Entscheidungsstichwort (Thema)
Entzug des Sorgerechts des Kindesvaters nach Tötung der Kindesmutter. Bedeutung des Willens des Kindesvaters bei der Auswahl eines Vormundes für das minderjährige Kind
Leitsatz (amtlich)
Bei der Auswahl des Vormundes nach § 1779 BGB ist der Wille des ursprünglich sorgeberechtigten Vaters nicht deshalb unbeachtlich, weil er für die Tötung der Mutter verantwortlich ist, denn durch die Tat werden ihm nicht die in Art. 6 GG verbrieften Elternrechte genommen.
Normenkette
BGB § 1779; GG Art. 6
Verfahrensgang
AG Kassel (Beschluss vom 08.08.2007; Aktenzeichen 511 F 1507/07 SO) |
Gründe
I. Mit Beschluss vom 8.8.2007 hat das AG - FamG - Kassel dem Beschwerdeführer die elterliche Sorge für das betroffene Kind AD entzogen und Amtsvormundschaft angeordnet.
AD ist das Kind aus der Beziehung des 1980 geborenen Beschwerdeführers mit Frau BD, geboren am ... 1987. In der Beziehung kam es seit 2005 zu Auseinandersetzungen. Während der Schwangerschaft hatten sich die Eltern getrennt, jedoch nach der Geburt des Kindes wieder zueinander gefunden und eine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben. Die Eltern wohnten von Juli 2006 bis November 2006 zusammen. Die Kindesmutter, die aufgrund unüberbrückbarer Differenzen mit ihren geschiedenen Eltern seit dem 3.11.2003 in einer Jugendhilfeeinrichtung gelebt hatte, stand auch nach der Gründung des gemeinsamen Haushalts in ständigem Kontakt mit der Jugendhilfeeinrichtung. Diese bot dem jungen Paar nach der Trennung im November 2006 auch Hilfestellung bei der Organisation von Umgangskontakten des Kindesvaters mit A. So sah ihn der Beschwerdeführer auch nach dem Auszug aus dem mütterlichen Haushalt mehrmals wöchentlich und beaufsichtigte das Kind auch zu Hause.
Der Beschwerdeführer hatte Schwierigkeiten, die Trennung zu akzeptieren. Die Kindesmutter ließ auch teilweise Annäherungen wieder zu. Ein Gewaltschutzverfahren, das sie im Dezember 2006 mit dem Ziel einleitete, den Beschwerdeführer zur Einhaltung eines räumlichen Abstands zu verpflichten, endete mit einer Antragsrücknahme, nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Kindesmutter entgegen der zuvor erlassenen einstweiligen Anordnung selbst den Kontakt zum Beschwerdeführer gesucht hatte. Aus den Vernehmungsprotokollen der beigezogenen Strafakte (StA bei dem LG O1,...) ergibt sich, dass es Freunden und Verwandten bis zum Mai 2007 teilweise nicht möglich war, eindeutig zu bestimmen, ob die Eltern wieder als Paar anzusehen waren oder getrennt lebten. Jedenfalls im Rahmen der Besuchskontakte des Kindesvaters mit A trafen die Eltern regelmäßig aufeinander. Es kam oft zu Streitigkeiten, und beide wandten sich an die Jugendhilfeeinrichtung oder das Jugendamt, was nach einiger Zeit wohl zu einer Beruhigung der Situation beitragen konnte. Noch am 8.5.2007 berichtete die Kindesmutter jedoch in der Erziehungshilfeeinrichtung, dass der Kindesvater sich an die zum Umgang getroffenen Vereinbarungen halte und das Kind pünktlich abhole und bringe. Der Beschwerdeführer wird aus der Zeit vor dem 11.5.2007 von Freunden und Verwandten als liebevoller und zugewandter Vater beschrieben.
Am 11.5.2007 eskalierte ein Streit in der Wohnung der Kindesmutter so massiv, dass die Kindesmutter in ungeklärter Absicht mit einem Messer auf den Beschwerdeführer zuging. Es gelang ihm, ihr das Messer zu entwinden. Nach eigenen Bekundungen ist er dann völlig "ausgerastet". Er brachte der Kindesmutter 21 Stichverletzungen an Oberkörper und Armen bei, an denen diese verstarb. Während des gesamten Geschehens befand sich A in der Wohnung. Der Beschwerdeführer selbst rief unmittelbar nach der Tat die Polizei und wurde in Haft genommen. Mittlerweile ist gegen ihn Anklage wegen Totschlags erhoben worden, die Hauptverhandlung wird ab Januar 2008 stattfinden. Das Gutachten, das im Rahmen des Strafverfahrens zur Frage seiner Schuldfähigkeit eingeholt wurde, gelangt zu dem Schluss, dass er die Mutter im Zustand einer tiefen Bewusstseinsstörung getötet hat, nachdem sich für ihn aus der - von ihm nicht gewollten und von der Kindesmutter nicht durchgehaltenen Trennung - eine erdrückend ausweglose Situation entwickelt hatte, in der ihm die Kindesmutter zum Teil auch den Umgang mit seinem Kind streitig machte. Der Sachverständige geht wegen des feststellbaren Affekts davon aus, dass der Beschwerdeführer nur eingeschränkt schuldfähig war.
Der Beschwerdeführer ist in der Untersuchungshaft wegen akuter Suizidalität zwischen dem 16. und 29.5.2007 stationär behandelt worden und wurde danach von der Krankenabteilung der Justizvollzugsanstalt wieder in die allgemeine Untersuchungshaft verlegt. Ende Juli 2007 führte erneut akute Suizidgefahr zu einer Aufnahme in die psychiatrische Abteilung des Krankenhauses der Justizvollzugsanstalt. Anfang August bemerkte man dort, dass er seine Medikamente nicht einnahm, sondern sammelte. Seither kommen zu der Suizidalität und zwei konkreten Selbsttötungsversuchen aggressive Impulsdurchbrüche ggü. dem Pflegepersonal und Mithäftlingen, die sei...