Entscheidungsstichwort (Thema)
Reichweite der Rechtskraft eines Versorgungsausgleichsbeschlusses
Leitsatz (amtlich)
1. Die Rechtskraft eines familiengerichtlichen Beschlusses zur Durchführung des Versorgungsausgleichs entfaltet für einen nachfolgenden Zivilrechtsstreit über die Rentenhöhe auch dann umfassende Bindungswirkung, wenn die der Entscheidung des Familiengerichts zugrunde gelegte Teilungsordnung keine zureichende Regelung der gleichwertigen Teilhabe des ausgleichsberechtigten Ehegatten enthält.
2. Bis zum 21.12.2012 geschlossene Altersvorsorgeverträge bleiben von der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 1.3.2011 (Az.: C-236/09 - VersR 2011, 377) zur Richtlinie 2004/113/EG in Bezug auf geschlechtsneutrale Tarifierungen, unberührt.
Normenkette
EGRL 2004/113 EG Art. 5 Abs. 2; VersAusglG § 11 Abs. 1; ZPO § 322 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 15.10.2020; Aktenzeichen 2-23 O 21/20) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 15.10.2020 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages leisten, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zur Vollstreckung gebrachten Betrages leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Höhe einer von der Beklagten als Pensionsfonds nach durchgeführtem Versorgungsausgleich zu gewährenden Altersrente.
Die Klägerin (geboren am XX.XX.1954) war seit dem XX.XX.1985 mit A (geboren am XX.XX.1954) verheiratet. Die Ehe ist geschieden; das Ende der Ehezeit wurde im Scheidungsverfahren auf den 31.8.2004 festgelegt.
In der Zeit vom 1.10.1985 bis 31.3.2001 war der geschiedene Ehemann der Klägerin bei der Bank1 AG tätig gewesen; ihm war eine Betriebsrente zugesagt worden. Im Mai 2010 - während bereits laufendem Versorgungsausgleichsverfahrens - erfolgte eine Auslagerung der Versorgungsverpflichtung auf die Beklagte als mittelbare Versorgungsträgerin. Am 20.4.2010 wurde mit der Beklagten der Pensionsfondsvertrag mit der Nr. ... abgeschlossen und mit Wirkung zum 30.10.2010 alle Versorgungsverpflichtungen - auch die des Ehemanns der Klägerin - auf diese übertragen.
Im Rahmen des Scheidungsverfahrens war durch Beschluss des Amtsgerichts Stadt1 vom 23.1.2013 (Az.: ... / Bl. 11 ff d.A.) u.a. in Ziffer 2 Abs. 5 zunächst eine externe Teilung der Betriebsrente bei der Bank1 angeordnet worden. Auf die Beschwerde der Bank1 und die Anschlussbeschwerde der Bank2 AG änderte das Oberlandesgericht Stadt2 (Az.: ...) Ziffer 2 Absatz 5 des Beschlusses dahingehend ab, dass im Wege der internen Teilung zulasten des Anrechts des Ehemannes der Klägerin bei der X AG (hiesige Beklagte) zu Gunsten der Klägerin ein Anrecht in Höhe von 37.108,82 Euro, bezogen auf den 31.8.2004, nach Maßgabe der (näher bezeichneten) Teilungsordnung der X AG übertragen wird; auf den Beschluss vom 25.7.2016 (Bl. 137 ff d.A.) sowie die Teilungsordnung der X AG (Bl. 30 ff d.A.) wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 30.3.2017 (Bl. 45 d.A.) teilte die Beklagte dem geschiedenen Ehemann der Klägerin mit, dass sie zwischenzeitlich den Beschluss des Amtsgericht Stadt1 (Az.: ... / ...) umgesetzt habe und sich sein Anwartschaftsbarwert per 1.9.2016 um 37.358,82 Euro mindere. Die zukünftige monatliche Altersrente wurde mit 768,40 Euro mitgeteilt. Mit Schreiben vom 29.6.2017 teilte sie der Klägerin eine Altersrentenanwartschaft in Höhe von 190,92 Euro monatlich mit. Nachdem die Klägerin sich bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht beschwerte, wurde die Altersrentenanwartschaft auf den Betrag von 248,05 Euro und sodann nochmals auf 254,87 Euro korrigiert. Grund für die Korrektur war, dass die Beklagte versehentlich einen Rechnungszins von 3 % statt 5 % zugrunde gelegt hatte.
Nachdem die Klägerin mit Anwaltsschreiben um Erläuterung der Diskrepanz der Rentenhöhen gebeten hatte, verwies die Beklagte mit Schreiben vom 23.11.2018 darauf, dass im Zeitraum zwischen Ehezeitende und Teilung des Versicherungsvertrages in 2017 der Vertrag ihres geschiedenen Ehemannes weiter an der Kapitalanlageentwicklung teilgenommen habe. Ein weiterer Grund für die Diskrepanz sei das Geschlecht und Alter der Klägerin im Vergleich zu dem des Ausgleichsverpflichteten.
Seit 1.2.2020 bezieht die Klägerin eine Rente von 254,87 Euro monatlich.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, das Oberlandesgericht Stadt2 habe lediglich den Teilungsbetrag festgesetzt, nur dieser erwachse in Rechtskraft. Ob und in welcher Höhe dem Ausgleichberechtigten gegenüber dem Versorgungsträger zukünftige Ansprüche aus der betrieblichen Altersvorsorge zustünden, werde von der Rechtskraft nicht umfasst, wie die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 26.4.2018, Az.: 3 AZR 738/16, belege.
Die Beklagte habe ihre Ansprüche rechts...