Leitsatz (amtlich)
Der Rechtsanwalt darf das Empfangsbekenntnis grundsätzlich erst unterzeichnen und zurückgeben, wenn durch ihn selbst oder auf seine Veranlassung in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und die Notierung im Fristenkalender vermerkt ist. Entschließt sich ein Rechtsanwalt aber, das Empfangsbekenntnis vor vollständiger Fristensicherung zurückzugeben, so trifft ihn eine besondere Sorgfaltspflicht. Um ihr gerecht zu werden, genügen allgemeine Weisungen des Rechtsanwalts an sein Personal grundsätzlich nicht.
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 30.09.2005; Aktenzeichen 2-25 O 561/04) |
Nachgehend
Gründe
I.
Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 30.9.2005 abgewiesen, das dem Kläger nach dem Eingangsstempel auf dem Urteil (Bl. 259 d.A.) sowie dem Vorbringen der Streitverkündeten am 14.10.2005 (Bl. 182 d. A.) zugegangen ist. Das vom Prozessbevollmächtigten des Klägers unterzeichnete Empfangsbekenntnis ist dagegen auf den 18.10.2005 datiert (Bl. 109 d.A.), das Empfangsbekenntnis der Beklagten trägt das Datum vom 13.10.2005 (Bl. 108 d.A.). Der Kläger hat am 15.11.2005 Berufung eingelegt (Bl. 133 d. A.).
Eine Berufungsbegründung ist innerhalb der Frist nach § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht eingegangen, sondern der Kläger hat mit Schriftsatz vom 20.12.2005 (Bl. 141 d. A.), bei Gericht eingegangen am selben Tag, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und dies mit der Nichteintragung dieser Frist durch die ansonsten erfahrene und zuverlässige Rechtsanwaltsfachangestellte begründet, die er am 20.12.2005 festgestellt habe; außerdem erfolgte in diesem Schriftsatz die Berufungsbegründung. Auf den Hinweis des Senats vom 28.12.2005 (Bl. 188 d.A.) zu den Anforderungen an ein begründetes Wiedereinsetzungsgesuch hat der Kläger mit Schriftsatz vom 19.1.2006 (Bl. 226ff d.A.) hierzu weiter vorgetragen und die von seinem Prozessbevollmächtigten am 1.10.2005 eingestellte Streitverkündete als die amtierende Rechtsanwaltsfachangestellte benannt. Sein Prozessbevollmächtigter habe diese am 19.10.2005 auf die Wichtigkeit der Fristen hingewiesen und die Anweisung zur Eintragung einer Vor- und Endfrist in dieser Sache erteilt. Er habe sich jeden Morgen eine Kopie bzw. Ausdruck des Tageskalenders vorlegen lassen sowie die Eintragungen im elektronischen Kalender überprüft, bei dem jedoch am 19.12.2005 ein technischer Defekt vorgelegen habe. Es finde auch eine Ausgangskontrolle statt.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat der Streitverkündeten noch in der Probezeit, und zwar zum 30.11.2005 gekündigt.
Mit Hinweisschreiben vom 28.7.2005 (Bl. 260 d.A.) teilte der Senat dem Kläger mit, dass er aufgrund des Eingangsstempels auf dem Urteil des Landgerichts sowie des Vorbringens der Streitverkündeten davon ausgehe, dass ihm dieses Urteil am 14.10.2005 zugestellt worden sei. Hierzu nahm der Kläger mit Schriftsatz vom 18.8.2006 (Bl. 278ff d.A.) Stellung, wonach die Zustellung am 18.10.2005 erfolgt sei.
Die Beklagte hat dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ebenso wie die Streitverkündete unter Verweis auf die Verletzung anwaltlicher Kontrollpflichten widersprochen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Der nach §§ 233, 234, 236 ZPO zulässige Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nach § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO war als unbegründet zurückzuweisen, da auf der Grundlage des Vorbringens der Parteien sowie der objektiven Umstände davon auszugehen ist, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers schuldhaft eine nach § 85 Abs. 2 ZPO dem Kläger zurechenbare Ursache für die Nichteinhaltung der Berufungsbegründungsfrist gesetzt hat.
Zwar kommt bereits in Betracht, dass der Kläger wegen der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 14.10.2005 die am 14.11.2005 abgelaufene Berufungseinlegungsfrist nach § 517 ZPO versäumt hat; ein Wiedereinsetzungsantrag hinsichtlich der Berufungseinlegungsfrist wurde nicht gestellt. Dies kann jedoch im Ergebnis dahingestellt bleiben, weil jedenfalls die beantragte Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht zu gewähren und gemäß § 522 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO die Berufung als unzulässig zu verwerfen war.
Für den Zustellungsbeweis gilt freie Beweiswürdigung nach § 286 ZPO (Zöller-Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 517 Rn 15).
Der Eingangsstempel auf dem Urteil des Landgerichts vom 14.10.2005, die Zustellung an die Beklagte laut deren Empfangsbekenntnis vom 13.10.2005 sowie das insoweit unstreitige Vorbringen der Streitverkündeten sprechen allerdings dafür, dass dem Prozessbevollmächtigten des Klägers dieses Urteil bereits am 14.10.2005 zugestellt worden ist.
Jedoch hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Zustellung des Urteils auf einem Empfangsbekenntnis nach § 174 Abs. 1 u. 4 ZPO bescheinigt, das das D...