Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung des Nachlassplegers: Stundensatz des anwaltlichen Nachlasspflegers bei vermögenden Nachlass
Leitsatz (amtlich)
Die Vergütung des anwaltlichen Berufsnachlassflegers richtet sich bei einem vermögenden Nachlass gem. §§ 1915 Abs. 1 Satz 2, 1838 Abs. 1 BGB abweichend von § 3 VBVG nach den für die Führung der Pflegschaftsgeschäfte nutzbaren Fachkenntnissen des Pflegers - die bei einem zum Nachlasspfleger bestellten Rechtsanwalt außer Zweifel stehen - sowie nach Umfang und Schwierigkeit der Pflegschaftsgeschäfte.
Der Senat hält eine Staffelung des Stundensatzes von 33,50 - 65 EUR bei einfacher Abwicklung, über 70 - 90 EUR bei mittelschweren Pflegschaften bis zu 115 EUR bei schwieriger Abwicklung für gerechtfertigt.
Normenkette
BGB § 1915 Abs. 1 S. 2, §§ 1960, 1836 Abs. 1; VBVG § 3
Verfahrensgang
AG Erfurt (Beschluss vom 30.04.2012; Aktenzeichen VI 359/11) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des AG -Nachlassgerichts -Erfurt vom 30.4.2012 geändert.
Dem Beteiligten zu 1) wird auf seinen Antrag vom 10.11.2011 für seine Tätigkeit in der Zeit vom 11.5.2011 bis zum Verfahrensabschluss eine Vergütung i.H.v. 1.544,20 EUR zzgl. 21,23 EUR Auslagenersatz zzgl. 297,43 EUR USt., mithin 1.862,86 EUR brutto, bewilligt.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 787,54 EUR.
Gründe
I. Das AG -Nachlassgericht -Erfurt hat mit Beschluss vom 9.5.2011 die Nachlasspflegschaft mit dem Wirkungskreis "Sicherung und Verwaltung des Nachlasses" angeordnet und den Beteiligten zu 1), einen Rechtsanwalt, zum Nachlasspfleger bestellt. In dem Beschluss des Nachlassgerichts wird festgestellt, dass der Nachlasspfleger die Pflegschaft berufsmäßig führt.
Der Nachlass bestand im Wesentlichen aus einem fremdfinanzierten Pkw, dessen Sicherung und Verwertung durch die finanzierende Bank der Nachlasspfleger veranlasst hat, einem im Soll geführten Giro- sowie einem Sparkonto, mehreren Kreditverträgen sowie einer Restschuldversicherung, deren Guthaben der Nachlasspfleger auf ein zuvor eingerichtetes Anderkonto hat überweisen lassen.
Mit Schriftsatz vom 10.11.2011 legte der Nachlasspfleger seinen Abschlussbericht vor, wies darauf hin, dass das Bedürfnis für die Sicherung und Verwaltung des Nachlasses wegen dessen Erschöpfung entfallen sei und beantragte unter Beifügung einer Zeitaufstellung mit stichwortartiger Angabe seiner Tätigkeiten, seine Vergütung für die Zeit vom 11.5.2011 bis Verfahrensabschluss auf 1.544,20 EUR zzgl. 21,23 EUR Auslagenersatz zzgl. 297,43 EUR gesetzliche Umsatzsteuer (insges. 1.862,86 EUR) festzusetzen. Der Nachlasspfleger geht in seiner Abrechnung von 22,06 Arbeitsstunden und einem Stundensatz von 70 EUR aus. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 124 ff. d.A. Bezug genommen. Gleichzeitig beantragte der Nachlasspfleger, den festgesetzten Betrag dem Nachlass entnehmen zu dürfen.
Der Freistaat Thüringen als Erbe des Erblassers äußerte keine Einwände gegen den Vergütungsantrag des Nachlasspflegers.
Das Nachlassgericht setzte die Vergütung des Beteiligten zu 1) für die Führung der Nachlass- pflegschaft durch Beschluss vom 30.4.2012 auf 882,40 EUR sowie 21,23 EUR Auslagenersatz zzgl. 19 % Ust. i.H.v. 171,69 EUR (insg. 1.075,32 EUR) fest. Das Nachlassgericht führte aus, dem beantragten Stundensatz von 70 EUR könne wegen der einfachen Nachlassabwicklung nicht entsprochen werden. Der Umfang und die Schwierigkeit der pflegerischen Geschäfte würden nur einen Stundensatz von 40 EUR rechtfertigen (vgl. Bl. 137 ff. d.A.).
Gegen den ihm am 16.5.2012 zugestellten Beschluss legte der Nachlasspfleger am 15.6.2012 Beschwerde ein. Er hält daran fest, dass Art und Umfang seiner Tätigkeiten einen Stundensatz von 70 EUR angemessen erscheinen ließen. Auf die Beschwerde vom 4.7.2012 sowie den Schriftsatz vom 4.11.2012 wird wegen der Einzelheiten verwiesen.
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt (Beschluss vom 8.8.2012, Bl. 157f d.A.).
II.1. Die Zuständigkeit des OLG ergibt sich aus § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG.
Die Beschwerde des Nachlasspflegers ist gem. §§ 58 Abs. 1, 61 Abs. 1 FamFG zulässig. Die Beschwer beträgt für den Nachlasspfleger 787,54 EUR und übersteigt damit den Beschwerdewert von 600 EUR. Die Beschwerdefrist von einem Monat (§ 63 Abs. 1 FamFG) hat der Nachlasspfleger eingehalten.
2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
a. Der Beteiligte zu 1) als Rechtsanwalt übt die Nachlasspflegschaft berufsmäßig aus, wie sich aus dem Beschluss des Nachlassgerichts vom 9.5.2011 betreffend die Anordnung der Nachlasspflegschaft und die Bestellung des Beteiligten zu 1) als Nachlasspfleger ergibt. Der Nachlass verfügt auch über ausreichende Mittel zur Bezahlung einer Vergütung für den Nachlasspfleger. Nach der Rechnungslegung des Beteiligten zu 1) (vgl. Bl. 121f d.A.) besteht der Aktivnachlass aus einem die beantragte Vergütung übersteigenden Sparguthaben.
b. Die H...