Entscheidungsstichwort (Thema)
Öffentliche Anklageerhebung. Wahlrecht der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des örtlich zuständigen Gerichts bei der bandenmäßigen Tabaksteuerhinterziehung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Vorschrift des § 13 StPO sind keinerlei Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, an welchem der in Betracht kommenden Gerichtsstand die Anklage zu erheben ist; nach der gesetzlichen Wertung hat nur die Staatsanwaltschaft zu entscheiden, ob öffentliche Klage zu erheben ist und bei welchem von mehreren zuständigen Gerichten dies geschehen soll. Daraus folgt, dass das von der Staatsanwaltschaft ausgewählte Gericht grundsätzlich keine Möglichkeit hat, die Wahl der Staatsanwaltschaft zu überprüfen. Eine Grenze findet die Auswahlmöglichkeit vielmehr erst bei einer willkürlichen, d.h. einer unsachlichen, unter keinem Gesichtspunkt mehr vertretbaren, auf Erwägungen, die sich von den gesetzlichen Maßstäben völlig entfernen, beruhenden Entscheidung der Staatsanwaltschaft.
2. Da dem Gesetz keine Rangfolge der verschiedenen Gerichtsstände zu entnehmen ist, ist die Staatsanwaltschaft weder gehalten, an einem Gericht eines der (Haupt-)Tatorte Anklage zu erheben, noch muss sie sich davon leiten lassen, wie viele der Angeschuldigten in welchem Gerichtsbezirk ihren Wohnsitz haben. Sie muss auch nicht in Rechnung stellen, dass einem Angeschuldigten nur eine Tat, anderen Anschuldigten dagegen nahezu alle Taten zur Last gelegt werden und auch die übrigen Hauptbeschuldigten nach Maßgabe der Anklagen weder eine Wohnsitz- noch einen Tatort- oder Ergreifungsortbezug zu dem Landgericht, an dem Anklage erhoben wird, haben. Auch muss die Staatsanwaltschaft nicht darauf abheben, ob für einige Angeschuldigte in einem Landgerichtsbezirk neben dem Gerichtsstand des Tatorts auch der des Wohnorts begründet war. Das Wahlrecht der Staatsanwaltschaft wird auch durch die Tatsache, dass für einen oder mehrere Angeschuldigte mehrere Gerichtsstände begründet sind, nicht eingeschränkt.
Normenkette
AO §§ 370, 374; StPO §§ 3, 7-8, 13; TabStG §§ 15, 17
Verfahrensgang
LG Hanau (Entscheidung vom 16.12.2013; Aktenzeichen 5 KLs - 4424 Js 11790/12) |
Tenor
1. Der Beschluss vom 16.12.2013 wird aufgehoben. Die 5. große Strafkammer - Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Hanau ist für das vorliegende Verfahren örtlich zuständig.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Angeschuldigten trägt die Staatskasse.
3. Die Beschwerde gegen den Beschluss vom 18.12.2013 ist erledigt.
Gründe
Mit Anklageschrift vom 06.09.2013 werden den insgesamt 20 Angeschuldigten bandenmäßige Tabaksteuerhinterziehung nach §§ 370 I Nr. 2 und Nr. 3, III Nr. 1 und 5, VII AO, 15, 17 TabStG in 25 Fällen, davon in 11 Fällen in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Kennzeichenverletzung nach § 143 I Nr. 1 MarkenG in unterschiedlicher Tatbeteiligung vorgeworfen. Mit weiterer Anklage vom 21.11.2013 werden den Angeschuldigten ..., ..., ... und 2 weiteren Angeschuldigten ein weiterer Fall der bandenmäßigen Tabaksteuerhinterziehung nach §§ 370 I Nr. 2 und 3, III Nr. 1 und Nr. 5, VIII AO, 15, 17 TabStG zur Last gelegt. Den Angeschuldigten ..., ... und ... wird in sämtlichen Fällen bis auf den Fall Nr. 5, der allein dem Angeschuldigten D. zur Last gelegt wird, Tatbeteiligung vorgeworfen. Mit Beschluss vom 29.11.2013 verband das Landgericht Hanau die den Anklagen zu Grunde liegenden Verfahren. Die Taten sollen an verschiedenen Orten, die Tat Nr. 5 im Landgerichtsbezirk Hanau begangen worden sein. Die Anschuldigten wohnen an verschiedenen Orten, der Angeschuldigte ... wohnt im Landgerichtsbezirk Hanau.
Mit Beschluss vom 16.12.2013 erklärte sich das Landgericht Hanau für örtlich unzuständig. Dagegen richtet sich die einfache Beschwerde der Staatsanwaltschaft, die zugleich Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Beschlusses nach § 307 II StPO beantragt. Die Kammer half der Beschwerde mit Beschluss vom 18.12.2013 nicht ab und wies zugleich den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zurück. Auch gegen letztgenannte Entscheidung hat die Staatsanwaltschaft Beschwerde eingelegt.
Die einfache Beschwerde gegen den Beschluss vom 16.12.2013, mit dem sich die Kammer für örtlich unzuständig erklärt und - der herrschenden Meinung folgend (OLG Hamm, NStZ-RR 1999, 16; Scheuten, in: KK-StPO, 7. Aufl., § 16 Rn 4 - jew. mwN, auch zur Gegenmeinung) - aus diesem Grunde über die Eröffnung des Hauptverfahrens nicht entschieden hat, ist zulässig (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 16 Rn 4 mzwN; Senat, Beschl. v. 10.11.2005 - 3 Ws 910/05) und auch in der Sache begründet. Die Kammer hat ihre örtliche Zuständigkeit zu Unrecht verneint. Die Zuständigkeit ergibt sich jedenfalls aus §§ 8, 13 StPO.
Hinsichtlich der unter Nr. 5 der Anklage vom 06.09.2013 angeklagten Tat ist jedenfalls der Gerichtsstand des Wohnortes (§ 8 StPO) beim Landgericht Hanau begründet. Bezüglich der übrigen angeklagten Taten besteht Zusammenhang i.S. des § 13 StPO, so dass die im Fall 8 begründete örtliche Zuständigkei...