbringen, dann unterstützen sie die Vorstandsmitglieder bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. Eine sich daraus möglicherweise ergebende Interessenkollision zwischen der Aufsichtsratstätigkeit und der Beratungstätigkeit muss daher in jedem Fall vermieden werden. Der Aufsichtsrat hat den Vorstand zwar auch zu fördern.[3] "Fördern" bedeutet hier die Unterstützung durch Anregung und Rat (fördernde Beratung).[4] Die wichtigste Aufgabe des Aufsichtsrats ist aber die Überwachung des Vorstands.

 

Rz. 503

Der Bundesgerichtshof hat sich in einem Urteil aus dem Jahr 2012[5] ("Fresenius"-Entscheidung) mit der Zulässigkeit und den Anforderungen an den Abschluss von Beratungsverträgen mit Aufsichtsratsmitgliedern einer Aktiengesellschaft beschäftigt. Der Vorstand handelt danach jedenfalls im Regelfall rechtswidrig, wenn er an ein Aufsichtsratsmitglied eine Vergütung zahlt, obwohl der Aufsichtsrat dem zugrunde liegenden Beratungsvertrag noch nicht nach § 114 Abs. 1 AktG zugestimmt hat. Nach dieser Vorschrift hängt die Wirksamkeit des Vertrags von der Zustimmung des Aufsichtsrats ab, wenn sich ein Aufsichtsratsmitglied außerhalb seiner Tätigkeit im Aufsichtsrat durch einen Dienstvertrag (durch den aber kein Arbeitsverhältnis begründet wird) oder durch einen Werkvertrag gegenüber der Gesellschaft zu einer Tätigkeit höherer Art verpflichtet.

 

Rz. 504

In dem Fall, der der Entscheidung zugrunde lag, war die Klägerin Aktionärin einer Aktiengesellschaft des Europäischen Rechts (SE). Die Aktionärin erhob Anfechtungsklage gegen Beschlüsse, die in der Hauptversammlung im Jahr 2009 über die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2008 gefasst worden waren. Nach Ansicht der Klägerin hatte der Vorstand gegen § 114 AktG verstoßen. Die Beklagte SE und ihre Tochtergesellschaft hatten Beratungsverträge mit einer Anwaltssozietät geschlossen, deren Partner der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Beklagten war. Die im Jahr 2008 geschlossenen Beratungsverträge, für die bereits Honorare in Höhe von 1 Mio. Euro gezahlt worden waren, wurden erst in einer späteren Aufsichtsratssitzung Ende 2008 genehmigt.

Der BGH hat in seiner Urteilsbegründung zunächst ausgeführt, dass nach seiner Rechtsprechung ein Beschluss der Hauptversammlung über die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats gegen § 120 Abs. 2 Satz 1 AktG verstößt und deshalb anfechtbar ist (§ 243 Abs. 1 AktG), wenn damit ein Verhalten gebilligt wird, das einen schwerwiegenden und eindeutigen Gesetzes- oder Satzungsverstoß darstellt. Zwar lag im vorliegenden Fall durch die Zahlung der Beratungshonorare an die Anwaltssozietät ein Gesetzesverstoß (§ 114 AktG) vor, obwohl der Aufsichtsrat den zugrunde liegenden Verträgen nicht zugestimmt hatte. Da der Aufsichtsrat diese Praxis nicht beanstandet hatte, verhielt er sich nach Ansicht des Gerichts ebenfalls rechtswidrig. Der BGH hat in dem Verhalten aber keinen schweren und eindeutigen Verstoß gesehen, sodass die Entlastungsbeschlüsse nicht angefochten werden konnten.

Weiter hat das Gericht darauf hingewiesen, dass ein Vorstand wegen der Vorschrift des § 114 AktG grundsätzlich keine Honorare an ein Aufsichtsratsmitglied oder seine Soziet...

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