Leitsatz (amtlich)
1. Einseitige Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des Gläubigers sind keine anfechtbaren Rechtshandlungen des Schuldners nach § 133 InsO.
2. Leistet der Insolvenzschuldner nach begonnener Zwangsvollstreckung an den Gerichtsvollzieher zur Abwendung konkreter Vollstreckungsmaßnahmen, so liegt keine nach § 133 InsO anfechtbare Rechtshandlung des Schuldners vor.
Normenkette
InsO § 133
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 01.12.2004; Aktenzeichen 10 O 164/04) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des LG Wiesbaden vom 1.12.2004 - 10 O 164/04 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 120 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 30.792,67 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Anfechtung von Rechtshandlungen, die zur Minderung des Vermögens der Insolvenzschuldnerin geführt haben.
Insgesamt begehrt der Kläger als Insolvenzverwalter der Firma A. GmbH von der Beklagten Rückzahlung von 36.928,17 EUR.
Es handelt sich dabei um Zahlungen, die von der Insolvenzschuldnerin in der Zeit vom 10.1.2001 bis 14.12.2001 im Rahmen der Zwangsvollstreckung beigetrieben wurden.
Die Beklagte hat i.H.v. 2.556,46 EUR (5.000 DM) die Klageforderung anerkannt.
Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellung im Urteil des LG Wiesbaden vom 1.12.2004 Bezug genommen.
Das LG hat die Beklagte zur Zahlung von insgesamt 6.135,50 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31.1.2004 verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. In Höhe von 2.556,46 EUR beruht die Verurteilung auf dem Anerkenntnis der Beklagten.
Wegen weiterer 3.579,04 EUR hat das LG die Insolvenzanfechtung des Klägers nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO als begründet angesehen, da die Schuldnerin zu diesem Zeitpunkt zahlungsunfähig war.
Als nicht gerechtfertigt hat es die Anfechtung nach § 133 InsO bezüglich der übrigen Leistungen der Insolvenzschuldnerin angesehen.
Das LG führt aus, es habe im Zeitraum der Zahlungen (10. Januar bis 12.8.2001) keine inkongruente Deckung vorgelegen.
Es habe auch kein Benachteiligungsvorsatz der Insolvenzschuldnerin bestanden, sondern lediglich eine Zahlungsunwilligkeit.
Die Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin würde im vorliegenden Fall nicht einmal ausreichen. Die Beklagte habe außerdem keine Kenntnis von einem eventuellen Benachteiligungsvorsatz der Gemeinschuldnerin gehabt. Sie habe keine Umstände gekannt, die auf drohende Zahlungsunfähigkeit hinwiesen. Die bloße Kenntnis von Rückständen und das Vorhandensein weiterer Schulden reiche nicht aus, zumal verspätete Zahlungen durchaus üblich seien.
Gegen dieses dem Kläger am 15.12.2004 zugestellte Urteil hat er mit einem am Montag, den 17.1.2005 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Mit einem am 15.2.2005 eingegangenen Schriftsatz hat er sein Rechtsmittel begründet.
Der Kläger meint, die Ausführungen des LG würden nicht in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des BGH stehen. Nach dieser Rechtsprechung sei auch bei einem Gläubiger zu vermuten, dass er die drohende Zahlungsunfähigkeit kenne, wenn er die Umstände kenne, die den Schluss auf die drohende Zahlungsunfähigkeit zulassen. Diese Kenntnis werde vermutet.
Wer über Monate hinweg nur unvollständige Zahlungen erhalte, kenne die Umstände, die zwingend auf eine Benachteiligung schließen ließen. Dann sei es Sache des Gläubigers vorzutragen, welche Tatsachen die Kenntnis von derartigen Umständen in Frage stellen würden. An einem solchen Tatsachenvortrag der Beklagten würde es aber fehlen.
Der Kläger beantragt, unter teilweiser Abänderung des Urteils des LG Wiesbaden vom 1.12.2004 zu dem Aktenzeichen 10 O 164/04 die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus weitere 30.792,67 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins nach § 247 BGB seit dem 1.5.2005 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte führt aus, sie habe nicht gewusst, dass die Insolvenzschuldnerin seit 1997 die fälligen Abgaben nicht begleichen konnte. Ihre Titel beruhten auf streitigen Verfahren aus der zweiten Hälfte des Jahres 2000 und aus 2001.
Die Insolvenzschuldnerin habe sich dagegen gewehrt, unter den betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages zu fallen. Dies lasse eher auf Zahlungsunwilligkeit als auf Zahlungsunfähigkeit schließen. Es hätten kongruente Deckungen vorgelegen. Nur wenn es dem Schuldner auf die Vereitelung der Ansprüche anderer Gläubiger statt auf die Erfüllung eigener Ansprüche ankomme, sei ein Benachteilungsvorsatz zu bejahen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und St...