Leitsatz
Die Anfechtung eines Grundlagenbescheids (hier: Gewinnfeststellungsbescheids) mit Einspruch oder Klage führt nicht dazu, dass die für die Festsetzung der Folgesteuern (hier: Einkommensteuer) maßgebende Festsetzungsfrist bis zur Unanfechtbarkeit des (geänderten) Feststellungsbescheids gehemmt wird.
Sachverhalt
S war Gesellschafter einer GbR, die beim Finanzamt T geführt wurde. Am 11.5.2001 erließ das Finanzamt T geänderte Gewinnfeststellungsbescheide für die GbR für 1994 bis 1997 und teilte die neuen Besteuerungsgrundlagen dem für S zuständigen Wohnsitzfinanzamt B mit. Die geänderten Gewinnfeststellungsbescheide wurden nach Rücknahme der gegen sie von der GbR erhobenen Klage am 17.9.2003 bestandskräftig. Am 18.6. und 3.7.2003 änderte das Finanzamt B die Einkommensteuerbescheide 1994 bis 1997 für S nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Das FG gab der dagegen erhobenen Klage, mit der S sich auf Festsetzungsverjährung berief, statt. Der BFH bestätigte die Vorentscheidung.
Entscheidung
Die reguläre Frist für die (geänderte) Festsetzung der Einkommensteuer 1994 bis 1997 wäre vor dem 1.1.2003 abgelaufen. Dieser Fristablauf wurde gemäß § 171 Abs. 10 Satz 1 AO bis zum Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe der geänderten Gewinnfeststellungsbescheide 1994 bis 1997 vom 11.5.2001 gehemmt. Da die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1994 bis 1997 jedoch nicht innerhalb dieser Frist, sondern erst am 18.6. bzw. 3.7.2003 das Finanzamt B verlassen haben, sind sie wegen zwischenzeitlich eingetretener Festsetzungsverjährung rechtswidrig und deshalb aufzuheben. Mit dem FG und der h.M. geht der Senat davon aus, dass die Anfechtung eines Grundlagenbescheids den Ablauf der Frist für die Festsetzung der Folgesteuern gemäß § 171 Abs. 10 AO nicht hemmt. Das Ende der Ablaufhemmung wird nach § 171 Abs. 10 AO allein durch die Bekanntgabe des Grundlagenbescheids bestimmt. Eine Anfechtung des Grundlagenbescheids führt lediglich zur Hemmung der Feststellungsfrist, nicht aber zur Hemmung der Frist für die Festsetzung der von ihm abhängigen Folgesteuern. Deshalb kann die Anpassung des Folgebescheids an den Grundlagenbescheid nur innerhalb von zwei Jahren nach dessen Bekanntgabe erfolgen.
Praxishinweis
Mit dem Besprechungsurteil folgt der BFH der schon bisher in der Literatur vorherrschenden Auffassung. Er ist damit allerdings von seiner früheren Rechtsprechung abgewichen. Dennoch war eine Vorlage an den Großen Senat des BFH entbehrlich, weil der IX. Senat des BFH an seinem gegenteiligen Standpunkt nicht mehr festhält.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 19.1.2005, X R 14/04