Leitsatz

Duldung des Mieters auf Rückbau (hier: Umbau eines Balkons zu einem Wintergarten und Ersetzung von Fenstern durch einen Balkon seitens des vermietenden Eigentümers als bereits rechtskräftig verurteiltem ursprünglichen Handlungsstörer)

 

Normenkette

§ 22 Abs. 1 WEG a. F.; §§ 903, 985, 986, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB

 

Kommentar

  1. Beeinträchtigt der Zustand einer Wohnung das Eigentum eines Dritten (hier eines Mitglieds der Wohnungseigentümergemeinschaft) und geht dies auf rechtswidriges Handeln des Wohnungseigentümers (Vermieters) zurück, kann der Dritte den Mieter der Wohnung auf Duldung der Störbeseitigung in Anspruch nehmen.

    Der Mieter ist zwar nicht Handlungsstörer, jedoch Zustandsstörer. Dies folgt allerdings nicht schon daraus, dass er sich weigert, den zur Störbeseitigung erforderlichen Rückbau zu dulden. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH genügt für sich genommen weder die Sachherrschaft über die störende Sache noch die damit einhergehende Möglichkeit, die Störung zu beenden, um jemanden als Störer i. S. d. § 1004 BGB anzusehen. Zustandsstörer ist vielmehr derjenige, der die Beeinträchtigung zwar nicht verursacht hat, durch dessen maßgebenden Willen der beeinträchtigende Zustand aber aufrecht erhalten wird. Der in Anspruch Genommene muss hier die Quelle der Störung beherrschen, also die Möglichkeit zu deren Beseitigung haben (hier: im Rahmen einer Duldung). Weiterhin muss dem in Anspruch Genommenen die Beeinträchtigung auch zurechenbar sein. Hierfür genügt es nicht, dass der in Anspruch Genommene Eigentümer oder Besitzer der Sache ist, von der die Störung ausgeht. Für die erforderliche Zurechnung der Beeinträchtigung ist vielmehr erforderlich, dass die Beeinträchtigung wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers oder Besitzers der störenden Sache zurückgeht. Ob dies der Fall ist, kann nicht begrifflich, sondern nur in wertender Betrachtung von Fall zu Fall festgestellt werden. Entscheidend ist, ob es Sachgründe dafür gibt, dem Eigentümer oder Nutzer der störenden Sache die Verantwortung für ein Geschehen aufzuerlegen (vgl. auch Wenzel, NJW 2005, 241). Dies gilt unabhängig davon, ob der Beeinträchtigte die Beseitigung der Störung oder lediglich deren Duldung verlangt. Die Störeigenschaft des in Anspruch Genommenen gehört zu den unverzichtbaren Voraussetzungen eines auf § 1004 BGB gestützten Anspruchs. Vorliegend war dem beklagten Mieter die Aufrechterhaltung der Beeinträchtigung des Eigentums zuzurechnen. Allerdings kann einem Mieter wiederum die Verantwortung für den – von ihm nicht geschaffenen – baulichen Zustand der Wohnung nicht auferlegt werden. Anders ist dies, wenn ein Mieter die Beeinträchtigung willentlich aufrecht erhält. Ein bloßes Unterlassen kann dem Dritten nur zugerechnet werden, wenn er aus irgendeinem Rechtsgrund zur Duldung der Störbeseitigung verpflichtet ist.

  2. Von einer solchen Duldungspflicht ist im vorliegenden Fall auszugehen. Ein Mieter hat nicht weiter gehende Rechte als sein Vermieter. Damit muss er allein die Beseitigung einer von seiner angemieteten Wohnung ausgehenden Störung dulden. Handlungsstörer ist und bleibt der zur Beseitigung verpflichtete Vermieter. Ungeachtet des schuldrechtlichen Mietverhältnisses muss der Mieter den Rückbau dulden. Besteht der Beitrag eines Besitzers (Mieters) – wie hier – nur darin, dass er sich kraft seiner Sachherrschaft der Beseitigung der Störung widersetzt, kann er deshalb – sofern er Störer ist – auf Duldung der Beseitigung in Anspruch genommen werden.
Anmerkung

Vgl. auch Hannemann (NZM 2004, 531) zu einem ähnlich gelagerten Streitfall (u. a. vor dem OLG München v. 10.12.2002, 5 U 4733/02, NZM 2003, 445), der insgesamt durch 10 Instanzen geführt werden musste!

 

Link zur Entscheidung

BGH, Beschluss vom 01.12.2006, V ZR 112/06BGH v. 1.12.2006, V ZR 112/06, NZM 4/2007, 130 = ZMR 3/2007, 188 (auf Vorlage des KG Berlin v. 21.3.2006, 4 U 97/05, NZM 2006, 636)

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