Verfahrensgang
LG Dessau-Roßlau (Urteil vom 20.06.2008; Aktenzeichen 2 O 39/08) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 20.6.2008 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Dessau-Roßlau teilweise abgeändert.
Der Vollstreckungsbescheid des AG Hamburg vom 4.1.2008 wird aufrechterhalten, soweit die Beklagte verurteilt ist, an den Kläger 88.102 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.3.2004 zu zahlen.
Im Übrigen bleiben der Vollstreckungsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 v.H. des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Der Streitwert für den Berufungsrechtszug beträgt 90.944 EUR.
Gründe
A. Die Insolvenzschuldnerin beteiligte sich u.a. im Arbeitsamtsbezirk W. an der Ausschreibung der Beklagten für die Vergabe von Aufträgen zur Errichtung von Personal-Service-Agenturen (PSA). Am 5.2.2003 erteilte die Beklagte ihr für die Dauer eines Jahres die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Im Zuge des Vergabeverfahrens betreffend die PSA im Bezirk M. errichteten Bedienstete der Beklagten ein Protokoll über am 18.3.2003 durchgeführte Nachverhandlungen mit der Insolvenzschuldnerin (Anlage 1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 28.3.2008, Bl. 128 Bd. I d.A.), in dem es zu Nr. 5. u.a. heißt:
"Der Bieter wurde darüber in Kenntnis gesetzt, dass im Falle eines Vertragsabschlusses ... e) keine Fallpauschale gewährt werden kann für volle Kalendermonate ohne Zahlung von Arbeitsentgelt (z.B. bei Krankheit des Arbeitnehmers über 6 Wochen)".
Die Insolvenzschuldnerin erhielt eine Abschrift dieses Protokolls. Am 15.5.2003 schloss sie mit der Beklagten zwei gleichlautende schriftliche Verträge, deren erster Punkt lautet:
"Der Vertragspartner richtet im Bezirk des Arbeitsamtes W. eine Personal-Service-Agentur (PSA) nach § 37c SGB III i.V.m. § 434g Abs. 5 SGB III ein und betreibt diese als organisatorisch eigenständige Einheit in seinen Räumen in W.
Auf der Grundlage dieser Vereinbarung stellt die PSA ausschließlich vom Arbeitsamt vorgeschlagene Arbeitnehmer in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse ein und führt eine vermittlungsorientierte Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des nachstehenden Absatzes durch.
Vorrangig überlässt die PSA die eingestellten Arbeitnehmer an Arbeitgeber. Ziel ist die Übernahme beim Entleiher oder die Vermittlung durch die PSA zu einem anderen Arbeitgeber und damit das möglichst rasche Überwechseln der bei der PSA eingestellten Arbeitnehmer in ein anderes sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis.
Die PSA hat keinen Anspruch darauf, dass die Einrichtung weiterer PSA mit anderen Vertragspartnern unterbleibt."
Ferner heißt es unter Nr. 7 der Verträge:
"Zwischen der PSA und dem jeweiligen Arbeitnehmer wird ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründet, das den Bestimmungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes unterliegt.
Es wird ein auf mindestens neun Monate befristeter Arbeitsvertrag schriftlich abgeschlossen. Die Befristung darf im Regelfall zwölf Monate nicht überschreiten. Befristungen unter neun Monaten sind nur zulässig, wenn diese aus der voraussichtlichen Restlaufzeit dieses Vertrages resultieren.
Besteht für den PSA-Arbeitnehmer die Möglichkeit, in ein anderes sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis überzuwechseln oder eine selbständige Tätigkeit aufzunehmen, muss ein sofortiges Ausscheiden ohne Nachteil für den Arbeitnehmer gewährleistet sein.
Das Arbeitsentgelt und die sonstigen Arbeitsbedingungen haben sich gem. § 434g Abs. 5 SGB III bis zum 31.12.2003 nach einem Tarifvertrag für Arbeitnehmerüberlassung zu richten."
In den verleihfreien Zeiten sollte die Insolvenzschuldnerin ohne besondere Kostenerstattung arbeitsmarktorientierte Integrationsbemühungen und individuell geeignete Kurzzeitqualifizierungen der Arbeitnehmer betreiben. Nach Nr. 9 der Verträge stand ihr als Entgelt für ihre Tätigkeit eine degressiv ausgestaltete monatliche Fallpauschale von anfangs 1.400 EUR zzgl. Umsatzsteuer für jeden von ihr eingestellten Arbeitslosen sowie für den Fall der Vermittlung eines der Arbeitslosen in ein Arbeitsverhältnis mit einem dritten Arbeitgeber eine Vermittlungsprämie zu. Die Zahlung der Fallpauschale sollte von verschiedenen, im Einzelnen genannten Voraussetzungen abhängen, zu denen jedoch nicht die tatsächliche Lohnzahlung der Insolvenzschuldnerin an die Arbeitnehmer gehört. Auch eine dem Hinweis zu Nr. 5e) des Verhandlungsprotokolls entsprechende Regelung wurde nicht in die Verträge aufgenommen. Über die Beendigung der Verträge war unter Nr. 14 u.a. festgehalten:
"Die Wirkung des Vertrages endet gem. § 37c Abs. 2 Satz 1 SGB III, wenn die PSA nicht mehr die Erlaubnis ...