Leitsatz (amtlich)
Die Barabfindung bei einem Ausschluss der Minderheitsaktionäre kann auch dann nach dem Ertragswert des Unternehmens bemessen werden, wenn ein Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag bestanden hat; der Barwert des festen Ausgleichs ist in der Regel nicht geeignet, die Verhältnisse des Unternehmens zum für den Squeeze-Out maßgeblichen Stichtag hinreichend wiederzugeben.
Normenkette
SpruchG § 12 Abs. 1; AktG §§ 327a ff.
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 17.11.2005; Aktenzeichen 1 HK O 4818/02) |
Tenor
I. Die sofortigen Beschwerden der Antragsteller zu 6), 9) und 10) gegen den Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 17.11.2005 werden zurückgewiesen.
II. Auf die Anschlussbeschwerde wird der Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 17.11.2005 dahin abgeändert, dass die angemessene Barabfindung für jede Stammstückaktie auf 191,30 EUR festgesetzt wird.
III. Im Übrigen wird die Anschlussbeschwerde zurückgewiesen.
IV. Der Geschäftswert des Verfahrens wird für beide Instanzen auf 2,85 Mio. EUR festgesetzt; insoweit wird der Beschluss des LG abgeändert.
Gründe
I. Gegenstand des Verfahrens ist die angemessene Barabfindung nach dem Ausschluss der Minderheitsaktionäre.
Die Antragsteller waren Aktionäre der F-AG, die nach Durchführung des Squeeze-Out aufgrund Vertrages vom 9.8.2002 mit der Antragsgegnerin verschmolzen wurde. Die Antragsgegnerin war Hauptaktionärin und hielt mit 2.141.782 Stamm- und 396 Vorzugsaktien 95,19 % des Grundkapitals. Das Stammkapital der F-AG von insgesamt 58.510.296 EUR war in 2.250.000 Stammstückaktien (58.500.000 EUR) und 396 Vorzugsstückaktien (10.296 EUR) aufgeteilt, so dass der rechnerische Nennwert jeder Aktie 26 EUR betrug. Auf jede Vorzugsaktie entfielen 3.200 Stimmen sowie eine Dividende von 1,50 EUR. Die Vorzugsaktien wurden nicht an der Börse gehandelt. Sie wurden zunächst von der T-AG gehalten und 2001 auf die Antragsgegnerin übertragen.
Die F-AG hat zunächst mit der Antragsgegnerin am 9.4.2001 einen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag abgeschlossen, dem die Hauptversammlung der F-AG am 29.5.2001 zugestimmt hat. Barabfindung und Ausgleich aufgrund dieses Unternehmensvertrages sind Gegenstand der Entscheidung des Senats vom 19.10.2006 (OLG München 19.10.2006 - 31 Wx 92/05). Am 17.5.2002 hat die Hauptversammlung beschlossen, die Aktien der Minderheitsaktionäre gegen eine Barabfindung von 165 EUR je Aktie auf die Antragsgegnerin zu übertragen. Der Beschluss wurde am 27.6.2002 im Handelsregister eingetragen. Der gewichtete durchschnittliche Börsenkurs in den letzten drei Monaten vor der Hauptversammlung betrug 176,10 EUR je Stammstückaktie, in den drei Monaten vor der Ankündigung des Squeeze-Out 173,03 EUR. Das LG hat auf Antrag der F-AG mit Beschluss vom 11.2.2002 einen sachverständigen Prüfer für die Angemessenheit der Abfindung bestellt. Die Prüfer haben in ihrem Bericht vom 28.3.2002 die vorgeschlagene Abfindung als angemessen bewertet.
Die Antragsteller haben beantragt, als angemessen eine höhere Abfindung festzusetzen. Das LG hat in der mündlichen Verhandlung vom 20.11.2003 die Prüfer zur Bewertung angehört. Diese haben außerdem eine schriftliche Stellungnahme vom 11.11.2003 abgegeben, die insb. Planungsrechnung und Ertragsprognosen erörtert, ferner die Bewertung des nicht betriebsnotwendigen Grundstücksvermögens, die Zuordnung von Forderungen gegen verbundene Unternehmen und der flüssigen Mittel zum betriebsnotwendigen Vermögen sowie Bereinigungen und Abschreibungsverhalten. In einer weiteren Stellungnahme haben die Prüfer die gewählte Risikozuschlagsmethode in Abgrenzung zur Sicherheitsäquivalenzmethode erläutert.
Mit Beschluss vom 17.11.2005 hat das LG die angemessene Barabfindung für jede Stammstückaktie auf 214,37 EUR festgesetzt. Dabei ging das LG abweichend von der im Auftrag der Hauptaktionärin erstellten Bewertung und dem Bericht der sachverständigen Prüfer von einem Basiszinssatz von 5,25 % (statt 6 %), einem Unternehmerrisikozuschlag von 2 % (statt 2,5 %) und einem Wachstumsabschlag für die Phase II von 1 % (statt 0,5 %) aus und legte unter Berücksichtigung der typisierten Steuer von 35 % einen Kapitalisierungszinssatz für die Phase I von 4,712 % und für die Phase II von 3,712 % zugrunde. Ferner nahm das LG eine Anhebung der für 2007 ff. angenommenen, mit 2006 identischen Umsatzerlöse und des Material- und Personalaufwands um 1 % vor, da die dynamische Entwicklung in der Vergangenheit auch in der Prognosephase zu berücksichtigen sei. Für noch nicht realisierte Ersatzansprüche wegen eines 1995/1996 vorgefallenen Betruges mit einer Schadenssumme von rund 183 Mio. DM stellte das LG einen Sonderwert von 5 Mio. EUR werterhöhend ein, zusätzlich zu dem nach Angaben der Antragsgegnerin bei "sonstigen Erträgen" bereits berücksichtigten, jedoch von ihr nicht bezifferten Erwartungswert. Ferner hielt das LG eine unterschiedliche Bewertung von Stamm- und Vorzugsaktien nicht für gerechtfertigt, da ein besonderer Wert der Mehrstimmrechte nicht sicher feststell...